Gegen den asylpolitischen Konsens

DieLinke_RGBDokumentiert: Beschluss des Kreisverbands Göttingen der Partei DIE LINKE vom 17. September 2015

 

Dem rassistischen, asylpolitischen Konsens entgegentreten!

Der Kreisverband der LINKEN Göttingen/Osterode verurteilt die rassistische, menschenverachtende Asylpolitik von CDU/CSU, SPD und Grünen und fordert eine rechtliche, soziale und politische Gleichbehandlung aller hier lebenden Menschen – ob mit Fluchthintergrund oder ohne.

1. Abschiebungen sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Abschiebeparteien und – behörden sind für uns keine Bündnispartner, sondern Gegner. Gegen geplante Abschiebungen in Göttingen und Region rufen wir zu zivilem Ungehorsam auf, um diese (durch Sitzblockaden, Kirchenasyl etc.) zu verhindern.

2. Wir treten weiterhin ein für eine 100%ige dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen in Göttingen und Umland und überall. Dazu bedarf es eines massiven Ausbaus des sozialen Wohnungsbaus sowie ein Verbot von (künftigen) (spekulativen) Mieterhöhungen. Mehr als 1 Jahr leerstehender Wohnraum ist (bei Uneinsichtigkeit) zu konfiszieren und wohnungssuchenden Menschen (Geflüchteten, Studierenden usw.) zurVerfügung zu stellen.

3. Auf Grund der aktuellen Situation fordern wir kurzfristig die Umnutzung leerstehender Gebäude und Räumlichkeiten (ob in öffentlicher oder privater Hand) in Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete. Diese dürfen eine Maximalkapazität von 50 Personen pro Einrichtung nicht überschreiten. Allen Bewohner*innen ist ein ausreichendes Maß an Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten einzuräumen. In einem Zimmer dürfen maximal zwei Personen untergebracht werden. Größeren Familien sind deshalb mehrere Räume zur Verfügung zu stellen. Zwecks Anbindung an das soziale und gesellschaftliche Leben muss allen Geflüchteten kostenloser Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr sowie das vollständige Recht auf Inanspruchnahme sozialer und medizinischer Leistungen zugestanden werden. Leistungen die vom Asylbewerberleistungsgesetz nicht abgedeckt sind, müssen von Stadt bzw. Landkreis übernommen werden. Pro 50 Personen muss mind. eine Vollzeitstelle sowohl für die soziale als auch für die pädagogische und psychologische Betreuung der Flüchtlinge geschaffen werden. Zudem müssen zukünftig in den Unterkünften frei zugängliche, umfangreiche Sprach- und Integrationskurse angeboten werden.

4. Flüchtlingsunterbringung darf kein Geschäftsfeld sein. Private, gewinnorientierte Betreiber haben in Gemeinschaftsunterkünften nichts zu suchen. Dasselbe gilt für private Sicherheitsdienste. Die Betreuung von Flüchtlingsunterkünften gehört in die öffentliche Hand oder ist Wohlfahrtsorganisationen zu übergeben.

5. Flüchtlinge sind sofort in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ihre Abschlüsse gehören unmittelbar anerkannt. Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen müssen ohne bürokratischen Aufwand zur Verfügung gestellt werden. Um gemeinsam für die Rechte aller Lohnabhängigen mit und ohne Fluchthintergrund zu kämpfen und Spaltungsstrategien der herrschenden Klasse entgegenzuwirken, werben wir für eine Organisierung von Geflüchteten (unabhängig von Aufenthaltsstatus) in den Gewerkschaften und in unserer Partei. Wir erklären uns solidarisch mit politischen Kämpfen von Geflüchteten für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Selbstbestimmung. Wir sehen unsere zentrale Aufgabe in der außerparlamentarischen Unterstützung solcher Kämpfe sowie in der Vernetzung von Geflüchtetenprotesten mit anderen sozialen Protesten, welche dieselbe, der kapitalistischen Produktionsweise geschuldete Wurzel haben. Dafür sind die Mandate unserer Partei in den Stadträten und Parlamenten konsequent zu nutzen.
Rassistischer Hetze und Gewalt gegenüber Geflüchteten werden wir uns entgegenstellen. Dabei stellen wir fest, dass Kriegs- und Abschiebungsparteien wie die SPD, die CDU oder die Grünen durch permanente Asylrechtsverschärfungen und arbeitnehmerfeindliche Politik den Nährboden für rassistische Mobilmachung legen. Mit solchen geistigen Brandstiftern ist keinerlei Konsens zu finden.

6. Wir fordern den Bund und das Land Niedersachsen auf, die Kosten für die Flüchtlingsunterbringung und –betreuung vollständig zu übernehmen und die Gelder bereitzustellen, die für eine menschenwürdige Unterbringung, gesellschaftliche Partizipation und soziale Teilhabe aller Geflüchteten nötig sind.

