Kapitalismus am Rande des Abgrunds

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Resolution des Internationalen Vorstands des CWI

Im Januar diesen Jahres hat unser Weltkongress ein ausführliches Dokument zum Thema Weltperspektiven beschlossen. Von daher ist es nicht möglich oder gar nötig, ein neues umfassendes Dokument anzufertigen, in dem all das erneut behandelt wird. Bei diesem Text handelt es sich folglich um die Zusammenfassung der wichtigen Ereignisse, die seither stattgefunden haben sowie um die Schlussfolgerungen, die sich für das CWI und die Arbeiterbewegung weltweit in Vorbereitung auf künftige – auch auf unmittelbar bevorstehende – Entwicklungen ableiten lassen.

Im Vergleich zu dem Zeitpunkt des Weltkongresses hat sich die Krise des weltweiten Kapitalismus weiter verschärft. Was die Aussichten für ihr System angeht, sind die bürgerlichen Strategen noch stärker von bösen Vorahnungen geplagt. Ein beständiges Thema ist dabei die mangelnde Legitimation des Kapitalismus: Auf ökonomischer Ebene, in puncto weltweite Beziehungen, was die Umwelt und den Klimawandel angeht und hinsichtlich des gesellschaftlichen und politischen Ausdrucks von alldem. Über allem schwebt – wenn auch weithin unausgesprochen – die reale Angst davor, dass das offensichtliche Scheitern des Kapitalismus einem Tanz am Rand des Abgrunds gleicht. Das ist die bürgerlicheFormulierung für Massenaufstände und gar für revolutionären Wandel.

Naher Osten

Dies gilt ganz ungeachtet der reaktionären Merkmale, die wir aus der unlösbar scheinenden Krise in Syrien und dem Nahen Osten kennen. Hier müssen wir miterleben, wie es zu einem tief verwurzelten religiösen Sektierertum kommt, zum Mord an unschuldigen Menschen auf beiden Seiten. Wir erleben eine massenhafte Fluchtwelle aus der Region, weil die Menschen Sicherheit und ein besseres Leben wollen. Das Mittelmeer ist in der Folge zum Massengrab für Zehntausende geworden. Und selbst, wenn die Menschen es ins „sichere“ Europa schaffen, so treffen sie dort auf immer neue Zäune, Mauern und auf Stacheldraht. Das Gerede von der „Freizügigkeit für Menschen“ – eine angebliche Errungenschaft der EU – wird zur Farce.

Der Krieg und die Folgen, die er für die Nachbarländer hat, birgt Elemente, die wir – wenn auch in größerem Ausmaß – aus dem Ersten Weltkrieg kennen. Der Syrien-Krieg dauert nun schon beinahe sechs Jahre an, und es ist kein Ende in Sicht. Zusammen mit ihren „Verbündeten“ vor Ort sind die „Großmächte“ dieser Welt beteiligt (vor allem Russland und die USA). Aber weder sie noch die blutrünstigen Dschihadisten mit ihren Methoden, die denen des Faschismus ähneln, bieten langfristig eine Lösung. Nur die Arbeiterklasse und der Wiederaufbau der Arbeiterbewegung in der Region kann in Zusammenarbeit mit der internationalen Arbeiterbewegung einen Ausweg aus diesem blutigen Morast bieten – durch Klassen-Einheit und sozialistischen Wandel.

Veränderung der Kräfteverhältnisse

Das Unvermögen dieser Großmächte, eine Lösung zu erzwingen, steht an sich schon für den erstaunlichen und raschen Wandel der weltweiten Beziehungen. Dies gilt vor allem für den relativen Niedergang des US-Imperialismus. Die Philosophie vom „Ende der Geschichte“, die im Anschluss an den Zusammenbruch des Stalinismus zum dominierenden Mantra wurde, ist schon längst diskreditiert. Auch der Irak-Krieg, als der US-Imperialismus die Doktrin der „unipolaren Welt“ erfand und diese mit der damit einhergehenden Militärdoktrin von der „Überlegenheit auf allen Ebenen“ zu bekräftigen suchte, ist erst dreizehn Jahre her. Damals war man davon ausgegangen, dass die Welt dazu gezwungen werden könne, nach der unilateralen militärischen und politischen Pfeife des US-Imperialismus zu tanzen.

Allerdings führte dies dazu, dass der Weg stattdessen in Richtung einer multi-polaren Doktrin eingeschlagen wurde. Und die USA sahen sich gezwungen, mit Russland und China zusammenzuarbeiten. Die USA waren gezwungen anzuerkennen, dass Russland trotz ökonomischer Schwäche militärischen Einfluss bis in den Nahen Osten nehmen und sich auf seine Öleinnahmen und -reserven stützen konnte. Ähnliches galt für China, das aufgrund seiner ökonomischen Stärke weiterhin im Begriff war zu wachsen. Hinzu kam ein zunehmendes militärisches Engagement vor allem – aber nicht ausschließlich – auf dem asiatischen Kontinent.

Obwohl sie miteinander in Konkurrenz stehende „Stellvertreter“ unterstützen, sind die USA und Russland gezwungen, im vielschichtigen Syrien-Konflikt zu kooperieren, wenn es um den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) geht. Gleichzeitig sind sie genötigt, sich wie Kriminelle, die aneinander gekettet sind, gegenseitig Schläge zu versetzen. Aufgrund der zugespitzten Spannungen sind zwischen Russland und den USA auch kleinere militärische Zusammenstöße nicht völlig auszuschließen.

Stellvertreterkriege

In anderen Regionen kommt es bereits zum Aufeinanderprallen beider Mächte. So in der Ukraine und nun auch in den baltischen Staaten, wo die USA zurecht als das Land wahrgenommen werden, das Russland durch die Erweiterung der NATO erneut einkreisen will. Allerdings haben wir es hierbei nicht mit einem neu auflebenden „Kalten Krieg“ zu tun, bei dem es sich um einen Konflikt zwischen zwei verschiedenen und antagonistischen Gesellschaftssystemen handelt. Schließlich war das eine eine bürokratisch dominierte Planwirtschaft mit Staatseigentum und das andere einfach nur Kapitalismus.

