Unruhige Zeiten für die CDU

Die CDU beschreibt sich als Volkspartei. Das stimmt und stimmt auch nicht. Unter den rund 400.000 Mitgliedern finden sich Milliardär*innen und Durchschnittsverdiener*innen, Firmenchef*innen und abhängig Beschäftigte, reiche Besitzer*innen von gut laufenden Handwerksbetrieben und kleine Selbständige, Großbäuer*innen und abhängig Beschäftigte mit bäuerlichen Wurzeln. Ähnliches gilt für die Wähler*innenschaft. Als „Volkspartei“ gibt die CDU vor, Politik im Interesse aller zu machen. Das ist unmöglich.

Von Georg Kümmel, Köln

Gesetze zum Schutz der Beschäftigten sind gegen die Interessen der Firmen- und Konzern-Besitzer*innen und umgekehrt. Gesetze im Interesse von Vermieter*innen sind notwendigerweise gegen die Mieter*innen. Das kann eine „Volkspartei“ natürlich nicht offen zugeben. Würde sie nur noch von denen gewählt, deren ökonomische Interessen sie vertritt, käme sie auf weniger als zehn Prozent.

Ausgerechnet der Rechtsaußen Friedrich Merz, zugleich der trotteligste der drei Kandidaten, bekam im ersten Wahlgang für den CDU-Vorsitz die meisten Stimmen. In der Stichwahl erhielt er 47%. Das zeigt, dass es große Unzufriedenheit in den Reihen der Partei gibt. Abstiegsängste bei den Kleineigentümer*innen, Sorgen um Arbeitsplätze und Einkommen bei den abhängig Beschäftigten, die sich in diese Partei verirrt haben. „Volkspartei“ zu sein bedeutet, dass die wachsende Spaltung in der Gesellschaft ihre Entsprechung in einer wachsenden Spaltung der Partei findet.

Neue Lügen

International suchen konservative Parteien und ihre Führungsfiguren nach neuen Wegen, um bei Wahlen Mehrheiten zu erhalten. Die alte Methode, die Beschwörung von konservativen und christlichen Werten, funktioniert nur noch halb oder gar nicht mehr. Konservativ kommt von „conservare“ und bedeutet „erhalten“, „bewahren“. Der moderne Kapitalismus im 21. Jahrhundert erhält nicht sondern zerstört: Umwelt, Gesundheit, Reste sozialer Gesetzgebung, das friedliche Zusammenleben von Ländern und Menschen. Die alten Begründungen und alten Versprechungen entpuppen sich für eine immer größere Anzahl der Wähler*innen als Lügen.

An die Stelle der alten Politiker*innen mit ihren alten Programmen treten neue mit anderer Propaganda. Viele konservative Parteien innerhalb und außerhalb Europas zeigen Parallelen in ihrer Entwicklung, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Da ihre alten Erzählungen verbraucht sind, haben sie sich teils aufgelöst und unter anderem Namen neu gegründet. Neue Figuren steigen auf. Menschlich unterschiedlich schräg, politisch unterschiedlich rechts aber alle schräg und rechts. Prominenteste Beispiele sind Boris Johnson, Bolsonaro und Trump.

Papiersoldat und Robocop

Gegenüber Letzeren erscheint Friedrich Merz wie ein Papiersoldat gegenüber Robocops, doch die Richtung ist erkennbar. Wenn die nächste Regierung, egal ob unter Führung der CDU, der Grünen oder der SPD, die Lasten der Krise auf dem Rücken der Arbeitenden und der Armen abzuwälzen beginnt, werden wir auch in Deutschland eine Umgruppierung des rechten Lagers erleben. Aus welchem Mix und von wem dann ein neues Lügenmärchen aus Nationalismus, Frauenfeindlichkeit und anderen reaktionären Ideen gestrickt wird, um von den Lügen der Vergangenheit abzulenken, ist noch offen.

Auch SPD und Grüne behaupten, es sei möglich, gleichzeitig Politik für Millionäre und für Millionen zu machen. Leider denken das auch die Kräfte in der LINKEN, die auf Regierungsbeteiligung setzen. Wahlbetrug an der großen Mehrheit der Wähler*innen, egal durch wen, wird die Entstehung und das Wachstum noch rechterer Kräfte innerhalb und außerhalb der Union befeuern. Dann wird das relativ gute Wahlergebnis für Merz wie ein leichter Windzug erscheinen, der einem Sturm vorausging.

Bild: Olaf Kosinsky, CC BY-SA 3.0 https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0, via Wikimedia Commons

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