Die Schließung des Opel-Werks in Bochum geht uns alle an

Alternative Berlin Marienfelde
Alternative Berlin Marienfelde

Offener Brief der „Alternative“-Gruppe bei Daimler Berlin an den Vorstand der IG Metall

Wir dokumentieren hier einen Brief der ALternative-Gruppe Berlin vom 27. Januar 2013

An den Vorstand der IGM in Frankfurt am Main

An Arno Hager, Erster Bevollmächtigter der IGM Berlin-Brandenburg

An Klaus Abel, Zweiter Bevollmächtigter der IGM Berlin-Brandenburg

An Patrick Hesse, VK-Leiter Daimler Berlin-Marienfelde

Die Schließung des Opel-Werks in Bochum geht uns alle an

Wir brauchen eine gemeinsame Strategie für Gegenwehr in der Autoindustrie

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

jeder von uns bekommt sein Gehalt heute pünktlich auf sein Konto überwiesen. Monat für Monat. Und man sollte eigentlich davon ausgehen können, dass das auf absehbare Zeit auch so bleibt. – Das dachten die Kolleginnen und Kollegen bei Opel Bochum bis vor kurzem ebenfalls. Aber plötzlich ist dort alles anders.

Erst werden die Beschäftigten im Bochumer Opel-Werk jahrelang hingehalten, dann nimmt sich der Unternehmenschef Thomas Sedran im Dezember sage und schreibe 40 Sekunden, um ihnen auf einer Betriebsversammlung das Aus mitzuteilen – was für Tausende Familien eine ungewisse Zukunft bedeutet.

Damit nicht genug: Einen Monat, nachdem die Konzernspitze die Schließung für 2016 ankündigte, erfahren die Opelaner, dass vielleicht schon 2014 Schluss ist! Konkret fordert der Vize-Chef des US-Mutterkonzerns General Motors, Stephen Girsky, jetzt ein rasches Ende der Verhandlungen über Zugeständnisse der Opel-Beschäftigten. Die seit Mai 2012 eigentlich fälligen 4,3 Prozent Lohnerhöhung waren von der IG Metall bisher gestundet worden – nun will der Konzern dieses Geld dauerhaft einbehalten. Außerdem verlangen die Unternehmer weitere Flexibilisierungen.

Natürlich sieht die Lage bei Daimler anders aus. Aber wir sollten uns daran erinnern, dass es auch mal eine Zeit gab, da galten die Arbeitsplätze bei Opel als sicher. Schließlich handelt es sich um eine Traditionsfirma mit einem großen Namen. Früher hieß es auch mal: Bochum ist Opel, Opel ist Bochum. Das hat sich komplett geändert.

Am 24. Januar war in der „Frankfurter Allgmeinen Zeitung“ zu lesen: „Die Absatzflaute in Europa hängt nicht nur an der Konjunktur. Strukturelle Veränderungen drücken die Nachfrage. Der Automarkt bleibt auf Jahre hinaus schwach. Es gibt zu viele Fabriken.“ Das zeigt: In den nächsten Jahren kann es auch andere treffen. Opel geht uns alle an!

Das einzige, was Arbeitsplätze retten kann, ist der Kampf um Arbeitsplätze

Der Kollege Berthold Huber hatte Recht, als er im Dezember sagte: „Wenn Opel dort jetzt ersatzlos alle Produktionsarbeitsplätze abbauen will, ist das eine offene Kampfansage an uns.“ Ein Teil der Belegschaft hat bereits signalisiert, dass er nicht kampflos klein bei geben will: So legten einige hundert Beschäftigte der Fertig- und Endmontage am Tag nach dem Schließungsbeschluss für anderthalb Stunden die Arbeit nieder.

Was uns allerdings irritiert hat, das waren die Aufrufe der Betriebsrats- und IG-Metall-Spitzen im letzten Monat nach „Besonnenheit“. Der Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel meinte auf der Pressekonferenz am 10. Dezember sogar, vor „blindem Aktionismus“ warnen zu müssen. Mit solchen Aussagen wird nicht mobilisiert, sondern demobilisiert und sogar demoralisiert.