Heute besteht der Konflikt zwischen zwei kapitalistischen und imperialistischen Staaten, die ihre Macht und Einnahmen vergrößern, ihr Prestige mehren aber auch ihre militärische und strategische Stellung verbessern wollen. Dies wird jedoch nicht zu einem neuen Weltkrieg führen, wie selbst einige bürgerliche Kommentatoren bereits angedeutet haben. Konventionelle Zusammenstöße zwischen den Nuklear-Mächten auf militärischer Ebene, von denen manche auch schwerwiegend sein können, sind hingegen nicht auszuschließen. Die USA werden zweifelsfrei versuchen, den Einfluss Russlands weiter zu unterminieren und zu limitieren. Dasselbe wird mit China und hinsichtlich der Beziehung zu Asien aber auch andernorts geschehen. Geschehen wird dies aber wahrscheinlich in wesentlich „eingedämmterer“ Weise als es während der Kalten Kriegs der Fall war. Es wird zu Formen von ökonomischen und anderen Sanktionen kommen. Solche sind nach dem Krieg in der Ukraine und der Eingliederung der Krim gegen Russland angewendet worden.

Südchinesisches Meer

Die „Schieflage“ im Pazifischen Raum, durch Obama befördert, folgt demselben Ziel: Es geht um eine weitere Stärkung der ökonomischen Macht und des militärischen Einflusses des US-Imperialismus auf Kosten von China in der Region. Aber die USA werden sich nicht einfach in allen Fragen durchsetzen können. In einem Konflikt mit China erscheinen sie schwächer als zuvor. Das liegt vor allen Dingen daran, dass Obama nicht in der Lage gewesen ist, die erhoffte große Unterstützung für seine „Trans-Pazifische Partnerschaft“ (TPP) in der Region zu bekommen. Was dieses Handelsabkommen angeht, ist er darüber hinaus auch im Zuge des US-amerikanischen Präsidentschaftswahlkampfs mehr und mehr auf Widerstand gestoßen. Selbiges gilt hinsichtlich von TTIP mit Europa. US-amerikanische ArbeiterInnen fürchten den weiteren Verlust von Arbeitsplätzen in den USA, wenn diese Abkommen in Kraft treten sollten.

In Asien hat sich sogar ein bis dato loyaler Verbündeter der USA, die Philippinen, von der Weltmacht distanziert. Duterte, der blutrünstige Präsident, der sich selbst schon mit Hitler verglichen hat, hat damit gedroht, seinerseits für eine „Schieflage“ mit China sorgen zu wollen.

Das ist zweifellos ein Versuch von Duterte, zwischen Amerika und China hin und her zu manövrieren, um den Philippinen und sich selbst einen Vorteil zu verschaffen. Allerdings steht dieses Verhalten auch für die veränderten Beziehungen zwischen den USA und China in der Region. Bei den USA handelt es sich weiterhin um die absolut dominierende Militärmacht. Doch China holt in rasantem Tempo auf. Darüber hinaus ist es im Südchinesischen Meer bereits zu einigen Zwischenfällen gekommen. Dreißig Prozent des Welthandels gehen über dieses Seegebiet. Und es ist wahrscheinlich, dass derlei Zwischenfälle noch zunehmen werden, da der Wettkampf um Macht und Dominanz in der Region härter wird.

Wir sind augenblicklich mit einer unruhigen „Drei-Mächte“-Dominanz über die Welt konfrontiert, bei der die USA, China und Russland gleichermaßen versuchen, das Ruder an sich zu reißen. Die USA bleiben aufgrund ihrer immer noch überragenden wirtschaftlichen und militärischen Macht am Steuer. Auf Grundlage der derzeitigen Trends könnte China aber möglicherweise zur dominierenden Weltmacht werden. Das hängt umgekehrt aber davon ab, wie sich China selbst kurz- und mittelfristig auf ökonomischer, gesellschaftlicher und politischer Ebene weiterentwickeln wird.

China

„Wird China alt sein, bevor es reich wird?“. Angesichts der demographischen Daten des Landes ist das eine durchaus berechtigte Frage. Schließlich hat die gerade erst beendete „Ein-Kind“-Politik das Bevölkerungswachstum in der Vergangenheit aufgehalten. Was die Wirtschaftsdaten angeht, wird China die USA überholen. Das ist schon häufig festgestellt worden. Wenn man sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung eines Landes ansehen will, geht es aber nicht allein um das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dann muss auch die Produktivität und die Kaufkraft mit in Betracht gezogen werden. Was das angeht, hinkt China – obwohl es im Bereich der „Mittelschicht“ ein bedeutendes Wachstum zu verzeichnen gibt – weit hinter den USA hinterher. Ähnliches gilt für viele weitere der stärker „entwickelten“ Länder der neokolonialen Welt.

Wie der Aufstand von Wukan gezeigt hat, geht es nicht zuletzt um die Unabwendbarkeit von Massenaufständen, zu denen es sehr schnell kommen kann – auch in der nächsten Zeit. Das Wachstum hat sich verlangsamt und der Handel mit dem Rest der Welt ist merklich geschrumpft. Die meisten sachkundigen bürgerlichen Kommentatoren sind nachträglich zur selben Schlussfolgerung gekommen wie wir. Sie beschreiben China nun als „staatskapitalistisch“. Trotz der vielen Resolutionen und Erklärungen des Regimes in Peking, man würde sich „in Richtung Marktwirtschaft bewegen“, ist der „Abbau des Staatssektors“ nicht zur Gänze durchgeführt worden. Das bedeutet, dass der Staat weiter in der Lage war, direkt und in einer Weise einzugreifen, die im Kapitalismus des „freien Marktes“, wie er in den USA oder Europa vorzufinden ist, nicht zur Verfügung steht.

Vor allem nach der Weltwirtschaftskrise von 2007 und 2008 hat dies dazu geführt, dass das chinesische Regime Kredite in monumentalem Ausmaß ins System pumpen konnte. Das hat zu einem Schulden-BIP-Verhältnis von 270 Prozent geführt, was unter einem „rein“ kapitalistischen Regime im Westen bereits zu einem umfassenden Kollaps á la Griechenland geführt hätte. In der Vergangenheit galt, dass ein Dollar Kredit zu Wachstum im Wert von einem Dollar geführt hat. Heute braucht es sechs Dollar Kredit, um denselben Effekt und Wachstum im Wert von einem Dollar zu generieren!

