Gewerkschafter*innen gegen Aufrüstung

Der Kriegsbeginn und das Durchpeitschen des 100-Milliarden-Rüstungspaketes durch den Bundestag waren für viele ein Schock. In den Gewerkschaften herrschte zunächst Schweigen. Die ersten Gliederungen haben sich inzwischen aus der Starre gelöst und Stellung gegen die Aufrüstung bezogen. Insgesamt handelt es sich aber um zaghafte, bescheidene Ansätze. Angesichts der Pläne von Teilen der Bundesregierung, schwere Waffen wie Panzer an die Ukraine zu liefern, wäre es nötig, dass Gewerkschafter*innen auf allen Ebenen Stellung beziehen und Proteste vorbereiten.

In einem Beschluss der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) auf Bundesebene heißt es:

Mehr Waffen schaffen keinen Frieden. Die GEW kritisiert die geplante massive Aufrüstung als Antwort auf den Ukrainekrieg. Die Einrichtung eines 100 Milliarden schweren Sondervermögens für die Bundeswehr lehnen wir ebenso ab wie die Steigerung der Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Hochrüstung hilft den Menschen in der Ukraine nicht und wird die Sicherheit in Europa weiter gefährden.“

Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, doch angesichts der Positionierung des DGB-Bundesausschusses, der sich entgegen der eigenen geltenden Beschlusslage nicht gegen die Aufrüstung positioniert, ist diese Stellungnahme der GEW ein Fortschritt. Allerdings wird der Aufruf nicht prominent auf der Website der GEW beworben, sondern ist bei „Aktuelles“ weit nach hinten gerutscht.

Weiterhin solidarisiert sich die GEW mit einem Aufruf „Lehrkräfte gegen den Krieg“, der von 5000 Lehrer*innen in Russland unterschrieben wurde.

Der Online-Appell „Demokratie und Sozialstaat bewahren – Keine Hochrüstung ins Grundgesetz!“ wurde von rund 50.000 Menschen unterschrieben. Darunter sind viele Gewerkschafter*innen und einzelne gewerkschaftliche Gliederungen wie die IG Metall Jena-Saalfeld und Gera und der Landesbezirk Ost der NGG (Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten).

Der Appell beinhaltet viele Punkte, die wir nicht teilen, aber auch zentrale Punkte, die gemeinsames Handeln zusammen mit linken Antimilitarist*innen ermöglichen. So heißt es: „Die auf Jahr­zehnte geplante Hoch­rüstung beendet das Sterben in der Ukraine nicht und macht unsere Welt nicht fried­licher und nicht sicherer.“ Auch wird die „Gefahr massiver Kürzungen im sozialen, im kulturellen, im öffentlichen Bereich“ angesprochen.

Die entscheidende Frage ist allerdings – sowohl beim „Appell“ als auch bei der GEW – ob es bei Stellungnahmen und Online-Protesten bleibt, oder ob die Initiator*innen und Unterstützer*innen bereit sind, den Protest auf die Straße und in die Betriebe zu tragen.

Aachener IGM kritisiert auch Sanktionen

Nachdem bereits am 9. März die Delegiertenversammlung der IG Metall Ruhrgebiet-Mitte eine Resolution unter dem Titel „Nein zu Krieg! Nein zu Aufrüstung! Frieden jetzt!“ verabschiedet hatte, nahm Marc Treude, Betriebsratsvorsitzender und Mitglied des Ortsvorstandes der IG Metall Aachen und der SAV, diese zum Anlass, den gleichen Wortlaut mit weiteren Ergänzungen in der Aachener Delegiertenversammlung zur Beschlussfassung einzubringen.

Die Ergänzungen, die von Treude gemacht wurden, bezogen sich einmal auf die Kritik am 2%-Ziel des Bruttoinlandsproduktes, dass für weitere Rüstung ausgegeben werden soll. Zusammen mit den bereits oben erläuterten 100 Milliarden „Sondervermögen“ für die Bundeswehr hätte Deutschland somit den drittgrößten Militärhaushalt der Welt.

Die zweite Ergänzung sprach die Rolle der russischen Antikriegsbewegung klar an. Die zur Abstimmung gebrachte Resolution rief dazu auf, diese zu unterstützen, und sprach die Rolle an, die diese Bewegung zur Beendigung des Krieges potentiell beitragen kann. Treude nutzte die Einbringung der Resolution, um die Idee einer internationalen Antikriegsbewegung, die sich auch auf die Gewerkschaften stützen müsse, darzustellen.