7. Die vielen Menschen, die sich organisiert und unorganisiert ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit engagieren dürfen von den politischen Gremien nicht als Feigenblatt und willkommene „Hilfsbüttel“ missbraucht werden. Sie müssen in ihrer konkreten Arbeit und in ihrem Engagement unterstützt und gefördert werden. Insbesondere sollen und müssen sie in die Diskussion und Beratung vor Ort und in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Sie immer wieder vor vollendete Tatsachen zu stellen und gleichzeitig nach ihrer Hilfe zu rufen ist nicht nur arrogant, sondern kontraproduktiv, weil so wichtige Impulse, Kompetenzen und Vertrauen verloren gehen.

8. Die Fluchtverursacher sitzen in den Führungsetagen von Bayer, ThyssenKrupp, Heckler und Koch, Deutsche Bank etc. und auf den Regierungssesseln deutscher Parlamente. Zur Finanzierung einer menschlichen, solidarischen Asylpolitik tritt Die LINKE dafür ein , das private Vermögen von Banken, Konzernen und Superreichen endlich drastisch zu besteuern und mit einer Millionärsabgabe zu belegen.

9. Auf Bundes- und EU-Ebene kämpfen wir gegen die Schließung der Grenzen für Geflüchtete. Dublin 3 ist abzuschaffen; legale und sichere Fluchtmöglichkeiten in die EU und nach Deutschland sind zu gewährleisten. Jeder Mensch hat das Recht im Land seiner Wahl Asyl zu beantragen. Alle hierher Fliehenden haben auch das Recht zu bleiben.
Nein zu Rückführungen, Abschiebezentren und Kettenduldungen.
Frontex ist umgehend durch Seenotrettungsprogramme zu ersetzen. Rüstungskonzerne müssen in öffentliches Eigentum unter der demokratischen Kontrolle der Belegschaft überführt und auf die Produktion gesellschaftlich nützlicher, ziviler Güter umgestellt werden. Die Bundeswehr muss von sämtlichen Auslandseinsätzen zurückgeholt werden, anstatt weltweit Krieg zu führen. Wir fordern den Austritt Deutschlands aus der NATO und ein Ende der imperialistischen EU-Wirtschaftspolitik, die weltweit Flüchtlinge schafft.

10. Ein besseres Leben für Flüchtlinge und Nicht-Flüchtlinge sowie der Ausbau kommunaler Infrastruktur, soziale Investitionen und Kultur-/Sportförderung sind kein Widerspruch. Kürzungsvereinbarungen wie der Zukunftsvertrag oder die Schuldenbremse stehen dem jedoch im Wege. Auf Basis von Privatisierungen, Stellenabbau, Kürzungsdruck und kapitalistischen Sachzwängen ist keine menschenwürdige Asylpolitik und auch keine Politik im Interesse der Mehrheit der Menschen möglich. Deshalb sagen wir Nein zum Zukunftsvertrag und zu Bündnissen mit den Parteien, die diesen mittragen.

11. Die militärische und wirtschaftliche Verelendung großer Teile der Welt ist Folge der kapitalistischen Grossmachtkonkurrenz um Einflusszonen und Rohstoffmärkte und Fluchtursache Nummer 1. Deshalb stehen wir als antikapitalistische Systemalternative an der Seite der Mehrheit der Menschen gegen Krieg, Umweltzerstörung, Terror und Flucht und für eine sozialistische Gesellschaft auf Basis des Gemeineigentums an den Produktionsmitteln ein. Dieser Kampf ist nicht allein in bürgerlichen Parlamenten, sondern nur durch die kollektive, bewusste Aktion der Mehrheit der Lohnabhängigen zu gewinnen. Deshalb sieht es der KV Göttingen/Osterode als seine zentrale Aufgabe an, auf den Straßen, in Betrieben und Schulen präsent zu sein und durch Flugblätter, Plakate, Kampagnen, Demonstrationen und andere Aktionen für einen gemeinsamen Widerstand von MigrantInnen und einheimischen Lohnabhängigen zu werben.

Dazu beschließt der KV Göttingen folgende Initiativen:
1. Vorbereitung eines Göttinger Flüchtlings- und Unterstützer*Innenplenums für Anfang Oktober. Dort sollen Vertreter*Innen der Flüchtlinge, der Göttinger Solidaritäts- und Nachbarschaftsinitiativen sowie der Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften und kommunalen Einrichtungen zusammenkommen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.
2. Solidaritätskundgebung vor dem alten Rathaus im Anschluss oder vor dem Plenum
3. Herausgabe einer Broschüre, in denen Berichte von Flüchtlingen, von Unterstützer*Innen und die Vorschläge der Verwaltung dokumentiert werden.
4. Bildung einer Arbeitsgruppe zur Kontaktaufnahme mit den Solidaritätsinitiativen. Ansprechpartner: Konrad Kelm und Yannic Dyck

Antragsteller: Linksjugend Göttingen – Basisgruppe Revolutionärer Antikapitalist*innen (BRA), Gerd Nier, Meike Brunken

Bei wenigen Enthaltungen einstimmig angenommen.