Dies hat es China scheinbar ermöglicht, sich den ökonomischen Gesetzen der Schwerkraft zu widersetzen und weiter zu wachsen – wenn auch (im Vergleich zu den übertriebenen Zahlen der Vergangenheit) auf viel kleinerer Flamme. Im Umkehrschluss hat das dazu geführt, dass einige der Länder in der neokolonialen Welt vom Rohstoff-Boom profitieren konnten, der sich wegen des Wachstums der chinesischen Industrie fortsetzte. Vor allem Europa und Amerika aber auch der Rest der Welt litten indes weiter unter den Folgen der Krise von 2007 und 2008.

Das gehört nun jedoch der Vergangenheit an. Abgesehen von den Unruhen und revolutionären Ereignissen, zu denen es in China kommen wird, hat die stagnierende Weltwirtschaft bereits verheerende Folgen für die neokoloniale Welt gehabt (und wird diese weiterhin haben). Bei der angeblich neu aufkommenden „Stabilität“ der neokolonialen Welt hat es sich um ein Hirngespinst gehandelt, das von der anhaltenden Armut und dem beständigen Elend der Massen Lügen gestraft wurde. Doch selbst diese Schimäre wird durch die Rohheit des Kapitalismus wieder beiseite gewischt, wenn es zu einer erneuten Krise kommt.

Afrika

In Afrika ist es bereits zu Massenprotesten gekommen. Durch die dortigen revolutionären Ereignisse und einen erfolgreichen Generalstreik ist dem Regime unter Kabila im Kongo die „gelbe Karte“ gezeigt worden. Die Forderung lautete, dass er nach einer schon zwei Jahre anhaltenden Krise, die das Land in Atem hält, den Hut nehmen soll. Der Öllieferant Nigeria, das mit fast 200 Millionen EinwohnerInnen bevölkerungsreichste Land des Kontinents, ist infolge des Preisverfalls beim Öl und des andauernden Schwunds bei den Finanzeinnahmen des Staates in eine schwere Krise geraten. Präsident Buhari selbst hat das Tempo, in dem die Krise voranschreitet, noch angeheizt, als er traurig erklärte: „Plötzlich scheint Nigeria ein armes Land zu sein“.

Er hätte nicht nur die Perspektiven, wie sie auf Grundlage des Kapitalismus und infolge der Dominanz des Imperialismus für Nigeria gelten, sondern die des gesamten Kontinents beklagen können. Die Bevölkerung Nigerias hat sich in dreißig Jahren verdoppelt. Das ist die Aussicht für den gesamten Kontinent bis ins Jahr 2050. Bis dahin wird die Gesamtbevölkerung Afrikas voraussichtlich auf 2,5 Milliarden Menschen anwachsen. Die Hälfte der Bevölkerung wird in den Städten leben und in erster Linie aus jungen Menschen bestehen. Das wird den Druck enorm steigen lassen und zum gesellschaftlichen Kollaps führen, wenn nicht neue Arbeitsplätze geschaffen werden und die Infrastruktur ausgebaut wird, was in großem Maße angesichts der neuen Phase der kapitalistischen Krise unwahrscheinlich ist.

Wir müssen uns daran erinnern, dass die nordafrikanische Revolution, der sogenannte „Arabische Frühling“, durch das angestoßen worden ist, was von SoziologInnen als „Jugend-Überhang“ bezeichnet wird. Es geht dabei um Bevölkerungen mit einem hohen Anteil an jungen Menschen bei gleichzeitig hoher Erwerbslosigkeit. Diese beiden Faktoren – zumal in diesem Ausmaß – befinden sich außerhalb des Bereichs, innerhalb dessen der Kapitalismus Lösungen anbieten könnte. Das ist das Rezept für Massenaufstände und Revolutionen. Die ersten Anzeichen davon sind bereits in einer ganzen Reihe von Ländern präsent, in denen wir versuchen müssen, unseren Einfluss zu verstärken. Dabei ist das Versagen der Gewerkschaftsspitzen in Nigeria, den Generalstreik vom letzten Mai zum Erfolg zu führen, aber auch dass es im Land immer mehr zu ethnischen und religiösen Konflikten und Aufständen kommt eine Warnung. Es ist eine Warnung vor dem, was passieren kann, wenn die Arbeiterbewegung keinen Weg anbietet. Das CWI muss sich in Stellung bringen, um auf dem Kontinent eingreifen zu können. Schließlich besteht die wichtigste Phase bevor, die der afrikanische Kontinent je erlebt hat.

In Nigeria und Südafrika, den beiden wichtigsten Ländern südlich der Sahara, konnten wir bereits größere Erfolge verzeichnen. Es handelt sich hierbei um die industriell momentan am weitesten entwickelten Länder, in denen die Arbeiterklasse auf eine lange revolutionäre Tradition zurückblicken kann.

Zeitbombe Jugendarbeitslosigkeit

Nigeria zeigt bereits, wie die Zukunft des afrikanischen Kontinents insgesamt aussehen mag: Dort herrscht eine Jugendarbeitslosigkeit von fünfzig Prozent. Die jungen Leute sind dazu verdammt, die Zeit totzuschlagen, sie befinden sich in Teilzeitarbeit oder stecken in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Schätzungen gehen davon aus, dass der afrikanische Kontinent bis zum Jahr 2034 den im Weltmaßstab größten Anteil an Alters-Beschäftigten haben wird! Die Frage, die sich daraus ergibt, lautet: Wie viele von diesen Menschen werden sich dann noch in unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen wiederfinden?

Wegen der Präsenz einer starken CWI-Sektion in Nigeria können wir bei den Erhebungen der Massen, die noch folgen können, eine entscheidende Rolle spielen. Das gilt aber nicht nur für Nigeria. Südlich der Sahara gibt es in Afrika kein einziges Regime, das stabil ist.