In der Resolution heißt es unter anderem: „Diesen Krieg zum Anlass zu nehmen, nach mehr Aufrüstung zu rufen, lehnen wir ab. Mehr Waffen haben noch nie zu einer friedlicheren Welt geführt. Deshalb kritisieren wir auch den Vorschlag, das Grundgesetz zu ändern und eine Art Schattenhaushalt zu verankern, der zusätzliche 100 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr vorsieht […] Wir verurteilen alle, die sich direkt oder indirekt an diesem Krieg bereichern. Diese Profitlogik geht grundsätzlich zu Lasten von vielen Menschen […] Dieses Geld wird nicht einfach zusätzlich gedruckt – es wird in den kommenden Jahren an anderen Stellen fehlen. Wir wollen nicht, dass in Bereichen wie z.B. Gesundheit, Bildung, Soziales, öffentliche Daseinsfürsorge, Klimaschutz usw. gekürzt wird […] Sanktionen, die in ersten Linie die Masse der russischen Bevölkerung treffen und nur tiefer in die Krise stürzen, sehen wir kritisch. Alternativen, die die Herrschenden treffen, wie zum Beispiel das Einfrieren von russischem Vermögen im Ausland, sind vorzuziehen. Sanktionen müssen immer dem Ziel dienen, diesen Krieg zu beenden.“

Hauptrednerin auf der Aachener Online-Delegiertenversammlung am 7. April war Anja Weber, Bezirksvorsitzende des DGB in Nordrhein-Westfalen, und bekennende Sozialdemokratin. Sie sollte den Delegierten erläutern, welche Vorteile der Koalitionsvertrag der Ampel für Arbeitnehmer*innen bringt.

Dazu gab es wenig Diskussion, einige Delegierte kritisierten, dass für Rentner*innen zu wenig dabei herauskommt. Treude sprach an, dass Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Gesetzentwurf zur verbindlichen Erfassung von Arbeitszeiten auf Druck der FDP zurückgezogen habe. Der Europäische Gerichtshof hatte in einem Urteil im Mai 2019 bereits die Regierungen von Spanien und Deutschland aufgefordert, hierfür klare Regelungen zu schaffen. Doch die Arbeitgeber und ihre Lieblingspartei FDP zogen in der Koalition dagegen ins Feld.

Dann folgte die Einbringung und Diskussion über die Resolution, die Treude beantragt hatte, und die auch vom Ersten Bevollmächtigten der Aachener IG Metall unterstützt wurde. Anja Weber selbst, aber auch andere SPD- und Grünen-Mitglieder, u.a. der DGB-Geschäftsführer NRW-Südwest und die Aachener DGB-Vorsitzende, argumentierten hart gegen die Kritik an Sanktionen, die nur die Masse der Bevölkerung treffen, während die Oligarch*innen um Putin ihre „Schäfchen ins Trockene“ gebracht haben. Tatsächlich waren es fast ausschließlich Mitglieder der genannten Regierungsparteien, die Teile der Resolution kritisierten, und einen anderen Kurs einforderten. Andere Metaller*innen drückten ihre Unterstützung für die Inhalte der Resolution aus.

Anja Weber ließ es sich als DGB-Bezirksvorsitzende nicht nehmen, in einer IGMetall-Versammlung mehrmals das Wort zu ergreifen und den anwesenden Delegierten zu sagen, was ihrer Meinung nach richtig sei. Das ist ein kritikwürdiges Verhalten, am Ende wurde die geänderte Resolution aber mit großer Mehrheit verabschiedet. Trotz der Ablehnung von Aufrüstung wurde per Änderungsantrag der Satz eingefügt:  „Wir sehen wohl die Notwendigkeit einer besseren Ausrüstung der Bundeswehr.“ Dieser Satz wurde als Kompromiss gesehen, der aber keiner sein kann. Vermutlich stand dahinter die Idee, dass auch Bundeswehr-Soldat*innen irgendwie Arbeitnehmer*innen seien, und das Recht auf gute Arbeitsbedingungen haben. Das ist zwar nachvollziehbar, doch für die politische Diskussion um Aufrüstung alles andere als hilfreich. Es braucht politische Alternativen, und sinnvolle Arbeitsplätze für Soldat*innen, statt Aufrüstung durch die Hintertür.

Die Diskussion in der Versammlung zeigte auf, wie stark das Bewusstsein auch in den Gewerkschaften gesunken ist. Es braucht klassenkämpferische Kolleg*innen, die in allen Gremien gegenhalten und den Kurs der Unterstützung der Regierung kritisieren und Alternativen aufzeigen. Diese Kolleg*innen sollten die politische Arbeit gegen den Krieg als Klammer verstehen und sich weiter vernetzen, wie zum Beispiel in der VKG – Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften.

Links:

https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/gew-verurteilt-angriffskrieg

https://derappell.de/

https://www.aachen.igmetall.de

www.vernetzung.org 

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