Zum Tod von Stephen Hawking

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Wissenschaftler und Kapitalismuskritiker

Der britische Astrophysiker Stephen Hawking ist im Alter von 76 Jahren gestorben. Er litt fünfzig Jahre an der Nervenkrankheit ALS und war einer der bedeutendsten Wissenschaftler unserer Zeit. Anlässlich seines Todes veröffentlichen wir einen Artikel aus dem Jahr 2015, der auf seine kapitalismuskritischen Positionen eingeht.

Stephen Hawking: Der Kapitalismus bedroht uns

Interessante Antwort auf die Frage nach der Wirkung des technologischen Fortschritts

Während eines Online-Chats wurde der bekannte Naturwissenschaftler und Astrophysiker Stephen Hawking nach seiner Meinung zur stetig voranschreitenden Automatisierung der Arbeitswelt und der daraus resultierenden Arbeitslosigkeit gefragt. Seine Antwort fiel bemerkenswert und überaus interessant aus.

von Mathias (LSP/PSL; Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Belgien), Antwerpen

Hawking zufolge sollte jeder Mensch ein komfortables und luxuriöses Leben führen können, wenn der von Maschinen produzierte Reichtum auf alle verteilt wird. Weil aber die Eigentümer dieser Maschinen sich einer solchen Umverteilung widersetzen, kommt es zur enormen Zunahme von Ungleichheit und Elend. Hawking merkte an, dass der Trend zur Zeit eher in die letztgenannte Richtung geht.

Die Frage sei daher, ob die Technologie im Sinne der Gemeinschaft genutzt wird, um das Leben der Mehrheit der Bevölkerung angenehmer zu gestalten oder ob die Technologisierung zum Gegenteil und zu mehr Elend und Erwerbslosigkeit führt. Der immer stärker werdende Einsatz von Robotern, Computern und 3D-Druckern kann weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt haben. Eine Studie der Universität von Oxford kam zu dem Ergebnis, dass innerhalb von zehn bis 20 Jahren in den USA bis zu 47 Prozent der bestehenden Arbeitsverhältnisse aufgelöst werden könnten. Vor allem der Einsatz bezüglich riesiger Datenmengen („Big Data“) soll dabei eine Rolle spielen.

Die Forschungsabteilung des Bankhauses ING kam für Belgien auf dieselbe Konstellation. Demnach sollen von den bestehenden 4,5 Millionen Arbeitsplätzen, die es in Belgien gibt, bis zu 2,2 Millionen in Zukunft automatisiert werden können. Hinzu kommt, dass es dabei nicht mehr nur um gering qualifizierte Arbeitskräfte und arbeitsintensive Tätigkeiten geht, die in Gefahr sind. Mittelfristig könnten 98 Prozent der BuchhalterInnen, 96 Prozent der BilanzbuchhalterInnen, 93 Prozent der FinanzbeamtInnen, 69 Prozent der LabortechnikerInnen, 66 Prozent der VersicherungsmaklerInnen überflüssig werden. Die Anzahl an Arbeitsplätzen soll demzufolge auf spektakuläre Weise zurückgehen.

Die unheilvollen Folgen einer derartigen Vernichtung von Arbeitsplätzen würden dafür sorgen, dass auch in der Vergangenheit bereits nach möglichen Lösungen gesucht worden ist. Keynes sah in seinem Werk „Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel“ aus dem Jahr 1930 schon 100 Jahre in die Zukunft und befasste sich mit den Möglichkeiten, die der wissenschaftliche und technische Fortschritt mit sich bringen könnte. Ihm zufolge wäre der Kapitalismus in der Lage, die auf der Technologisierung basierende Erwerbslosigkeit durch Arbeitszeitverkürzung auf bis zu 15 Stunden die Woche aufzufangen. In der Phase nach dem Zweiten Weltkrieg konnten wir in der Tat sehen, dass die durchschnittliche Arbeitswoche immer kürzer wurde. Doch seit dem Aufkommen des Neoliberalismus stagnierte dieser Trend und wurde wieder umgekehrt. Was es gegeben hat, ist eine Zunahme unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung, bei der Beschäftigte für ihre verringerte Arbeitszeit selbst bezahlen. Eine Umverteilung der zu verrichtenden Arbeit bei vollem Lohnausgleich kommt folglich nicht von alleine zustande.

Diese Feststellung bringt uns zurück zu Hawking. Wir sind mit ihm einer Meinung, dass technologischer Fortschritt das Leben der Mehrheit der Bevölkerung spürbar verbessern und erleichtern kann. Nicht der technologische Fortschritt sondern der Kapitalismus sind für uns eine Bedrohung. Ob die technologische Entwicklung im Vor- oder zum Nachteil der Bevölkerungsmehrheit genutzt wird, hängt davon ab, wie sich der Klassenkampf entwickelt. Die belgische Arbeiterbewegung hat in ihrem Kampf gegen die rechts-konservative Regierung gezeigt, dass sie noch am Leben und kampfbereit und in der Lage ist, die Gesellschaft von Grund auf zu verändern.