Auch in Äthiopien ist es zu Massenrevolten gegen eine Regierung gekommen, die sich auf eine Bevölkerungsminderheit, die Tigray, stützt, die nur sechs Prozent der Bevölkerung stellen. Bei den Protesten sind 500 Menschen umgebracht worden. Das Regime hat auch schon sein „Tiananmen“-Erlebnis hinter sich, wodurch die Ressentiments unter der Bevölkerungsmehrheit nur weiter angeheizt und der Widerstand gegen das Regime verstärkt worden sind. Es scheint, als würde die derzeit herrschende Gruppierung in Äthiopien dem Modell Chinas nacheifern. Dies hat zu einem spektakulären durchschnittlichen Jahreswachstum von neun Prozent seit 2000 geführt, was laut IWF das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen vervierfacht hat. Befeuert wurde dies durch Auslandsinvestitionen aus China, der Türkei und den USA. Doch im Zuge dieses Prozesses baute sich eine Arbeiterklasse auf, die bei den noch bevorstehenden revolutionären Erhebungen eine entscheidende Rolle spielen kann.

Entwicklungen in Südafrika

Als am stärksten industrialisiertes Land des Kontinents kommt Südafrika für uns wie auch für ganz Afrika – und vor allem für die Arbeiterklasse – eine zentrale Bedeutung zu. Der erste Sieg des ANC und die anfängliche Entwicklung unabhängiger Organisationen der Arbeiterklasse, von Gewerkschaften, markierten einen großen Schritt nach vorne. Das war positiv und hielt für die Massen in Südafrika die Möglichkeit bereit, dem verhassten Apartheid-Kapitalismus durch den Aufbau des Sozialismus zu entkommen. Der Gewerkschaftsbund COSATU, bei dem es sich anfangs um einen Kristallisationspunkt gehandelt hat und der die Bewegung vereinte, ist nun nach rechts gegangen und hat sich gespalten. Die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA bietet derzeit die beste Möglichkeit, um eine unabhängige Arbeiterbewegung aufzubauen.

Die Führung des ANC hat schon damit begonnen, sich nach rechts zu bewegen, als Mandela noch im Gefängnis saß, und alles Mögliche unternommen, um die großartigen revolutionären Bewegungen der südafrikanischen Revolution vor die Wand fahren zu lassen. Das ANC-Regime unter Zuma steht für die Degeneration des ANC. Alles kulminiert in der beinahe schon organisch vorhandenen Korruption, die sich auch in den obszönen Palästen ausdrückt, die die noch obszönere Armut der Massen aus der Arbeiterklasse und der jungen Leute verhöhnen.

Bei den diesjährigen Kommunalwahlen ist der Stimmanteil des ANC auf den niedrigsten Stand in der Geschichte zurückgegangen. Die Rufe nach einem Rücktritt Zumas sind noch lauter geworden. Weil die Lebenshaltungskosten steigen, wird die Regierung durch die ArbeiterInnen und ihre Streiks sowie durch Studierende, die erfolgreiche Kämpfe gegen Studiengebühren wie auch das ungerechte Bildungssystem vom Zaun gebrochen haben, von links eingekreist. Durch den Wahlerfolg in Johannesburg und Kapstadt der Partei „Democratic Alliance“, die auf das Apartheid-Regime zurückgeht, wird die Regierung aber auch von rechts herausgefordert.

Die Partei „Economic Freedom Fighters“ (EFF) unter der Führung des ehemaligen Vorsitzenden der ANC-Jugendorganisation Malema steht auf wirre Art und Weise ebenfalls für eine links ausgerichtete Bewegung. Ihr Erfolg ist zumindest teilweise auf die Ablehnung der GewerkschaftsführerInnen (vor allem der NUMSA) zurückzuführen, sich offen auf den Weg in Richtung einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnen zu machen, wofür sich die WASP (Workers’ and Socialist Party, Sektion des CWI) permanent einsetzt. Wenn eine solche Partei einmal gegründet ist, dann kann sie viel des Raumes einnehmen, den die EFF aktuell noch für sich beanspruchen. Angesichts der mächtigen Zusammenstöße, zu denen es zwischen den gesellschaftlichen Klassen Südafrikas noch kommen wird, ist diese Perspektive so gut wie sicher.

Südasien

Auch in Asien haben wir es mit einer ähnlich unruhigen Phase zu tun, die von Aufständen und Konflikten gekennzeichnet ist. Die jüngsten Zusammenstöße zwischen Indien, einem Giganten Asiens, und Pakistan haben die Möglichkeit oder zumindest die Gefahr eines Krieges zwischen den beiden Ländern mit sich gebracht. Stein des Anstoßes sind die Gebietsansprüche in Kaschmir. Die Aussicht, dass es zwischen beiden Atommächten zu Zusammenstößen kommen kann, ist immer ernst zunehmen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies zu einem offen ausgetragenen Krieg führt oder auch nur zu einem überschaubaren Frontalzusammenstoß.

Mit einem Auge in Richtung USA und den eigenen jüngsten Erfahrungen, was den Terrorismus angeht, hat der indische Premierminister Modi vor kurzem Pakistan als „Mutter des Terrorismus“ angegriffen. Er hofft damit, sich auf Kosten von Pakistan Unterstützung und materielle Vorteile verschaffen zu können. Wenn man weiß, dass Pakistan (und vor allem die pakistanische Armee) die Taliban anfangs begünstigt, verhätschelt und in Afghanistan gegen Russland eingesetzt hat, dann ist durchaus etwas Wahres an dieser Darstellung. Selbst nach dem Rückzug der Russen, als die Taliban und Al Kaida sich gegen ihre alten Gönner, die USA, die pakistanische Armee und vor allem dessen Geheimdienst ISI richteten, wurden trotz dementierender Töne keine Maßnahmen gegen sie eingeleitet.

In Wirklichkeit waren die Taliban mit ihrer Basis in Afghanistan als Puffer gegen ein viel stärkeres Indien nützlich und nötig. Das pakistanische Regime war zudem nicht abgeneigt, gelegentlich fanatische Terroristen aus dem eigenen Land vom Haken springen zu lassen, damit diese Anschläge in Indien durchführen konnten. Nachdem es zu blutigen und bösartigen Angriffen auf Armee-Schulen in Peshawar gekommen ist, ist die Armee nun jedoch dazu übergegangen, Teile der Taliban aufzureiben. Dies bedeutet in Verbindung mit einer gewissen, begrenzt bleibenden und durch China finanzierten Industrialisierung in einigen Teilen von Pakistan, dass die Taliban und ihr Zwillinge IS an der kurzen Leine gehalten werden und von der Armee zerrieben werden, sollten sie aus der Reihe tanzen. Erneut bleibt für eine echte Arbeiterbewegung oder -partei kein Platz.

