Interview mit einem Streikführer der Subunternehmen von FORD in Genk

Ford GenkDieser Artikel erschien am 30. Januar auf flämischer Sprache auf socialisme.be

Nachdem FORD die Schließung des Werks in Genk angekündigt hatte, setzte der Konzern noch alles daran, um dort einige weitere tausend Autos produziert zu bekommen. In erster Linie wurde dies wegen des konsequenten und beständigen Widerstands der Beschäftigten bei den Subunternehmen offenbar. Diese fürchten, vollends hinten über zu fallen, wenn es um die Umsetzung eines sogenannten Sozialplans gehen wird, weshalb sie für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze aktiv wurden. Wir sprachen mit Salvatore, einem Kollegen, der federführend an diesem Streik teilnimmt.

Das Gespräch führte Els Deschoemacker, „Linkse Socialistische Partij“/„Parti Socialiste de Lutte“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Belgien)

Ihr seid seit Montag, dem 21. Januar auf Druck einer einstweiligen Verfügung wieder zurück am Arbeitsplatz. Wie ist die Stimmung im Betrieb?

„Es gibt viele Diskussionen. Viele fragen sich, was wir nun erreicht haben. Dabei haben wir durchaus was erreicht. Wir haben erzwingen können, dass wir ausbezahlt werden. Andernfalls wären wir nicht wieder an die Arbeit zurückgekehrt. Wir kriegen die Streiktage als zusätzliche Arbeitstage bezahlt, müssen aber zwei Ausfalltage in Kauf nehmen. Wir haben alle ein sehr zwiegespaltenes Gefühl. Eigentlich wollten wir ja den ganzen ausstehenden Lohn, womit wir Ford keine Schmerzen zugefügt hätten.

Ein anderes Ergebnis ist, dass die Verhandlungen endlich angelaufen sind, mit denen sie eigentlich erst in sechs Monaten beginnen wollten. Mitte Februar muss ein Sozialplan auf dem Tisch liegen. Wenn das nicht der Fall ist, stoppen wir den Betrieb. Dies ist nicht nur unsere Entscheidung [des Aktionskomitees], sondern von allen Leuten im Betrieb. Dabei weiß jede und jeder, dass wir dieselben Bedingungen wollen wie die Ford-ArbeiterInnen. Wir arbeiten genauso gut für Ford. Für alle das Gleiche!“

Wie denkt ihr, eure Forderung nach dem „Erhalt der Arbeitsplätze oder Lohn bis 2020“ durchsetzen zu können?

„2011 machte Ford einen Nettogewinn von neun Milliarden Euro. Um alle Angestellten und ArbeiterInnen bei Ford und den Zulieferbetrieben zu bezahlen – Urlaubsgeld usw. inbegriffen, musste man 1,2 Milliarden Euro aufwenden. Drei Wochen vor der Ankündigung, dass das Werk geschlossen werden soll, wurde uns noch gesagt, dass Genk bestehen bleiben wird. Der Begriff „Ausnahme“, von dem dabei auch die Rede war, und wonach diese Garantie nicht gelten soll, wenn es wirtschaftlich schlecht läuft – war zu vage. Was hat sich in den letzten drei Wochen denn so Weltbewegendes verändert? Sie haben uns immer wieder irgendwelche Dinge erzählt, um Zeit zu gewinnen. Wir fordern jetzt, dass den Worten Taten folgen.

Welche weiteren Pläne hat das Aktionskomitee?

„Wir hängen alle von dieser Fabrik ab. Die größte Gefahr besteht darin, dass das Aktionskomitee verwässert, dass die einzelnen Delegierten und AktivistInnen den Druck von Seiten der Geschäftsführung und aus dem Betrieb für sich individuell tragen müssen. Wir haben nicht mehr dieselbe Gesprächsebene. Der Sozialplan wird in jedem einzelnen Betrieb einzeln diskutiert. Wir müssen uns sehr genau angucken, was möglich ist und unsere Forderungen gemeinsam auf den Tisch legen.“

Kann das Aktionskomitee die Forderung nach Verstaatlichung, die die Gewerkschaften im Falle von ArcelorMittal aufstellen, nicht aufgreifen, um sie auch bei Ford nach vorn zu bringen?