Jetzt wird von der Arbeitgeberseite noch eins draufgesetzt. Trotzdem schließt der BR-Vorsitzende Einenkel einen Streik zum jetzigen Zeitpunkt aus. – Sieht die Belegschaft das genauso?

Natürlich dürfen wir uns nichts vormachen. Ein Arbeitskampf würde nicht einfach werden. Die Beschäftigten in Bochum bräuchten einen langen Atem. Anders als 2004 ist die Komponentenfertigung für die anderen GM-Werke größtenteils abgezogen, so dass man heute nicht so einfach die gesamte Produktion von GM in Europa lahmlegen kann. Aber: Ohne Widerstand kann man keinen Druck erzeugen. Das mussten auch die Opelaner in Antwerpen vor zwei Jahren erfahren, die von ihrer Gewerkschaftsführung solange vertröstet wurden, bis keine wirksame Gegenwehr mehr möglich schien.

Unsere Gewerkschaft muss den ganzen Apparat mobil machen

Opel Bochum zeigt, dass ein grundlegender Kurswechsel nötig ist. Im Sommer schwärmte der Betriebsratsvorsitzende am Stammsitz Rüsselsheim, Wolfgang Schäfer-Klug, noch, Thomas Sedran stehe für „New Opel“, für „die stärkste Führung seit Langem“. In den Ohren der betroffenen Kolleginnen und Kollegen muss das wie Hohn klingen.

Während des Streiks 2004 gab es bei Opel in Bochum noch 9.600 Stellen, heute – nach unzähligen Verzichtsprogrammen – sind es keine 6.000 mehr. Sogar jetzt noch wird Verzicht geübt, so wurde auf Teile des Weihnachtsgeldes verzichtet. Verzicht rettet aber keine Arbeitsplätze.

Vielmehr muss die Belegschaft dabei unterstützt werden, die Arbeit nieder zu legen und eine breite Solidaritätskampagne in der ganzen Region, an allen Opel-Standorten und in der gesamten Branche durchzuführen. Im Fall eines Arbeitskampfes könnte die IG Metall dabei helfen, Delegationen in andere Werke zu schicken, um Solidarität einzufordern. Am Bochumer Standort und in der Region sollten Versammlungen und Veranstaltungen auf die Beine gestellt werden. Bei anderen Betrieben, in Schulen und in Stadtteilen könnte über den Arbeitskampf informiert, Spenden gesammelt und für aktive Unterstützung geworben werden. Eine Großdemonstration würde eine enorme Ermutigung für die Belegschaft bedeuten.

Damit die Beschäftigten der einzelnen Betriebe nicht allein im Regen stehen, wurden früher einmal Gewerkschaften gegründet. Und mit der IG Metall, die 2,3 Millionen Mitglieder hat, wurde ein starker Apparat aufgebaut – der jetzt gebraucht wird, um das Ruder rumzureißen.

Opel Bochum ist eine Warnung – jetzt eine Widerstandskonferenz in der Autobranche organisieren!

Opel Bochum ist ein Warnsignal für alle Beschäftigten in der Autoindustrie. Im letzten halben Jahr wurde europaweit schon der Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen angekündigt. Und mit der Kürzungspolitik der Regierenden in der EU werden Absatzrückgang und Stellenstreichungen noch zunehmen.

Darum ist die IG Metall gefordert, ein Kampfprogramm auszuarbeiten. Was wir brauchen, ist eine gemeinsame Strategie für Gegenwehr. Am Besten, die IG Metall organisiert in diesem Frühjahr eine offene Widerstandskonferenz von Vertrauensleuten der verschiedenen Autowerke in Deutschland und Europa mit internationaler Beteiligung.

Eine solche Konferenz könnte die Richtung weisen: Gegen die Spirale nach unten! Für den Erhalt aller Arbeitsplätze und Werke! Für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn statt Massenetlassungen!