Die Massen in Indien geraten in Bewegung

In Indien selbst ist das wirtschaftliche Feuerwerk, dass mit dem Amtsantritt der Regierung unter Modi versprochen worden ist, wie wir vorausgesagt haben ausgeblieben. Im Gegenteil haben sich die ökonomischen Bedingungen der Massen nicht verbessert. Sie sind eher stagniert und haben sich in einigen Bereichen erheblich verschlechtert. Dies wie auch die Angriffe auf das Arbeitsrecht haben den gerade erst durchgeführten und 180 Millionen TeilnehmerInnen starken Generalstreik provoziert. Diese Aktion ist ein Beleg für die potentiell enorme Macht, die die indische Arbeiterklasse immer noch besitzt, die durch das Agieren der GewerkschaftsführerInnen aber gedämpft und gelähmt worden ist. Letztere haben nur wenig bis gar nichts dafür getan, um für einen Erfolg dieses Streiks zu sorgen. Das war er auch ohne ihr Zutun. Schlimmer aber scheint zu sein, dass die Gewerkschaftsspitzen auch nichts unternommen haben, um die Arbeiterklasse und über diese auch die verarmten Massen in Indien auf weitere Aktionen gegen den maroden indischen Kapitalismus, auf den sich Modi und seine Regierung gründen, vorzubereiten.

Eine neue rebellische Stimmung, vor allem unter den jungen Leuten und unter den Dalit (unterste Kaste; Anm. d. Übers.), hat es dem CWI ermöglicht, mit dem Ausbau eines Rahmens für eine effektive landesweit agierende Organisation zu beginnen, die – wenn sie erfolgreich ist – wie ein Magnet für die besten und ernsthaftesten KämpferInnen auf dem gesamten Subkontinent fungieren wird. Zugute kommt uns dabei die Arbeit des CWI in der neuen Phase, die sich in Sri Lanka entwickelt.

Malaysia

In Malaysia sieht sich die Regierung von Premierminister Najib einer immer stärker werdenden Opposition gegenüber, da die Empörung anlässlich seiner eigenen Korruption und des Systems insgesamt wächst. Sogar der alte Premier Mahathir Mohamad, der mittlerweile 92 Jahre alt ist und in der Vergangenheit als Grundfeste der regierenden UMNO galt (die das Land seit der Unabhängigkeit von Großbritannien regiert hat), hat sich gegen Najib ausgesprochen. Er hat sogar eine neue Oppositionspartei namens „Bersatu“ gegründet und seinen alten Premierminister Anwar Ibrahim dazugeholt, den er zuvor einmal aufgrund von konstruierten Anschuldigungen wegen „sexueller Unsittlichkeit“ ins Gefängnis hatte bringen lassen.

Wir sind gut aufgestellt, um bei den Massenbewegungen, die in Malaysia stattfinden werden, einzugreifen. Das gilt insbesondere dann, wenn es dort zu einem Abschwung oder einer Pause des wirtschaftlichen Aufschwungs kommt. Wenn der Rohstoff-Boom zu Ende geht und die Exporte nach China zurückgehen, was bereits vonstatten geht und Malaysia schwer treffen kann, wird dies unumgängliche Realität.

Australien

Dasselbe gilt für Australien. Obwohl die Folgen der wirtschaftlichen Abkühlung in China noch nicht voll zu spüren sind, so wird dies in der bevorstehenden Periode der Fall sein. Innerhalb der herrschenden Klasse zeichnen sich bereits erste Spaltungslinien. Der jüngste Stimmenrückgang für die Australische labour Party (ALP) ist ein Hinweis auf neue Möglichkeiten, die sich dort für neue Klassenkämpfe abzeichnen.

Aussichten für die Weltwirtschaft

Wir haben früher schon darauf hingewiesen, dass die kapitalistischen Ökonomen selbst die Unumgänglichkeit einer neuen Rezession oder zumindest eines Absackens zu einem gewissen Zeitpunkt anerkannt haben, obwohl sie nicht vollends begreifen, weshalb dies so sein wird. Was kurzfristig passieren wird, ist schwieriger zu sagen. Der Rückgang des Welthandels, der zu seiner Hoch-Zeit fast zweimal so stark war wie das Wachstum der Weltwirtschaft, ist Beleg für eine tiefe ökonomische Malaise. Momentan wird das Wachstum des Welthandels laut OECD mit lediglich 1,7 Prozent beziffert. Im Vergleich zu vorher bleibt das Wachstum der Weltwirtschaft mager. Es herrscht eine „mangelnde Nachfrage“, die zum zentralen Problem geworden ist. Dies geht mit einer Steigerung der weltweiten Ungleichheit einher, die einem Menschen die Tränen in die Augen treiben muss. Angeheizt wird dies durch eine regelrechte Explosion bei Krediten und Schuldenständen, die sich auf das Dreifache des weltweiten BIP belaufen! Gleichzeitig herrscht eine „Sparwut“. Profite werden in ganz massivem Umfang gehortet, wovon ein beträchtlicher Teil auf „Konten in Übersee“ lagert, um den Steuer zu entgehen!

Dass eine tiefe Rezession beziehungsweise ein wirtschaftlicher Einbruch nach der Krise von 2007 und 2008 vermieden werden konnte, war eine Folge der vergleichsweise erfolgreichen Aktionen der Zentralbanken, die den Kapitalismus in Europa und den USA abstützen wollten. Die Europäische Zentralbank war auch maßgeblich daran beteiligt darauf zu bestehen, die Reserven der Banken zu vergrößern, um einen neuerlichen Ansturm auf die Banken zu verhindern. Allerdings hat dies nicht dazu geführt, dass die Sorge um die Deutsche Bank und die Gefahr eines Kollaps weiterer Banken in Europa (vor allem in Italien) gebannt wurde.

Folgen der Krise 2008/2009 immer noch zu spüren

Was das Gleichgewicht der Kräfte zwischen den verschiedenen imperialistischen Blöcken angeht, haben ökonomische Faktoren immer schon eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Und die wirtschaftlichen Perspektiven, die wir im letzten Dokument skizziert haben, sind weitestgehend bestätigt worden. Die Krise von 2007 und 2008 hat einen mächtigen Eindruck hinterlassen, der immer noch spürbare Folgen für das Bewusstsein sämtlicher gesellschaftlicher Klassen hat – sogar für das der Kapitalisten. Acht Jahre vor diesem Herbst hat der Kollaps der Wall Street die Weltwirtschaft in einen Abwärtsstrudel gerissen, der zum Verlust von mehreren Billionen Dollar geführt hat. Was die USA angeht, gingen in fünf Jahren 22 Billionen Dollar verloren. Millionen von ArbeiterInnen sind erwerbslos geworden (8,8 Millionen in Amerika, 1,2 Millionen in Großbritannien).

