Griechland: Erklärung von Xekinima zu den Wahlen!

Ein politisches Erdbeben! Das Memorandum ist am Ende! SYRIZA bricht die Macht von Pasok und Nea Dimokratia!

sozialismus.info veröffentlicht hier die Stellungnahme der griechischen Schwesterorganisation der SAV zu den Wahlen in Griechenland mit einer erklärenden Einführung vom Übersetzer.

Bei den griechischen Parlamentswahlen am 6. Mai 2012 konnten sieben Parteien die Dreiprozenthürde überspringen und ins Parlament einziehen. Bei den letzten Wahlen haben das nur fünf Kleinparteien geschafft.

Bis zu dieser Wahl war die griechische Politik von zwei großen Establishmentparteien geprägt, der konservativen „Neue Demokratie“ (ND) und der sozialdemokratischen PASOK. Die beiden Troika-nahen Parteien haben stark verloren und erreichen zusammen auch keine absolute Mehrheit mehr. Die ND hat zwar nach wie vor mit 18,85% die meisten Stimmen erhalten. Eine demokratiefeindliche Eigenheit des griechischen Wahlsystems bescherte ihr einen weiteren Vorsprung: In Griechenland werden nämlich der stimmenstärksten Partei 50 zusätzliche Sitze zugesprochen. Mit 16,78% und 52 Sitzen folgt der ND das Linksbündnis SYRIZA („Bündnis der Radikalen Linken“, bestehend aus der Linkspartei SYNASPISMOS (SYN) und mehreren Organisationen der radikalen Linken). Die sozialdemokratische PASOK wurde nur mit 13,18% zur drittstärksten Kraft im Parlament gewählt.

Die Rechtspopulisten von ANEL, „Unabhängige Griechen“, eine kürzliche Rechtsabspaltung von der ND landete auf dem vierten Platz mit 10,68% und 33 Sitzen. Gleich danach liegt jedoch mit stalinistisch ausgerichtete KKE („Kommunistische Partei Griechenlands“) mit 8,48 % und 26 Sitzen. „Chrysi Avgi“, eine rechtsextreme Organisation, die sich übersetzt „Goldene Morgenröte“ nennt, erlangte 21 Sitze mit 6,97% der Stimmen. Die Rechtsabspaltung von SYN, namens DIMAR, „Demokratische Linke“, kommt auf 19 Parlamentssitze und 6,11%.

Aus dem Parlament wieder rausgeflogen ist die rechtspopulistisch-ausländerfeindliche Partei LAOS („Volksorthodoxer Alarm“).

Das griechische Volk hat gesprochen, mit einer so lautstarken Stimme, dass es die Troika (das sind EU-Kommission, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfond (IWF), Anm. d. Übers.), die herrschende Klasse in Griechenland und Europa und deren Parteien erschreckt hat.

Die drei linken Parteien erreichen aber dennoch keine Mehrheit. Noch herrscht große Uneinigkeit. Die KKE lehnt prinzipiell jede Zusammenarbeit ab. Die ANEL, „Chrysi Avgi“ und die DIMAR positionieren sich zwar gegen das Spardiktat, letztere will aber internationalen Verträge der früheren Regierungen einhalten, die genauso Einsparungen bedeuten.

Erklärung von „Xekinima“, der Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland, vom 7.5.2012.

Zwei von drei griechischen Wählern haben „Nein“ gesagt zum Memorandum (in dem es um Verträge der ehemaligen Regierungen mit der Troika, die die Sparpolitik festschreiben, Anm. d. Übers.).

Zum ersten Mal seit dem Ende der Diktatur in Griechenland 1974, ist weder PASOK noch ND an der Macht. Seit den letzten Parlamentswahlen 2009 hat die PASOK sogar 72,6% verloren, was einen Verlust von 2,19 Mio Stimmen bedeutet. Griechenland hatte jetzt 9,96 Mio. Wahlberechtigte. Die ND entsprechend hat fast die Hälfte ihrer Stärke und über 1 Mio. Stimmen verloren! SYRIZA ist von 4,6 auf 16,78 % hochgeschnellt und hat über 700.000 neue Stimmen bekommen (von 315.000 2009 auf über 1 Mio. heute)!

