Neuer Tarifkonflikt an der Charité

Interview mit Dana L. von der ver.di-Betriebsgruppe am Berliner Uniklinikum. Mit ihr sprach Lucy Redler

An der Charité hat ver.di am 17. September den Arbeitgeber zu Tarifverhandlungen für Mindestbesetzung und Gesundheitsförderung aufgefordert. Was fordert ihr genau?

Wir fordern eine Besetzung in den Bereichen und Stationen, die gute und gesunde Arbeit ermöglicht. Dazu sollen definierte Personal-Patientenschlüssel für die bettenführenden Bereiche verhandelt werden. Wir fordern beispielsweise die Umsetzung von internationalen Standards in der Intensivversorgung. Das bedeutet: Eine Pflegekraft ist höchstens für zwei Patienten zuständig, in speziellen Fällen sogar nur für einen. Im Moment sind durchschnittlich drei Patienten die Regel.

Die Mindestbesetzung ist ein Teil der Gesundheitsförderung, aber natürlich ist das nicht ausreichend. Ausgerechnet in den Gesundheitseinrichtungen wird sehr wenig in das betriebliche Gesundheitsförderungsmanagement investiert. So auch bei uns. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Risiko frühzeitig zu sterben bei Schichtarbeiterinnen und Schichtarbeitern steigt, aufgrund von schichtdienstbedingten Erkrankungen wie Herz-Gefäßleiden oder Diabetes. Deswegen fordern wir unter anderem gesundheitsfördernde Ausgleiche und Regelungen von Nacht- und Bereitschaftsdiensten und anderen Belastungen. Wichtig sind uns auch Regelungen gegen das Demografieproblem in der Pflege, denn die Zahl der Mitarbeiter über 50 steigt dramatisch. Ich kann mir auch kaum vorstellen, diese Arbeit unter den aktuellen Bedingungen bis 67 zu machen.

Ihr seid also bundesweit Vorreiter für einen Tarifvertrag, der dies regelt. Was passiert, wenn der Arbeitgeber nicht auf Eure Forderungen reagiert?

Das „ultima ratio“ ist natürlich der Arbeitskampf. Viel wichtiger im Moment sind uns die intensive Öffentlichkeitsarbeit sowie die Unterstützung von verschiedenen Organisationen/ Parteien, um auf diesem Weg erst einmal Druck zu erzeugen.

Streik in einem Krankenhaus – geht das überhaupt?

 Na, dass Streik in einem Krankenhaus geht, haben wir ja letztes Jahr bewiesen. Da waren aufgrund unserer Arbeitsniederlegung 50 Prozent der Betten frei, ohne dass jemand zu Schaden kam. Hauptsächlich lief das über Bettensperrungen und Stationsschließungen und die Anzahl der OPs wurde runtergefahren. Dazu gab es eine Notdienstvereinbarung.

Die Kolleginnen und Kollegen haben sehr vernünftig und sehr verantwortungsvoll gestreikt. Es war sogar so, dass die Kollegen sich nach der Hälfte der Dienstzeit ablösten, damit jeder mal streiken konnte. Das war eine neue Erfahrung für uns Pflegende. Ich war unglaublich stolz damals.

Wie bereitet ihr Euch auf die Auseinandersetzung nun vor? Wie ist die Stimmung bei den Kollegen?

Im Moment hat die Aufklärung der Kolleginnen und Kollegen oberste Priorität. Wir haben unsere ver.di-Betriebsgruppenzeitung reaktiviert und verteilen die in den Bereichen. Das gibt uns die Möglichkeit, mit unseren Kollegen persönlich zu sprechen. So bekommt man gleich ein Stimmungsbild.

Die Stimmung ist so, dass die Kolleg-Innen unbedingt Veränderung wollen und dass das, was wir da fordern, längst überfällig ist. Inwieweit die Kolleginnen und Kollegen auch streikbereit sind, darüber kann ich nur spekulieren. Wenn ich an 2011 denke, hätte ich niemals gedacht, dass so viele auf die Straße gehen. Genauso wird es vermutlich wieder kommen. Der Ärger jetzt wirkt auf mich größer als letztes Jahr, als es um mehr Lohn ging. Die Arbeitsbedingungen sind nicht besser geworden, eher schlechter. Das nun „teurere“ Personal wird, persönlich spürbar, durch Personaleinsparungen kompensiert.

 

Am Montag, den 2. Mai 2011 begann ein Vollstreik, der bis Freitag dauerte und zur Absage von 90 Prozent aller Operationen führte. Die 2.000 Streikenden konnten allein über die seit 1. Juli 2011 zusätzlich gezahlten 150 Euro für die meisten ein Gehaltsplus von fünf bis sieben Prozent durchsetzen. Bis 2014 werden die Einkommen fast aller Entgeltgruppen an das Bundesniveau angeglichen. Allerdings bedeutet unter anderem die lange Laufzeit des Tarifvertrags – bis 2016 – einen Wermutstropfen.

 

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