China: Aufstand von 2000 ArbeiterInnen in Foxconn-Fabrik

Foto: flickr.com/greenpeace_switzerland CC BY-NC-ND 2.0

Dieser Artikel erschien in englischer Sprache am 26. September 2012 auf chinaworker.info

ReporterInnen von chinaworker.info

Löhne machen nur 2-5% des Verkaufspreis eines iPhones aus, während 57% als Profit an Apple gehen. Diese Zahlen sind wichtig, um die jüngsten Auseinandersetzungen bei Foxconn zu verstehen, einem großen Hersteller von Apple-Produkten wie dem neuen iPhone 5.

Werkschutzleute werden beschuldigt, die Massenschlägerei in der riesigen Foxconn-Fabrik in der Provinz Shanxi in Nordchina am letzten Wochenende verursacht zu haben. Sie liefert ein weiteres Beispiel für die explosiven Spannungen, die sich unter extrem ausgebeuteten chinesischen ArbeiterInnen in riesigen gefängnisähnlichen Sweatshops wie denen von Foxconn bilden.

Bis zu 2000 ArbeiterInnen waren Berichten zufolge am Höhepunkt der Unruhen beteiligt. 40 Menschen wurden in Krankenhäuser eingeliefert, während die gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Nacht von Sonntag auf Montag mehrere Stunden lang andauerten. Laut den Nachrichten wurden 5000 PolizistInnen zur Fabrik gerufen, um die Ordnung wiederherzustellen. Xinhua [die staatliche Nachrichtenagentur] berichtet, dass drei der Verletzten in Lebensgefahr schweben. In einigen ausländischen Medien war sogar von Todesfällen die Rede, die von Foxconn allerdings dementiert wurden.

Skandalumwittert

Die Foxconn Technology Group ist ein bedeutender Hersteller von Markenelektronik, darunter Apples iPhone aber auch Produkte für Dell, Sony, Nokia und Microsoft. Das taiwanesische Unternehmen ist der größte Exporteur Chinas, beschäftigt 1,1 Millionen ArbeiterInnen im Land und ist für arbeitsrechtliche Verstöße, mangelnde Sicherheitsvorkehrungen und brutale, militärische Managementmethoden bekannt.

Foxconn ist seit langem skandalumwittert, insbesondere seit einer Suizidwelle unter ArbeiterInnen in der riesigen Fabrik in Shenzhen 2010 über die weltweit berichtet wurde. Seitdem hat der Konzern große Teile der Produktion in Provinzen im Landesinneren wie Shanxi, Sichuan und Henan verlegt, wo die Löhne niedriger sind und die örtlichen Behörden Foxconn hofieren. Aber es haben sich neue Skandale entwickelt, etwa um die Zwangsverpflichtung von Studierenden zur Arbeit in Foxconn-Fabriken als „PraktikantInnen“. Im Juni führte ein Streik in einer Foxconn-Fabrik zur Entlassung aller beteiligten ArbeiterInnen.

In der Foxconn-Fabrik in Taiyuan in der Provinz Shanxi arbeiten 79000 Menschen. ArbeiterInnen erklärten Nachrichtenagenturen, dass der Aufstand mit einer Schlägerei zwischen einigen Werkschutzleuten und ArbeiterInnen begann. Die Werkschutzleute des Konzerns sind ehemalige Militärangehörige und für strenges und aggressives Verhalten gegenüber den FließbandarbeiterInnen berüchtigt. Die Eskalation der Wut am Wochenende ist daher keine Überraschung. Viele KommentatorInnen erwarten weitere Auseinandersetzungen in Foxconn-Fabriken und ähnlichen Sweatshops in China.

„Solche Ausschreitungen sind in gewisser Weise unvermeidlich geworden“, sagt der Arbeitsrechtler Liu Kaiming aus Shenzhen. „Es geht nicht mehr nur um Lohnerhöhungen.“ Ein Bericht verschiedener chinesischer und taiwanesischer Universitäten, der im Oktober letzten Jahres veröffentlicht wurde zeigt dass fast 28% der Foxconn-ArbeiterInnen von Vorgesetzten oder Werkschutzleuten beleidigt wurden und dass 16% physische Gewalt erlebt haben. „ArbeiterInnen ist es verboten zu sprechen, zu lächeln, sich hinzusetzen, herumzulaufen und sich während ihrer langen Arbeitsstunden unnötig zu bewegen. Jeden Tag müssen sie 20000 Produkte fertigstellen.“ heißt es in dem Bericht.