Bürgerliche Politiker und Regierung haben Versprechungen gemacht, wonach die Lage sich wieder ändern würde. Die Worte der britischen Tageszeitung „The Guardian“ deuten allerdings auf etwas anderes hin: „Fast ein Jahrzehnt später fällt am meisten ins Auge, wie herzlich wenig sich bis heute geändert hat“. Eine allgemeine Wiederbelebung ist trotz der vielen „Notmaßnahmen“ der Regierungen und Zentralbanken ausgeblieben. Es kam zum „quantitative easing“, beispiellos niedrigen Zinssätzen, der Intervention von Zentralbanken, um den Bankensektor zu stützen etc.

Dort, wo die Wirtschaftsleistung wieder das Niveau von vor 2008 erreicht hat (und in einigen wenigen Ländern liegt sie sogar darüber), hat dies nicht zur Beseitigung der Massenarbeitslosigkeit geführt. Griechenland und Südeuropa insgesamt befinden sich im Griff einer Depression, die bis ins Detail mit der der 1930er Jahre sowie der allgemeinen Verarmung, die daraus resultierte, zu vergleichen ist. Selbst in den USA, wo seit 2010 insgesamt fünfzehn Millionen neue Arbeitsplätze entstanden sind, hat dies nicht dazu geführt, dass ein starkes Absinken der Lebensstandards verhindert worden wäre. Der Grund dafür ist, dass die meisten neuen Jobs im Niedriglohn-Sektor entstanden sind. Das ist das Ergebnis der sogenannten „gig-economy“ (bei der Beschäftigte nur „kurze Auftritte“ in immer neuen Arbeitsverhältnissen haben; Anm. d. Übers.). Mehr als sechzig Prozent der Erwerbstätigen in den USA geht es heute schlechter, und sie betrachten sich heute viel bewusster als Teil der „Arbeiterklasse“ als vorher.

Perspektiven für die USA

Die oben genannten Faktoren haben allesamt zum Aufkommen sowohl eines linken Populismus von Bernie Sanders als auch eines rechten Populismus des Demagogen Trump geführt. Für den US-Imperialismus und die Welt sind die Folgen, die daraus entstehen, ziemlich schwerwiegend. Das gilt sowohl kurzfristig wie auch langfristig für die Zukunft des US-Kapitalismus und das dazugehörige politische System. Nicht zuletzt wird eine Folge darin bestehen, dass die US-amerikanischen Arbeiterklasse sich in Richtung einer unabhängigen politischen Vertretung entwickeln wird.

Die Präsidentenwahlen und der Sieg Donald Trumps bedeuten einen Wendepunkt für die USA. Beide Kandidaten waren weithin unbeliebt. Es war nur eine Wahl zwischen der am wenigsten schlechten Alternative. Laut Umfragen hat nur ein Drittel der Menschen geglaubt, dass Hillary Clinton tatsächlich an ihre Aussagen glaubt. Eine Mehrheit glaubte hingegen, dass Trump seine Phantasien ernst meinte. In anderen Worten hat kaum jemand geglaubt, dass einer der Kandidaten es ehrlich meinte, sondern beide nur auf Stimmenfang aus waren. Die sonst zurückhaltende Financial Times bezeichnete Trump als „Stinktier“.

Der Wahlsieg Trumps kann eine neue Periode des Isolationismus, oder zumindest eines teilweisen Rückzugs der USA in die „Festung USA“, einleiten. Das kann in der Folge zur Bildung einer „Festung Europa“, einer „Festung China“, Asiens und so weiter führen. Ein Handelskrieg wird Auswirkungen auf die USA und den Rest der Welt haben. Das republikanische Establishment fürchtet mit dem Einzug Trumps in das Weiße Haus um die Zukunft der eigenen Partei.

Schrille Warnungen kamen bereits von Teilen des republikanischen Establishments. John McCain machte in der Financial Time vom 7. Dezember deutlich: „Einer von zwölf Arbeitsplätzen in den USA hängt vom internationalen Handel ab. Gegen den Welthandel zu sein, ist wie das Wetter abzulehnen. Das Wetter ändert sich nicht, egal ob man es mag oder nicht. Mehr als 95 Prozent der weltweiten Konsumenten leben außerhalb der USA.“ Das Establishment wird massiven Druck auf Trump ausüben, seinen Ton wie etwa hinsichtlich der Aussagen China oder andere Wirtschaftsrivalen „zu bestrafen“ zu zügeln. Sie fürchten, dass dies eine neue Wirtschaftskrise auslösen könnte.

Trump hat zwar die Mehrheit der Wahlmänner gewonnen, aber landesweit 2,6 Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton erhalten. Ihm fehlt damit die politische Legitimation für Angriffe auf die Arbeiterklasse. In den Wochen nach der Wahl haben Trump und sein Kabinett der Milliardäre allerdings deutlich gemacht, dass sie bereit sind Arbeiterrechte und Lebensstandard anzugreifen. Es ist möglich, dass es wie unter Ronald Reagan zu Anti-Gewerkschaftsgesetzen und Entlassungen im öffentlichen Dienst mit einhergehenden Privatisierungen kommt.

Am 20. Januar 2017, dem Tag der Amtseinführung, wird die Massenopposition gegen Trump in den USA und weltweit zum Ausdruck kommen. Das Zwei-Parteien-System in den USA steht vor dem Aus. Selbst Teile der bürgerlichen Medien greifen die Idee eines Mehr-Parteien-Systems mehr und mehr auf. Das CWI und seine UnterstützerInnen um Socialist Alternative in den USA haben eine wichtige Rolle in diesem Prozess gespielt. Socialist Alternative hat ihren Einfluss ausbauen können und ist eine der wichtigsten linken Organisationen in den USA geworden. Die Möglichkeiten in der Zukunft sind sogar noch um einiges größer.

