Angestellte Lehrkräfte: Nach dem Streik ist vor dem Streik

FotoNach dem vorläufigen Ergebnis der Tarifverhandlungen bei den Ländern steht die GEW bundesweit vor der Notwendigkeit, den Kampf fortzusetzen.

von Johannes von Simons und Christoph Wälz, Mitglieder in der Jungen GEW Berlin

Die Beteiligung an den Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde Öffentlicher Dienst der Länder war 2013 so groß wie seit vielen Jahren nicht mehr. Auch die politischen Rahmenbedingungen mit steigenden Steuereinnahmen der öffentlichen Hand einerseits und der bevorstehenden Bundestagswahl andererseits versprachen Rückenwind für die volle Durchsetzung der berechtigten Forderungen von GEW, ver.di, GdP und dbb: 6,5% mehr Lohn und Gehalt – keine Verkürzung des jährlichen Urlaubsanspruchs – Einstieg in die tarifliche Eingruppierung der Lehrkräfte („L-EGO“; ohne diese Regelung können die Arbeitgeber weiterhin willkürlich festlegen, wieviel sie in ihrem jeweiligen Bundesland den LehrerInnen zahlen). Um so bedauerlicher ist es, dass mit Lohnerhöhungen von 2,65% und 2,95% für 2013 bzw. 2014 Werte vereinbart wurden, die nur geringfügig über der Inflationsrate liegen und somit wenig dazu beitragen, die in den 2000er Jahren aufgelaufenen Reallohnverluste wettzumachen. Auch die zweijährige Laufzeit ist ungünstig. Sie erschwert einen gemeinsamen Kampf mit den Beschäftigten in Bund und Kommunen, weil deren Tarifrunde weiterhin genau zeitversetzt stattfindet.

Für wirklich großen Unmut unter GEW-KollegInnen hat aber die neuerliche Ausklammerung der Lehrkräfte-Entgeltordnung gesorgt. Gut die Hälfte aller Warnstreik-TeilnehmerInnen waren angestellte Lehrkräfte, und insbesondere in den östlichen Bundesländern beteiligte sich diese Gruppe fast zu 100% an den Arbeitsniederlegungen. Da ist es ein Schlag ins Gesicht, dass die Arbeitgeberseite komplett auf stur schaltete. Und auch wenn L-EGO in der gemeinsamen Verhandlungsgruppe mit ver.di, GdP und dbb nicht durchgesetzt werden konnte, ist klar, dass die GEW-Führung nachlegen muss – Verhandlungsführerin Ilse Schaad hat dies in ihrem Statement auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: „In der Frage der Lehrkräfte-Eingruppierung stehen der GEW weiterhin alle Streikoptionen offen. Das reicht von Streiks in einzelnen Bundesländern bis zu einem unbefristeten bundesweiten Streik.“

Wichtig ist auch, dass die aktuell laufende Diskussionszeit zur Entwicklung einer effektiven Strategie für erfolgreiche Warnstreiks und die ggf. notwendigen Erzwingungstreiks genutzt wird. Wie kann die Streikbeteiligung in den westlichen Bundesländern erhöht werden? Wie können die verbeamteten KollegInnen am besten in den Arbeitskampf einbezogen werden? Was sind die besten Maßnahmen, um im Vorfeld der Bundestagswahl den öffentlichen Druck zu erhöhen? Wie erreicht man größtmögliches Verständnis und Solidarität der SchülerInnen und ihrer Eltern, sowohl im Hinblick auf die bevorstehenden Prüfungen als auch angesichts der zu erwartenden Verleumdungs-kampagne durch Politik und Medien?

Eine erfolgreiche Bewegung steht und fällt mit der Gewinnung möglichst vieler KollegInnen für die GEW, und dies wiederum geht am besten über möglichst breite Diskussions- und Beteiligungs-angebote. In Berlin gab es beispielsweise in den letzten Monaten eine starke Aufwärtstendenz bei der Warnstreikbeteiligung und eine Eintrittswelle. Getragen wurde dies einerseits von der Empörung über die unhaltbaren Zustände (der Verdienst für die gleiche Tätigkeit liegt bis zu 20% unter dem der verbeamteten KollegInnen!) und andererseits vom Gefühl der Stärke Tausender angestellter Lehrkräfte durch die stufenweise Eskalation der Protest- und Kampfmaßnahmen gegenüber Senat und Tarifgemeinschaft der Länder.

Die laufende Beitrittskampagne der GEW sollte weiter gesteigert werden, um – durch zehntausende Neueintritte gestärkt – auch eine massive Beteiligung an ggf. notwendigen Erzwingungsstreiks sicherzustellen. Denn: Nichtmitglieder können sich mal einen Tag Gehaltsausfall für einen symbolischen Streik leisten. Aber die Arbeitgeber haben mal gesagt, für L-EGO müssten wir sie schon „in Grund und Boden streiken“ – und genau das müssen wir jetzt tun!

Um alle KollegInnen in die Vorbereitung der nächsten Kampfschritte mit einzubeziehen, sollten auf allen Ebenen Treffen der gewerkschaftlichen Gremien stattfinden: Schulgruppen, Bezirks-versammlungen usw. Das vorliegende Verhandlungsergebnis kann dort diskutiert und das weitere Vorgehen erörtert werden. An allen Schulen sollten Vertrauensleute gewählt werden, um zukünftig auch kurzfristig überall Versammlungen durchführen zu können und während weiterer Arbeits-kampfmaßnahmen handlungs- und reaktionsfähiger zu werden.

In allen Landesverbänden sollte die angekündigte bundesweite Tarifkonferenz (nach Ostern) auf Vertrauensleute-Versammlungen (vor den Osterferien) vordiskutiert werden, damit die jeweiligen Delegierten möglichst genau die Argumente und Forderungen der KollegInnen einbringen können.

Mit Blick auf die bevorstehende Prüfungszeit an den Schulen sollte zeitnah, möglichst in der Woche ab dem 15.04., als Reaktion auf die Blockadehaltung der Tarifgemeinschaft der Länder und als nächster Eskalationsschritt ein bundesweit koordinierter zweitägiger Warnstreik mit Demonstrationen in den Landeshauptstädten durchgeführt werden. Die weiteren Schritte sollten dann im Rahmen der entwickelten Kampfstrategie erfolgen.

Die Hauptforderung neben der Lehrkräfte-Eingruppierung sollte die Angleichung der Gehälter der Angestellten an das Niveau der BeamtInnen sein. Hier liegt zum Teil am meisten Zündstoff, besonders in Berlin, wo sich im Laufe des Jahres 2012 besonders an dieser Frage eine große Kampfbereitschaft unter angestellten Lehrkräften entwickelt hat. Die GEW sollte – wo möglich – diese Fragen miteinander verbinden, wie es in Berlin in den letzten Monaten vorgemacht wurde.

Johannes von Simons und Christoph Wälz haben sich am 17.01., 18.02. und 06.03. in Berlin an den Warnstreiks beteiligt.