Konflikt im Kaukasus eskaliert

Erdoğan startet die nächste Attacke

Der vor 25 Jahren eingefrorene Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um das umstrittene Gebiet Nordkarabach ist mit neuer Kraft entflammt. Flugzeuge, Hubschrauber, Panzer, Marschflugkörper, Artillerie und Drohnen kamen in der Nacht zum 27.09 zum Einsatz. Das erste Mal seit 1994 wurde die Hauptstadt des nicht anerkannten Landes, Stepanakert, massiv beschossen. Aserbaidschan, Armenien und Bergkarabach verhängen das Kriegsrecht und ordneten die Mobilmachung an. Armenische und Azeri-Gemeinden in Russland und andere Länder entsenden Freiwillige ins Kriegsgebiet. Die Informationen über die Verluste sind sehr widersprüchlich: die beiden Konfliktparteien sprechen über Hunderte gefallene feindliche Soldaten, Dutzende Zivilist*innen und mehrere gesprengte Panzer, Drohnen und LKWs.

Von Dima Yanski und Sozialistitscheskaja Alternativa – ISA in Russland

Obwohl es bereits mehrfach Artilleriebeschuss gab, sind das die stärksten militärischen Spannungen zwischen beiden Ländern seit 1994. Der Konflikt internationalisierte sich schnell – gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Azeri und Armenier*innen fanden im Juli in London, Los Angeles und Moskau statt.

Die Regierung von Aserbaidschan sagt offen, dass ihr Ziel ist, die Kontrolle über die Region Bergkarabach zurück zu erlangen, die sie 1994 nach dem blutigen ethnischen Konflikt verloren hatten. In diesem Krieg, einer Folge des Zerfalls der Sowjetunion, wurden fast 30 000 Menschen Opfer von Kriegshandlungen und Vertreibungen. Verlierer Aserbaidschan verlor die Kontrolle über Bergkarabach und noch sieben weitere Gebiete. Hunderttausende Azeris mussten fliehen und viele leiden heute noch unter den Folgen der Vertreibung. Deswegen nennt die aserbaidschanische Regierung den Krieg den „vaterländischen Krieg“.

Die durch die Corona-Pandemie provozierte globale Wirtschaftskrise kann auch andere schlafende Konflikte aufwecken. Die bürgerlichen Regierungen werden nationalistische und revanchistische Stimmungen in ihrem Interesse nutzen.

Russland verkaufte Waffen an die beiden Konfliktparteien. Die Beziehung zum Westen ist nach dem Fall Nawalny und Massenprotesten in Belarus sehr angespannt. Das Blutbad in Bergkarabach kann die Aufmerksamkeit von den jüngsten Skandalen ablenken und Putins Regime neue Möglichkeiten eröffnen. Der Kreml kann den Konflikt zur Festigung seiner Rolle als imperialistischer Schiedsrichter nutzen und seine Kontrolle über Armenien verstärken, die nach der letzten Revolution vor zwei Jahren geschwächt worden war.

Andererseits hat Ankara Aserbaidschan volle Unterstützung zugesagt. Erdogan möchte den neuen Krieg – wie die Militäroffensiven in Nordsyrien und die Einmischung in Libyen – zur Stärkung eigener politischen Positionen nutzen. Auch international hofft die türkische Regierung, dadurch ihr Position zu stärken. Der Konflikt internationalisiert sich schnell, es gibt bereits Informationen über die Rekrutierung syrischer Armenier*innen und Jihadisten für die Teilnahme am Krieg. Es besteht die Gefahr eines großen regionalen Krieges.

Dieser Krieg bringt weder den einfachen Armenier*innen noch den Aserbaidschaner*innen einen höheren Lebensstandard. All die territorialen „Gewinne“ der herrschenden Klassen werden jedoch mit ihrem Blut bezahlt.

  • Als Sozialist*innen fordern wir einen sofortigen Stopp aller Kriegshandlungen. Weder Krieg noch Kapitalismus werden die nationalen Spaltungen und Auseinandersetzungen lösen. Die richtige Lösung liegt in revolutionären sozialen Veränderungen.
  • Wir treten für die Aufbau einer breiten Antikriegsbewegung in der Region ein, gegen Krieg, Armut und Diktatur.
  • Für die Garantie der politischen und sozialen Rechte aller Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen, auch für das Recht auf Rückkehr.
  • Für das Selbstbestimmungsrecht aller Regionen.
  • Für Arbeiterregierungen in der Region, die die langjährige Feindschaft zwischen Armenier*innen und Azeri beenden und einen nachhaltigen Frieden auf der Basis demokratischer Kontrolle über und Planung der Wirtschaft aufbauen könnten.

Bild: Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0