Neue Finanzkrise

Doch nicht weniger bedeutsam sind die ökonomischen Folgen dessen, was nach der Finanzkrise in der neokolonialen Welt passiert ist. Die Institutionen des Weltkapitalismus (OECD, UNCTAD etc.) haben davor gewarnt, dass sich die Welt kurz davor befindet, in „eine dritte Phase der Finanzkrise einzutreten“. Die Subprime-Krise in den USA hat sich in der neokolonialen Welt wiederholt. Dort sind Billionen von Dollar in die „aufstrebenden Märkte“ gepumpt worden. Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Kreditflut, die vor allem nach Lateinamerika aber auch nach Asien und Afrika gegangen ist, auf die Hälfte der Bankendarlehen und -anleihen beläuft, die in der ersten Hälfte des Jahrzehnts aufgelaufen sind. Sieben Billionen Dollar sind in die „aufstrebenden Märkte“ geflossen. Das hat den entsprechenden Ländern nun Schulden beschert, die kaum noch zurückzuzahlen sind und die umgekehrt die Grundlage für eine neue Bewegung schaffen, die den Schuldendienst ablehnt. Der Teil der Privatwirtschaft in den Entwicklungsländern, der nicht zum Finanzsektor gehört, weist Kreditverpflichtungen auf, die 450 Prozent des BIP entsprechen. Das entspricht nahezu dem Doppelten wie in der „entwickelten“ Welt.

Das hat zum ökonomischen Kollaps beigetragen, von dem Länder wie Brasilien betroffen sind. Dieses Land steckt – wie die Resolution zu Lateinamerika zeigt – in seiner schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten. Die Folge ist, dass die Massen in Brasilien mit „rationierten Waren“ auskommen müssen. Die Ausgaben im Bereich des öffentlichen Dienstes sind für die nächsten zwanzig Jahre eingefroren worden. Zusammen mit dem aktuellen und schwerwiegenden wirtschaftlichen Abschwung wird dies zu Spannungen zwischen den Klassen führen, die folglich noch zunehmen werden. Der erste Ausdruck dessen kommt in Gestalt einer wiedererstarkten Rechten daher. Dilma Rousseff ist als Präsidentin abgesetzt worden und möglicherweise wird es noch zur Anklage von Lula kommen. Umgekehrt hat dies zu einer Polarisierung in der Arbeiterklasse geführt, die sich dem Putsch im Parlament entgegenstellt. Das hat Erinnerungen an die Militärregimes geweckt, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch an der Macht waren.

Lateinamerika befindet sich in einer komplizierten und schwierigen Phase. Diese Phase folgt auf das Scheitern „linker“ Regierungen in Venezuela, Bolivien und Ecuador, die nicht einmal ernsthaft gegen den Kapitalismus vorgegangen sind. Gleichzeitig schreitet der Prozess der Restauration des Kapitalismus in Kuba voran. Hinzu kommt die Diskreditierung der „Mitte-Links“-Regierungen in Brasilien und anderen Ländern. Und wir mussten Wahlerfolge für traditionell rechte kapitalistische Parteien miterleben. Ab einem bestimmten Zeitpunkt wird dies zu einem neuen Wiederaufleben der Linken und zu neuen Klassenkämpfen führen. Mit diesen Prozessen befassen wir uns in einem anderen Dokument.

Neue antikapitalistische Stimmung

Das Chaos, das daraus hervorgehen wird, drückt auch eine neue Stimmung gegen die Globalisierung aus. Diese neue Stimmung hat sogar schon Hillary Clinton dazu gezwungen, in puncto TPP zurückzuweichen, obwohl sie dieses Handelsabkommen ursprünglich verteidigt hatte! Es wird daraus auch – zumindest teilweise – eine zunehmende und breitere Feindseligkeit gegenüber der Ungleichheit und dem Kapitalismus selbst entstehen. Die Bourgeoisie hat die bereits auf dem Schirm. Ihre Journale sind voll von Angst vor der wachsenden Feindschaft gegenüber dem ungehobelten, brutal ausschlagenden Kapitalismus.

Ihr großes Glück hat darin bestanden, dass der „Großen Rezession“ der Kollaps des Stalinismus vorausgegangen war. Aus diesem Grund konnte auch die ideologische Kampagne der Bourgeoisie vorher losgetreten werden, die sich gegen den „Sozialismus“ und gegen die Idee richtete, dass die Arbeiterklasse bei der Organisation der Gesellschaft mitzureden habe. Wir sollten uns daran erinnern, dass Fidel Castro den Zusammenbruch der Sowjetunion mit dem Verglühen der Sonne verglichen hat! Auch wenn sie unter der Kontrolle einer bürokratischen Elite stand, so war die UdSSR doch auch ein Orientierungspunkt für die Planwirtschaft, die dann demontiert wurde. Daraufhin zerfielen die unabhängigen Massenparteien, die sich „sozialistisch“ oder „kommunistisch“ nannten. Ihre Führungen liefen auf die Seite der Bourgeoisie über. Die Arbeiterklasse stand politisch unbewaffnet da und musste sich so dem Wüten der Krise stellen. Politisch war sie wie betäubt und zu jenem Zeitpunkt nicht in der Lage, klare klassenpolitische Antworten zu geben. Aber auch die echten und bewussten MarxistInnen und SozialistInnen blieben isoliert. Allerdings übte die Masse der Arbeiterklasse entschlossenen Widerstand gegen die Austerität. In Griechenland kam es zu mehr als vierzig Generalstreiks. Ähnliche Bewegungen entwickelten sich in Spanien, Portugal, Italien etc.

Folgen einer neuen Krise

Eine neue Wirtschaftskrise, bei der es sich wahrscheinlich um die zweite innerhalb eines Jahrzehnts handeln wird, wird viel größere gesellschaftliche und politische Folgen haben. Vor einem großen Publikum werden dann nicht nur antikapitalistische oder gegen die Austerität gerichtete Ideen diskutiert, sondern auch die Ideen des Sozialismus und Marxismus. Es wird wieder vor großem Publikum debattiert werden, welche Art von Sozialismus anzustreben ist. Es wird neue, wesentlich bessere Möglichkeiten geben, um Organisationen von beachtlicher Größe aufzubauen, Massenformationen, die aus der Vergangenheit gelernt haben und zu einem mächtigen Bezugspunkt für die besten ArbeiterInnen und jungen Leute werden können.