„Die gewerkschaftliche Antwort auf die Situation bei Arcelor spricht in der Tat dafür, dass wir sie aufgreifen. Unsere Gewerkschaftsführung war hingegen schon dazu bereit, eine verträgliche Abwicklung und einen Sozialplan zu akzeptieren. Danach wurde aber weiter über die eigentliche Absicht, ob das Werk überhaupt geschlossen werden muss, gesprochen. Der Kampf für den Erhalt der Arbeitsplätze stand hingegen niemals auf der Tagesordnung. Bei uns fand sich keiner, der nur mit einer verträglichen Schließung zufrieden gewesen wäre. Dieser Ansatz kam nicht von uns. Unsere Ideen dazu müssen erst noch entwickelt werden. Der Gewerkschaftsführung haben wir jedenfalls schon viel zu lange alles überlassen. Aber jetzt wird die Frage der Verstaatlichung in Frankreich und in der Wallonie vorgebracht.

Um eine große Demonstration in Brüssel hinzubekommen, wäre es gut, wenn nicht nur wir, sondern auch die KollegInnen von ArcelorMittal und alle, deren Arbeitsplätze in Gefahr sind, mit dabei wären. Auch bei Volvo rechne ich mit allem Möglichen. Wenn sie damit anfangen, mit verordnetem Zwangsurlaub zu arbeiten, dann kann man sich schon mal gefasst machen, was noch alles kommt.“

Die Entlassungen beim Stahlwerk ArcelorMittal werden unter anderem auch damit begründet, dass umliegende Produktionsstätten wie das Ford-Werk in Genk geschlossen werden. Die Schließung hier betrifft auch die Subunternehmen, Einzelhändler, die gesamte Region und so weiter. Es kommt zum Domino-Effekt des Niedergangs. Eine Verwaltung, die im Interesse der Bevölkerung handelt, sollte solche Betriebe doch wohl verstaatlichen können, um sie für das Gemeinwesen zu erhalten. Es existiert eine Fabrik, es gibt den Grund und Boden, die ArbeiterInnen sind vorhanden, eine Universität …

„ … unsere Universität in Hasselt beschäftigt sich übrigens schon mit der Herstellung von Wasserstoff …“

… sogar Stahlwerke wären vorhanden. Durch die Produktion von Wasserstoff-betriebenen Bussen könnte das Schadstoffproblem verringert werden …

„Bei uns kann all das hergestellt werden! Wir haben den Medien immer gesagt, dass sie nicht korrekt berichten würden. Wir sind diejenigen, die arbeiten wollen, die für den Erhalt unserer Arbeitsplätze kämpfen – mit allen möglichen Mitteln!“

Ist es nicht möglich, dass ihr aus einem Nachteil einen Vorteil für euch macht? Jetzt, da ihr wieder im Betrieb seid und arbeitet, wären doch regelmäßige allgemeine Betriebsversammlungen möglich, oder? Könnte darüber nicht der Kontakt zu allen Betroffenen aufrecht erhalten werden?

„Genau das ist die Idee. Wir wollen ab jetzt jede Woche Informationen darüber, wie die Verhandlungen verlaufen. Wir vertrauen nicht mehr jedem. Wir vertrauen nur noch dem Aktionskomitee. Es wird auch nicht begründet, weshalb das Aktionskomitee an den Verhandlungen nicht teilnehmen soll. Sie werden schon noch von uns hören!“

Was können wir tun, um euren Kampf zu unterstützen? Was hältst du zum Beispiel von einer Petition, mit der eure Forderungen unterstützt werden (wie etwa die Anerkennung eures Aktionskomitees) durch Gewerkschaftsgliederungen aus anderen Betrieben, auf der Straße usw. Auch, was das Finanzielle angeht: Der Kampf ist schließlich noch nicht zu Ende und der Streikfonds wird sicher noch gebraucht werden.

„Sehr gute Idee, das werde ich sicher genauso weitergeben!“