Linke Alternativen gegen „Querdenken“

Plakat: Corona, Nazis, Kapital, Regierung: Bekämpfen!

Corona-Verharmloser*innen floppten in Bremen und Düsseldorf

Das Nikolaus-Wochenende war ein Fehlschlag für die sogenannte “Querdenken”-Bewegung. Die für den 5.12. in Bremen angekündigten “Mega-Advents-Demo” mit dem “größten Lichtermeer Europas” wurde verboten. Statt der zuvor herbei phantasierten 20.000 irrten einige Hundert Verschwörungsmystiker*innen durch die Stadt. In Düsseldorf folgten am 6.12. ca. 1000 dem Aufruf von “Querdenken”, darunter 400 Nazi-Hooligans. Die Kundgebung war erlaubt, antifaschistische Proteste mit über 2000 Teilnehmer*innen übten jedoch Druck auf die Polizei aus, einen Marsch der Rechten in die Altstadt zu verhindern.

von Sebastian Rave, Bremen und Claus Ludwig, Köln

Die Bürgerweide hinter dem Bremer Hauptbahnhof war voll mit Absperrgittern, Räumpanzern, Wasserwerfen und Mannschaftswagen der Polizei. “Querdenker*innen” waren nicht zu sehen. Das Bundesverfassungsgerichte hatte noch am Samstag morgen das mit dem Infektionsgeschehen begründete Verbot ihrer Demonstration bestätigt. Danach prägte ein chaotisches Katz-und-Maus-Spiel von Querdenker*innen, Antifaschist*innen und der Polizei den Tag. Die trotz Verbot angereisten, ideologisch meist gefestigten Querdenken-Anhänger*innen wollten unbedingt noch irgendwie gegen die „Corona-Diktatur“ demonstrieren. Sie versuchten, sich in eine Gegenkundgebung zu mischen; an einer Stelle wurden sowohl Querdenker*innen als auch Antifaschist*innen von der Polizei gekesselt. Insgesamt demonstrierten wahrscheinlich um die 2000 Menschen gegen den rechten Aufmarsch.

Bemerkenswert und dem allgemeinen Chaos durchaus angemessen war der Guerilla-Protest der Antiverschwurbelten Aktion: Sie bespielten mehrere Gegenkundgebungen und eine Fake-Telegram-Gruppe für die Querdenker*innen, mit deren Hilfe es gelang, die Maskengegner*innen in den großen und fast menschenleeren Bürgerpark zu locken. Das erhöhte zumindest den Unterhaltungsfaktor des Tages.

Düsseldorf stellt sich quer

Demonstration in Düsseldorf

Die Stadt hatte zwar die Kundgebung von “Querdenken” nicht verboten, aber, nicht zuletzt unter dem Druck der linken Gegenmobilisierung, den Marsch der Corona-Verharmloser*innen und  Verschwörungsmystiker*innen am Rheinufer und in die Altstadt untersagt. Zur rechten Kundgebung kamen zwischen 800 und 1200 Teilnehmer*innen, darunter eine Gruppe von 400 faschistischen Schlägern von “Hooligans gegen Salafismus”, “Bruderschaft Deutschland” und Nazi-Kleinparteien.

Bei der Kundgebung von “Querdenken” wurde gestritten, um man mit oder ohne die Nazis demonstrieren wolle. An einer Stelle wollten diese die Polizeiketten durchbrechen, gaben aber schnell auf, als die Polizei dagegen hielt. Sie versuchten, in kleinen Gruppen in die Altstadt zu gelangen. Dies wurde durch eine massive antifaschistische Präsenz verhindert.

Das Bündnis “Düsseldorf stellt sich quer” hatte zunächst eine Auftaktkundgebung in der Altstadt organisiert. Diese wurde später an das Rheinufer verlegt, um dort möglichen rechte Aktionen einen Riegel vorzuschieben. Gleichzeitig waren mobile Gruppen von Antifaschist*innen unterwegs, um den Bewegungsspielraum der Nazi-Schläger einzuschränken. Das funktionierte gut und setzte gleichzeitig die Polizei unter Druck, die Rechten im Zaum zu halten. Bei der Abreise am Hauptbahnhof kam es zu kleineren Auseinandersetzungen. Die Polizei geleitete daraufhin die rechten Schläger in die Züge und zur Heimfahrt. 

Insgesamt nahmen über 2000 Menschen an den Gegenaktionen teil, überwiegend aus Düsseldorf, aber auch aus den Nachbarstädten. Mitglieder der SAV waren sowohl in Bremen als auch in Düsseldorf präsent. Dort gab es bei der Kundgebung starkes Interesse an politischem Material, so dass viele Exemplare der Zeitschrift sozialismus.info verkauft wurden.

Politische Alternativen

Sowohl in Bremen als auch in Düsseldorf beschränkten sich die Gegenkundgebungen nicht auf die Ablehnung von Verschwörungsmythen und  faschistischer Präsenz, sondern entwickelten eine Kritik von links an den Corona-Maßnahmen der Herrschenden. Das ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Um gegen die Rechten zu gewinnen, braucht die Bewegung eine politische Auseinandersetzung mit Regierung und etablierten Parteien.

