Transportarbeiter*innen und Antimilitarismus

Blockaden, Streiks und Solidarität

Die Entwicklung von Kriegen hängt nicht allein von den militärischen Strategien der Herrschenden ab. Auch die Handlungen von Arbeiter*innen können das Geschehen beeinflussen, zum Beispiel die Aktionen von Transportbeschäftigten. Sie zeigen, welches Potential die organisierte Arbeiter*innenklasse weltweit hat, wenn sie sich entlang ihrer Klasseninteressen anstatt entlang nationaler Grenzen solidarisiert.

Von Anne Engelhardt, Kassel

In Belarus haben bereits zu Beginn des Krieges Kolleg*innen der „Gesellschaft der belarussischen Eisenbahn“ Sabotageakte durchgeführt. Das russische Militär ist auf den Schienenverkehr angewiesen, um seinen Nachschub zu organisieren. Das Werfen brennender Baumstämme auf die Schienen, das Zerstören von Schalt- und Stromkästen und Cyberangriffe auf die digitale Infrastruktur der Bahn haben die russische Armee im Norden bei ihrem Angriff auf Kiew gestört. Vor dem Krieg ging die „Gesellschaft der belarussischen Eisenbahn“ vor allem gegen unrechtmäßige Entlassungen und Lohnkürzungen vor, entlarvte, welche Oligarch*innen sich an der Bahn auf Kosten der Beschäftigten bereicherten, und meldete Unfälle.

Nicht länger Rädchen im Getriebe des Todes

Auch in Italien wurden Waffenlieferungen – diesmal jedoch seitens der NATO – gestoppt, egal ob sie in den Jemen oder in die Ukraine gingen. Die Kolleg*innen solidarisieren sich mit dem Widerstand der Ukrainer*innen und fordern ein Ende des Krieges. Sie weigern sich, zum verlängerten Arm der Kriegstreiber*innen – egal auf welcher Seite – zu werden. In Pisa haben Flughafenbeschäftigte die Verladung von Waffen verhindert, die als humanitäre Hilfe getarnt waren. Dabei ging es auch um die Sicherheit von Kolleg*innen. Die verantwortliche Gewerkschaft USB (übersetzt „Basisgewerkschaft“) schrieb: „Solche Flugzeuge landeten zunächst auf den US/NATO-Stützpunkten in Polen, dann wurden die Ladungen in die Ukraine geschickt, wo sie schließlich von der russischen Armee bombardiert wurden, was zum Tod weiterer Arbeiter*innen führte, die auf den von den Angriffen betroffenen Stützpunkten beschäftigt waren.“

In Genua haben die organisierten Hafenarbeiter*innen der USB ebenfalls wiederholt Schiffe mit Waffenlieferungen blockiert. Am 2. April 2022 streikten sie gegen das saudische „Todesschiff“ Bahri, das in Italien Waffen umschlagen wollte, die gegen die Bevölkerung im Jemen eingesetzt worden wären. Angesichts dieser Entwicklung sagte ein Gewerkschaftsmitglied der USB in Genua: „Wir, die Hafenarbeiter*innen, wollen nicht länger ein Rädchen im Getriebe des Todes sein. Der Hafen von Genua (…) kann es sich nicht leisten, immer mehr Waffen in seinem Bauch zu haben, die all die 20 Konflikte nähren, die bis gestern im Gange waren, zu denen kürzlich der Konflikt in der Ukraine hinzukam… (…) Wir glauben, dass Frieden geschaffen werden muss, wir sind gegen diese kriegstreiberische Logik und deshalb haben wir heute mobilisiert“.

Sowohl Hafen- als auch Bahnarbeiter*innen stoppten in Griechenland NATO-Waffenlieferungen. Ebenso wie in Italien fordern sie einen Abbau der NATO-Stützpunkte in Griechenland. Am Hafen von Alexandroupolis weigerten sich Kolleg*innen der TrainOSE-Gewerkschaft, Züge für den Transport von Panzern und Waffen zu warten. Am Hafen von Piräus haben Tausende gegen den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ demonstriert, sie forderten „Raus mit der NATO, weg mit den Stützpunkten, keine Beteiligung an den Interventionen“.

Harte Reaktionen

In allen drei Ländern sind die Kolleg*innen, die diese Sabotagen und Proteste durchführten, Sanktionen ausgesetzt. In Alexandroupolis drohte die Geschäftsführung mit der Kündigung. Daraufhin schlossen sich weitere Gewerkschaften den Sabotageaktionen und Protesten an. In Italien führte eine Militäreinheit eine Razzia im Gewerkschaftsbüro der USB durch und „fand“ eine Waffe im Spülkasten einer öffentlich zugänglichen Toilette des Gebäudes. Die Kolleg*innen fassten das als eindeutige Provokation auf und beantworteten die Razzia mit Protesten. In Belarus hat laut der „Gesellschaft der belarussischen Eisenbahn“ der Geheimdienst KGB mehrere Kolleg*innen verschleppt und schwer verletzt. Er zwang Kolleg*innen, in Videobotschaften ihre „Vergehen“ zu gestehen. Die Gewerkschaft der belarussischen Eisenbahn veröffentlichte daraufhin auf ihrem Telegram-Kanal sämtliche Namen von hochrangigen Mitgliedern der Eisenbahn, die sie nach dem Krieg zur Rechenschaft ziehen wollen, vernetzten sich mit Rabochy Rukh, ByPol und Supratsiou (Cyber Partisans), um weitere Sabotagen durchzuführen, und machen sich derweil über die paranoide Regierung lustig, die Wärmekameras und Drohnen einsetzt, um Saboteure zu fangen.

Diese Aktionen verdienen die ganze Solidarität der weltweiten Arbeiter*innenklasse. Sie sind ein Zeichen dafür, dass Arbeiter*innen nicht nur Zahnräder für das Funktionieren des Krieges sind, sondern auch der Sand im Getriebe der Kriegsmaschinerie sein können.

Foto: NAC, CC BY-SA 4.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0, via Wikimedia Commons