Die aufgestaute Wut der ArbeiterInnen in Taiyuan über diese routinemäßigen Misshandlungen explodierte am Sonntagabend. Ein eher nebensächlicher Streit zwischen Wachleuten und ArbeiterInnen, die in ihre Schlafräume zurückkehrten scheint die Auseinandersetzung ausgelöst zu haben, die sich bald verbreiterte. ArbeiterInnen griffen Polizeiautos, Metalltore und Schaufenster von Läden auf dem Fabriksgelände an. Microblog-Mitteilungen erklärten: „Wachleute haben ArbeiterInnen angegriffen, das hat die Schlägerei ausgelöst“”

Angriffe auf Wachleute

Ein Arbeiter erzählte der South China Morning Post: „Tausende wütende ArbeiterInnen durchsuchten und verprügelten jeden Wachmann, den sie finden konnten.“ In einem Xinhua-Bericht wurde behauptet, dass regionale Rivalitäten zwischen ArbeiterInnen aus den Provinzen Shandong und Henan bei der Schlägerei eine Rolle gespielt haben könnten. Wegen der Markteinführung des iPhone 5 wurden ArbeiterInnen aus einigen anderen Foxconn-Fabriken nach Taiyuan versetzt. Insbesondere weil es keine echten Gewerkschaften gibt (sie sind in China verboten) können regionale Konflikte am Arbeitsplatz zu einem ernsthaften Problem werden. Aber es ist auch möglich, dass der Xinhua-Bericht nicht der Wahrheit entspricht und die staatlichen Medien versuchen, die Verantwortung von Foxconn und seinen harten Ausbeutungsmethoden abzulenken.

Die meisten ArbeiterInnen bei Foxconn und in der gesamten Industrie sind WanderarbeiterInnen mit befristeten Verträgen. Das Management trennt sie nach ihren Heimatprovinzen und ArbeiterInnen sind oft gezwungen, sich mit KollegInnen aus der gleichen Provinz zusammenzuschließen um sich gegen Missstände zu wehren. Das Fehlen von Gewerkschaften und die Repression gegen ArbeiterInnen, die versuchen sich zu organisieren führt dazu, dass es keine organisierte Kraft gibt, die ArbeiterInnen auf Klassenbasis vereinen könnte.

Unter Hochdruck

Die Massenunruhen bei Foxconn sind symptomatisch für größere Spannungen in China und insbesondere in der Industrie. Die massive Spaltung in Arm und Reich und eine starke Verlangsamung des Wirtschaftswachstums führen zu massiven Druck und Spannungen. Der Aufstand in Taiyuan fand nur wenige Wochen vor dem geplanten Wechsel der obersten Parteiführung der „kommunistischen“ Diktatur statt. Ähnliches wie am Sonntag bei Foxconn könnte sich in der kommenden Periode in ganz China ereignen. Das trägt zu den Problemen des Einparteienregimes bei, das in sich stärker von Fraktionskämpfen gespalten ist als irgendwann in den letzten beiden Jahrzehnten.

Im „China Beige Book“, einer von einem regierungsnahmen Think Tank verfassten Studie zur Wirtschaftsentwicklung, wird berichtet dass jedes fünfte befragte Unternehmen Personal abbaue, im vorherigen Quartal lag der Anteil nur bei 13%. Laut der Studie gab es in 5% der befragten Unternehmen Streiks. Viele Streiks in diesem Jahr hängen mit dem verlangsamten Wirtschaftswachstum zusammen. ArbeiterInnen fordern die Auszahlung ihrer Löhne von bankrotten Firmen oder verlangen Entschädigungen wenn Fabriken von der Küste ins Landesinnere verlegt werden, wo die Löhne billiger sind.

iPhone 5

“Wegen der Markteinführung des iPhone 5 steigt die Arbeitsbelastung für die Beschäftigten [bei Foxconn] plötzlich an“, berichtete die Gruppe „Studierende und Lehrende gegen das Fehlverhalten von Unternehmen“ Anfang September. Ein Zusammenhang zwischen dem Aufstand in Taiyuan und der Einführung des iPhone 5 ist daher wahrscheinlich. SACOM berichtet von verbreiteten Verstößen in Foxconn-Fabriken, die weiter bestehen obwohl Apple und andere Kunden behaupten, die Probleme abgestellt zu haben. Dazu gehören extrem viele Überstunden – deutlich mehr als in China gesetzlich erlaubt – die zum Teil nicht bezahlt werden und Kontakt mit Giftstoffen. In Foxconn-Fabriken sind drei Überstunden pro Arbeitstag üblich. Die Arbeit ist wegen ihrer Komplexität und schneller technischer Veränderungen durch immer neue Modelle und Bauteile sehr fordernd. Laut dem SACOM-Bericht hatten einige in der Foxconn-Fabrik in Zhengzhou befragte ArbeiterInnen seit 30 Tagen keinen freien Tag!

