Solidaritätserklärung mit den Streikenden im Öffentlichen Dienst der Länder

In dieser Woche gibt es vor der nächsten Verhandlungsrunde am Wochenende große Warnstreiks der nach TV-L bezahlten Beschäftigten im öffentlichen Dienst. Folgende Solidaritätserklärung verteilen wir bei den Warnstreikdemos als Flyer:

Streik in der Schule, Streik im Betrieb – das ist unsere Antwort auf ihre Politik!

Liebe Kolleg*innen,

einige von uns streiken heute selbst, andere sind solidarisch mit eurem Streik. Wir freuen uns, dass in 15 Bundesländern so viele Kolleg*innen aus den verschiedenen Bereichen des ÖD auf der Straße sind, aus der Verwaltung, den Schulen, den Unikliniken, den Hochschulen, der Sozialarbeit, Infrastrukturbereichen wie den Schleusen und so weiter, und dass alle gemeinsam für mehr Lohn kämpfen.

Inflationsausgleich erstreiken

Denn im Gegensatz zu den Behauptungen der Arbeitgeber, dass es im öffentlichen Dienst doch allen gut gehe, dass sich Corona kaum auf die Arbeit ausgewirkt hätte und dass kein Geld da wäre wisst ihr es besser und fordert 5% mehr Lohn auf ein Jahr Laufzeit. Das sind beides Mindestforderungen – weniger Geld oder eine längere Laufzeit würden bei der aktuellen Inflationsrate Reallohnverlust bedeuten. Und „wir brauchen eigentlich 10%, nicht 5%“, wie eine Gebäudereinigerin beim Warnstreik sagte. Stattdessen drohen die Arbeitgeber mit Abgruppierungen und weigern sich ein Angebot vorzulegen, wenn nicht über Änderungen bei den Arbeitsvorgängen verhandelt wird, die die Grundlage für die Eingruppierung sind. Um diesen Angriff zu stoppen und die Lohnforderungen durchzusetzen, sind große Streiks notwendig.

Streiks ausweiten

Auf der ersten Warnstreikdemo in Hamburg berichtete ein Redner der GEW, dass ursprünglich nur ein kleiner Teil der Mitglieder in begrenzten Bereichen zum Streik aufgerufen werden sollte, aber immer wieder Kolleg*innen in der Geschäftsstelle anriefen und forderten, streiken zu dürfen. Sie durften, und statt der angekündigten 500 waren wir auf der mit 2000 Streikenden auf der Straße! Ob eine noch stärkere Beteiligung möglich gewesen wäre, wenn alle Kolleg*innen von Anfang an mit aufgerufen worden wären?

Um die Angriffe zu stoppen, braucht es die Beteiligung aller Kolleg*innen an den Warnstreiks. Kolleg*innen, die noch nicht Mitglied in DGB-Gewerkschaften sind, sollten es werden – und die Gewerkschaften müssen sie dann auch gemeinsam zum Streik aufrufen.

Um mehr Kolleg*innen über die Teilnahme an Streiks hinaus an der Organisierung der Tarifrunde zu beteiligen, gibt es Tarifbotschafter*innen und Delegiertenstreiks. Das ist gut, aber noch besser wären Streikversammlungen an den Warnstreiktagen. Dann könnten alle interessierten Streikenden gemeinsam über die weiteren Schritte beraten, ihre Ideen einbringen und Entscheidungen treffen. Im langen Arbeitskampf der Sozial- und Erziehungsdienste 2015 gab es Streikdelegiertenkonferenzen, wo von den Kolleg*innen vor Ort gewählte Delegierte bundesweit zusammenkamen um über den Tarifabschluss zu diskutieren – solche demokratischen Strukturen könnte es auch bei anderen Streiks geben.

Tarifabschluss in Hessen: Kein gutes Vorbild

In Hessen gilt mit dem TV-H ein eigener Tarifvertrag für die Landesbeschäftigten, der einen Monat vor dem TV-L ablief. Mitte Oktober kam es zu einer Einigung. Der hessische Abschluss sieht bis August 2022 keine Lohnerhöhung vor. Stattdessen soll es in zwei Schritten insgesamt 1000 Euro steuer- und abgabenfreie Corona-Sonderzahlungen geben. Später werden die Löhne dann um 2,2% und im August 2023 noch einmal um 1,8% angehoben, bei einer Laufzeit von insgesamt 28 Monaten.

Die Einmalzahlungen, von denen alle Entgeltgruppen gleichermaßen profitieren und bei denen brutto gleich netto ist könnten auf den ersten Blick attraktiv wirken. Sie sind aber nicht tabellenwirksam und fließen nicht in die Verhandlungen 2024 ein. Tabellenwirksam sind nur die 4% auf 28 Monate. Auf ein Jahr gerechnet sind das 1,7%, ein Drittel der ursprünglichen Forderung und deutlich unter der Preissteigerungsrate. Der Reallohnverlust ist damit für die gesamte Laufzeit festgeschrieben.

Die Sonderzahlungen dämpfen das nur minimal ab. Selbst wenn man sie mit hinein rechnet, betragen die Erhöhungen für die gesamte Laufzeit zwischen 4,5% (1,9% auf ein Jahr) für die Beschäftigten in den obersten Entgeltgruppen und 5,8% (2,6% auf ein Jahr) für die niedrig entlohnten Kolleg*innen. Selbst inklusive der Sonderzahlungen wurde auch für die unteren Entgeltgruppen nicht einmal die Hälfte der Forderungen erreicht