Das Bremer Bündnis gegen Rechtspopulismus und Rassismus, in dem auch die SAV mitarbeitet, stellte im Aufruf klar, dass Kritik an den Corona-Maßnahmen der Regierung gerechtfertigt ist:

 „Krankenhäuser und Gesundheitsämter sind unterfinanziert und personell schlecht ausgestattet; Geflüchtete müssen weiterhin in überfüllten Sammelunterkünften mit unzureichendem Infektionsschutz leben; Arbeitnehmer*innen, zum Beispiel in der Logistik oder Fleischindustrie, werden nicht ausreichend geschützt. (…) Die kapitalistische Logik, nach der es nur um Profite geht statt um Bedürfnisse der Gesellschaft, führt dazu, dass Menschen in Gastronomie, Kultur- und Eventbranche, Solo-Selbstständige und prekär Beschäftigte vor dem wirtschaftlichen Aus stehen, während große Konzerne (Lufthansa, Automobilbranche usw.) mit Milliarden “gerettet” werden, um weiterhin Dividenden an ihre Aktionäre zu zahlen. Wir glauben, dass das Vermögen von Banken, Konzernen, sowie der reichsten 10% des Landes herangezogen werden muss, um die Krise zu schultern.“

Auch bei den Reden auf den Kundgebungen in Düsseldorf wurde nicht mit Kritik an den Herrschenden gespart. Ein Schüler verwies auf die Streiks von Schüler*innen in Essen, Mönchengladbach und Bremerhaven für einen Unterricht in kleineren Gruppen und schlug vor, dieses “Solinger Modell”, das durch die NRW-Bildungsministerin per Erlass verboten wurde, durch Kampf von unten durchzusetzen.

Plakat: Schutz vor Corona: Statt 100 Millionen für einen Eurofighter: Luftfilter für eine Million Schüler*innen

Kolleg*innen vom “Düsseldorfer Bündnis für mehr Personal im Krankenkenhaus “ wiesen auf die Unterfinanzierung des Gesundheitswesens hin und forderten, alle Kliniken in öffentliches Eigentum zu überführen. Auf der Kundgebung wurden Unterschriften für das Volksbegehren für mehr Pflegepersonal in Nordrhein-Westfalen gesammelt.

Kritisiert wurde auch, dass wir harte Beschränkungen im kulturellen, sozialen und sportlichen Bereich erleben, aber Produktionsbetriebe weiterlaufen und Schulen und Kitas von etablieren Politiker*innen wie Bayerns Söder vor allem als Einrichtungen gesehen werden, die den Eltern das Arbeiten ermöglichen. Eine Rednerin machte deutlich, dass Eingriffe in die Eigentumsverhältnisse und letztendlich sozialistische Maßnahmen nötig sind, um die Pandemie konsequent zu bekämpfen.

Die Querdenken-Bewegung wird zwar eindeutig von Rechten, Reichsbürger*innen und Verschwörungsmystiker*innen angeführt, mobilisiert aber weit über ihre politische Blase hinaus größere Teile vor allem verunsicherter Kleinbürger*innen, Esoteriker*innen und sogar vereinzelte, verwirrte Linke. Es reicht nicht, alle davon undifferenziert in einen Coronaleugner-Nazi-Sack zu stecken und mit moralischer Überlegenheit draufzuhauen. Vielmehr muss Querdenken politisch bekämpft werden, indem man offensiv antikapitalistische Ideen präsentiert, um die wachsenden Teile der Bevölkerung zu gewinnen, die kritisch gegenüber der Regierung, den bürgerlichen Medien, der Pharma-Industrie oder den reichen Eliten sind, aber noch nicht den Verschwörungsmystiker*innen hinterher laufen. 

Kein Freund und Helfer

Starke Polizeipräsenz auf der Bremer Bürgerweide
Starke Polizeipräsenz auf der Bremer Bürgerweide

So martialisch die Polizei aufgefahren hatte: In der Bremer Innenstadt konnten sich am Abend dann doch noch Querdenker*innen-Demonstrationen formieren und maskenlos Parolen von „Widerstand“ skandieren oder die Nationalhymne singen. In mehreren Fällen wurden diese Kundgebungen erst nach lautstarkem antifaschistischen Protest von der Polizei aufgelöst. Selten können sich Linke an einem funktionierenden Polizeikessel mit Dutzenden festgenommenen Rechten erfreuen – aber auch diese Freude ist trügerisch. An andere Stelle wurden Antifaschist*innen von der Polizei weggeprügelt. Mit dem Verbot wurde ein Präzedenzfall geschaffen, der auch gegen linke Proteste genutzt werden kann. 

In Düsseldorf agierte die Polizei gegenüber den linken Demonstrierenden weitgehend entspannt und konzentrierte sich auf die Hooligans. Aber auch dort hatte sie massiv aufgefahren, der Hubschrauber kreiste die längste Zeit über der linken Kundgebung. Von vergangenen Protesten wissen wir, dass die Polizei in erster Linie gegen Antifaschist*innen und linke Proteste agiert. Am selben Tag der ging die Polizei im Dannenröder Forst bei Schnee mit Wasserwerfern gegen die Menschen vor, die den Wald gegen das wahnwitzige Autobahn-Projekt verteidigen.

Es ist leicht, nach größerer polizeilicher Härte zu rufen, und schwer, eine Auseinandersetzung argumentativ zu gewinnen, wenn der Gegner dermaßen vernunftbefreit ist. Wenn wir das Märchen der rechten Corona-Verharmloser*innen entzaubern wollen, dass jeder Protest gegen sie das gleiche ist wie Zustimmung zu Merkel und ihrem „Regime“, müssen wir uns diese Mühe aber machen. Der Kampf gegen die verschwurbelten Verharmloser*innen der Pandemie muss den Kampf gegen die verantwortungslose Regierungspolitik und das rücksichtslose Kapital mit einschließen.