Die Auswirkungen der dauerhaft und gehäuft auftretenden Krisen haben selbst in den Reihen der Kapitalisten zu Fragen geführt, die es so zuvor noch nicht gegeben hat. Es geht um die Überlebensfähigkeit ihres Systems. Was die Aussichten für „den Westen“ und für die Globalisierung angeht, werden dabei zutiefst pessimistische Schlussfolgerungen gezogen. Selbst das Wirtschaftsmagazin „The Economist“, das der Globalisierung ansonsten vollkommen unbeirrbar die Stange hält, sieht sich genötigt, die Nachteile hervorzuheben: „Nur in London und seinem südwestlich gelegenen Hinterland ist es zu realen Einkommenssteigerungen pro Kopf gekommen, die nun über dem Niveau der Finanzkrise von 2007/2008 liegen. In den meisten anderen Ländern sieht es ganz ähnlich aus […] Die Realeinkommen von zwei Dritteln der Haushalte in 25 Industrienationen haben zwischen 2005 und 2014 stagniert oder sind sogar gesunken. Vor fünfzig Jahren war das nur bei zwei Prozent der Haushalte der Fall. Die wenigen Errungenschaften einer schwerfällig gewordenen Ökonomie sind an einen gut situierten Finanzadel gegangen.“

Enorme Kapitalkonzentration

Gleichzeitig ist es zu einer beispiellosen Konzentration und Zentralisation von Kapital gekommen. Die Monopole üben eine enorme Macht aus. Zehn Prozent der Unternehmen machen achtzig Prozent der Profite. Die US-amerikanischen Top-Konzerne, die „Fortune 100“, durften erleben, wie ihr Anteil am Reichtum im Laufe der „Rezession“ von 57 Prozent auf 63 Prozent angestiegen ist. In den USA, dem Heimatland der sogenannten „Marktwirtschaft“, erklärt der durch Hi-Tech zum Milliardär gewordene Peter Thiel unverblümt: „Wettbewerb ist was für Verlierer“.

Angesichts der ziemlich offensichtlich zu Tage tretenden Tendenz, den Wettbewerbs-Charakter des früheren Kapitalismus ausmerzen zu wollen (bisher spielte der Wettbewerb die entscheidende Rolle, wenn es zwischen unterschiedlichen Unternehmen und Industrien um die Verteilung von Kapital ging), wird tatsächlich die schiere Existenz des Systems in Frage gestellt. Heute bezweifelt niemand mehr ernsthaft, dass der „moderne“ Kapitalismus ohne die bis dato verhöhnte „Intervention des Staates“ nicht mehr funktionsfähig wäre. Die neue britische Premierministerin Theresa May hat auch schon die Doktrin von Thatcher ad acta gelegt, die der Ansicht war: „So etwas wie eine Gesellschaft gibt es gar nicht“. Stattdessen hat May unverhohlen erklärt, dass der Staat eingreifen muss. Darüber hinaus hat sie – in völliger Abkehr von ihrem Amtsvorgänger Cameron – sogar Appelle an die „Arbeiterklasse“ gerichtet, und die „Austerität“ kritisiert – in Worten, nicht mit Taten.

Kapitalismus außer Kontrolle

Einige bürgerliche KommentatorInnen haben auf den unkontrollierten Charakter des heutigen Kapitalismus hingewiesen. Das drückt sich darin aus, dass bei vielen Finanztransaktionen mittlerweile Algorhythmen eingesetzt werden, die ohne direkte menschliche Kontrolle auskommen. Im Einzelfall handelt es sich nur um kleinere Summen, die sich in ihrer Gesamtheit jedoch auf gehandelte Millionenbeträge summieren.

Das zeigt sowohl den Mangel an echter Überwachung über die Geschehnisse, als auch das Potential für Aktionen von nicht überwachten Programmen außer Kontrolle zu geraten. So kann auf künstliche Art und Weise und auf der Grundlage nicht überprüfter mathematischer ERgebnisse eine Krise ausgelöst werden.

Daran zeigt sich der antiquierte, parasitäre Charakter des heutigen Kapitalismus, in dem nicht nur die Kapitalisten sondern auch die Manager keine Rolle mehr für ihr Kapital spielen. Tatsache ist, dass sich der Blick auf den Aspekt der zunehmenden Technologisierung richten muss. Wobei das CWI wahrscheinlich die erste Organisation war, die dies hervorgehoben hat. Wir müssen noch einmal wiederholen, dass ein Großteil der Technologien das Potential hat, die Menschheit zu befreien. Die Bedingung dafür ist, dass sie unter der Kontrolle der Beschäftigten und einer sozialistischen Gesellschaft angewendet werden. Ohne dies wird die Technologisierung – wie schon der Fall – zum Job-Killer und zu einer neuen bösartigen Waffe, die in Form von „Killer-Robotern“ selbst im Krieg zum Einsatz kommen kann. Die Kapitalisten können dieses Mittel einsetzen, um die Lebensstandards der Arbeiterklasse auszuhöhlen, indem sie Löhne kürzen, massenhafte Erwerbslosigkeit hervorrufen etc. Ob diese Technologien produktiv und im Sinne der Mehrheit zum Einsatz kommen, hängt davon ab, wer die Kontrolle über sie inne hat. Jedenfalls sind auch die neuen Technologien das Produkt des Genies der Menschheit und in erster Linie das der Arbeiterklasse.

Schluss

Die Schlussfolgerung aus obiger Analyse ist, dass wir aufgrund der chronischen Krise des Welt-Kapitalismus jede Möglichkeit haben, um in den meisten Teilen der Erde substantiell Mitglieder zu gewinnen. Dabei werden uns nicht allein die wirtschaftlichen und sozialen Themen Möglichkeiten zum Eingreifen und zur Gewinnung neuer Kräfte bieten. Es bestehen für uns auch große Möglichkeiten bei Frauen- und Umweltbewegungen zu intervenieren, in der Bewegung „Black Lives Matter“ und beim Kampf gegen den Rassismus. Dies könnte eine entscheidende Phase für uns werden, in der wir die Grundlage legen können, dass das CWI zur bedeutendsten trotzkistischen Kraft weltweit wird und wir die Basis für den Aufbau von Massenformationen legen.