Auch das Problem der Zwangsarbeit besteht weiterhin. Die Zeitung Shanghai Daily berichtete kürzlich: „Tausende Studierende in einer ostchinesischen Stadt werden gezwungen, bei Foxconn zu arbeiten nach dem zu Beginn des neuen Semesters die Lehrveranstaltungen ausgesetzt wurden.“ Die Studierenden würden „in die Fabrik getrieben… weil das Werk nicht genug ArbeiterInnen für die Produktion des lang erwarteten iPhone 5 finden konnte.“

Kein Sweatshop?

Foxconn verkörpert den globalisierten Kapitalismus, in dem globale Konzerne ihre Produktion an Sweatshops ohne Gewerkschaften auslagern und dann ihre Verantwortung für die unvermeidlichen harten Ausbeutungsmethoden leugnen. Dieses Modell und die militarisierten Produktionsmethoden von Foxconn haben Apple dabei geholfen, die teuerste Firma in der Geschichte des Aktienhandels zu werden. Im letzten Monat erreichte die Firma eine „Marktkapitalisierung“ (Gesamtwert ihrer Aktien) von über 620 Milliarden Dollar. Der frühere Apple-Chef Steve Jobs sagte nach den Suizid-Skandalen über Foxconn: „Es ist kein Sweatshop. Man geht da rein und es ist eine Fabrik, aber mein Gott, sie haben Restaurants und Kinos und Krankenhäuser und Schwimmbäder. Für eine Fabrik ist es ziemlich nett.“

Diese rosige Perspektive steht im krassen Widerspruch zur Sicht von Wang Zhiqian, einem Personalbeschaffer von Foxconn. „Es ist definitiv kein glücklicher Ort“, sagte er der Washington Post (26. September 2012). „Es ist nicht wegen dem Geld… es gibt ein Managementproblem. Es ist schlimm. Die Wachleute missbrauchen oft ihre Macht über die ArbeiterInnen. Wir [Foxconn] bekommen jetzt viel weniger ArbeiterInnen als 2010. Die Leute würden lieber in einem Hotel oder anderswo arbeiten. In diesen Gebieten gibt es keinen Mangel an ArbeiterInnen – das Problem ist geistige Leere.“

Die Schlägerei in der Foxconn-Fabrik in Taiyuan, wenige Wochen nach dem Start des iPhone 5, demonstriert die Brutalität des modernen Kapitalismus und wie ArbeiterInnen für die Superprofite großer Konzerne ausgebeutet werden.

chinaworker.info fordert seit langem unabhängige und demokratische Gewerkschaften, die die Interessen der ArbeiterInnen vertreten.

Wir lehnen jede polizeiliche Repression oder Vergeltungsmaßnahmen des Unternehmens gegen ArbeiterInnen ab, die verdächtigt werden an dem Aufstand in Taiyuan beteiligt gewesen zu sein – für eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse durch gewählte VertreterInnen der Foxconn-Belegschaft und der internationalen Gewerkschaftsbewegung.

Der Sicherheitsapparat von Foxconn sollte aufgelöst werden, für die Sicherheit sollten stattdessen gewöhnliche ArbeiterInnen sorgen, die auf Rotationsbasis gewählt werden.

SozialistInnen und die Website chinaworker.info fordern die Überführung von Foxconn und den globalen Technologieriesen die Foxconn beliefert (in Wahrheit sind sie Glieder einer riesigen Produktionskette) in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Arbeiterklasse. Diese Forderung, die es ermöglichen würde die heutigen inhumanen Produktionsmethoden abzuschaffen und für gute Löhne und Arbeitsbedingungen zu sorgen muss in China, Taiwan und international erhoben werden, als Teil eines breiteren Kampfes für Arbeiterrechte und Sozialismus.