Warum Wagenknecht nicht ausgeschlossen wurde: Lesenswerte Begründung der Landesschiedskommission NRW

Die Landesschiedskommission (LSchK) Nordrhein-Westfalen hat den Ausschluss-Antrag gegen Sarah Wagenknecht zurückgewiesen – und belegt gleichzeitig, dass diese massiv und wiederholt gegen Grundsätze, Satzung und Ordnung der Partei verstoßen hat.

von Claus Ludwig, Köln

Als zentralen Grund für die Unzulässigkeit des Ausschlusses nennt die LSchK die Tatsache, dass die Parteiführung Wagenknecht seit Jahren gewähren lässt, den Konflikt mit ihr nicht politisch gelöst hat und dass sie als Spitzenkandidatin für NRW aufgestellt worden sei: Denn der Schaden, den die Partei infolge der Äußerungen der Antragsgegnerin erleidet, ist nicht allein der Antragsgegnerin anzulasten. Verantwortung hat in gleicher Weise die Partei, die seit vielen Jahren den mit zunehmender Härte geführten Konflikt um die Ansichten der Antragsgegnerin nicht politisch löst… Es ist weder die Aufgabe noch die Kompetenz der LSchK, diesen innerparteilichen politischen Konflikt anstelle der dazu berufenen Parteiorgane durch einen Parteiausschluss zu entscheiden.“

Inhaltlich gibt die Schiedskommission den bisher namentlichen nicht bekannten Antragsteller*innen weitgehend Recht. Sie stellt fest, dass Teile von Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“ im Widerspruch zu den Grundsätzen der Partei stehen. Die Forderung nach „Begrenzung der Zuwanderung“ widerspreche dem Programm „im direkten Sinne“, ebenso die Bezeichnung von Frauenquoten als „Spuk“.

Zwar dürfe laut LSchK die beschlossene Programmatik von Mitgliedern kritisiert werden, auch öffentlich, aber diese Meinungsfreiheit gelte „nicht unbegrenzt“. Mehrheitsbeschlüsse dürften „nicht verunglimpft oder aggressiv bekämpft werden“.

Die Schiedskommission wird an einigen Stellen sehr deutlich: „Es ist deshalb unsolidarisch und unsozial, wenn die Antragsgegnerin ausgerechnet im (Vor-) Wahlkampf Thesen verbreitet, die geeignet sind, die in Teilen der Bevölkerung vorhandenen Ressentiments gegen Migranten und Flüchtlinge zu stärken. Vor allem wenn dabei teilweise derselbe Wortlaut verwendet wird, wie ihn rechtspopulistische Parteien verwenden … Es ist aus Sicht der Partei daher nicht hinzunehmen, dass die Antragsgegnerin in herablassender Weise über Menschen urteilt, die sich für Migranten, Frauen, sexuelle Minderheiten, Tier- oder Klimaschutz engagieren oder die einer der von der Antragsgegnerin bespöttelten „skurrilen Minderheit“ angehören … Im Ergebnis schwächt die Antragsgegnerin mit ihrem ‚Gegenprogramm‘ also ausgerechnet im Bundestagswahlkampf de facto und objektiv den Wahlkampf der LINKEN.“

Wagenknecht habe „erheblich“ gegen das Loyalitätsgebot verstoßen und der Partei damit „schweren Schaden zugefügt“. An Klarheit lässt die Stellungnahme der Schiedskommission wenig zu wünschen übrig. „Rein rechtlich“ hätte sie dem Ausschlussantrag statt geben müssen. Aber Auseinandersetzungen sind nicht rein juristisch zu betrachten, sondern müssen politisch gelöst werden. Insofern ist es korrekt von Kommission sich selbst nicht für zuständig zu erklären und den Ball zur inhaltlichen Klärung zurück an die Partei zu spielen. Wenn eine Person so starke Unterstützung erfährt, im Landesverband NRW zeitweise sogar seitens der Mehrheit, dann kann das Problem unmöglich über Formalitäten gelöst werden. Die SAV ist dagegen, Sarah Wagenknecht auszuschließen, diese Auseinandersetzung ist politisch zu entscheiden. Allerdings muss dies auch geschehen, nicht in ferner Zukunft, sondern bald. Die Positionen von Wagenknecht sind nicht kompatibel mit einer Partei, die sich als sozialistisch und internationalistisch versteht und die für die Einheit der Lohnabhängigen über Herkunft, Abstammung, Geschlecht, Hautfarbe, Religion etc. eintritt.

Bild: Dirk Vorderstraße (CC BY 3.0)