Eine politische Szenerie, die seit fast vier Jahrzehnten im Lande herrscht, bricht zusammen. Das griechische Volk hat gezeigt, dass es Widerstand leisten und auf den Terror, die Drohungen durch Kräfte im In- oder Ausland antworten kann. Die Massenkämpfe der letzten beiden Jahre, der harte Widerstand der griechischen Arbeitnehmer hat sich im Ausgang der Wahlen widergespiegelt. Dieses Ergebnis kann der Bewegung und den Kämpfen einen neuen Anstoß geben. Die Regierungsbildung stellt die gewählten Parteien vor eine große Herausforderung. Diese Instabilität bedeutet keine guten Vorzeichen für das Memorandum.

Eine „Regierung“ durch Wahlfälschung?

Dennoch werden die Troika und die herrschende Klasse weiterhin versuchen, die Regierungsverantwortung zu übernehmen. Das griechische Wahlgesetz, das der stärksten Partei 50 zusätzliche Sitze, zu denen sie nie gewählt wurde, gibt, ist ihnen dabei behilflich. Die Demokratie war nie seit ihrer Einführung (1974 nach dem Sturz der Militärdiktatur, Anm. d. Übers.) mehr verlogen, betrügerischer und heuchlerischer.

Trotz dieser Wahlverfälschung verfügen ND und PASOK nicht über die notwendige Mehrheit von 151 Parlamentariern (sie haben 108 und 41, insgesamt also 149). (Die ND hat allein durch die Wähler nur 58 Sitze gewonnen. Auf 108 kommt sie nur durch die den Volkswillen verfälschenden zusätzlichen 50 Sitze für die stärkste Partei, Anm. d. Übers.). Deshalb hat das „Kochen“ zur Bildung einer Regierung der „nationalen Einheit“ mit dem angeblichen Ziel der Neuverhandlung des Memorandums begonnen.

Die Antwort der Bewegung kann nur eine sein: Wenn sie versuchen, eine Regierung der sogenannten „nationalen Einheit“ zu bilden, müssen wir sie durch unsere Kämpfe stürzen! Die Antwort auf die Samaras´se (Antonis Samaras ist der Vorsitzende der ND, Anm. d. Übers.), die Venizelos´se (Eleftherios Venizelos ist der PASOK-Vorsitzende, Anm. d. Übers.) & Co muss sein: Streiks, Besetzungen an den Arbeitsstätten, auf den Plätzen, an Universitäten und Schulen, bis zum Sturz der Regierung.

SYRIZA – die eigentlichen Gewinner der Wahl

Der große Sieger der Wahlen ist SYRIZA. Dies ist ein großer Erfolg für alle sozialen Bewegungen und allgemein für die Linke, doch auch insbesondere für eine Reihe politischer Positionen, die SYRIZA vorgebracht hat. Die zahlreichen Stimmen für SYRIZA bedeuten ein „Nein“ zum Memorandum, Einheitspolitik und die Zusammenarbeit und eine klare Unterstützung der Linken. (SYRIZA wendet sich mit dem Vorschlag der Bildung einer Regierung der Linken offensiv sowohl an die KKE als auch an die DIMAR, Anm. d. Übers.)

Die Gefahr des Faschismus kehrt zurück

Doch eine große und sehr ernsthafte Gefahr stellt der Aufstieg der neonazistischen Organisation „Chrysi Avgi“ („Goldene Morgenröte“) vom Rand zur sechststärksten Partei dar. (Sie ist von 19.600 Stimmen und 0,29 % 2009 auf 440.800 Stimmen und 6,97 % hochgekommen, Anm. d. Übers.) Die 440.000 Leute, die sie gewählt haben, sind keine Neonazis und sondern Protestwähler, die von ND und LAOS enttäuscht sind. Doch „Chrysi Avgi“ wird versuchen, dieses Ergebnis zu nutzen, um ihre tatsächlichen Kräfte zu stärken. Diese Perspektive ist eine gewaltige Gefahr für die gesamte Arbeiter- und Volksbewegung und unsere demokratischen Rechte.

Die Linke muss Gefahr des Faschismus ernst nehmen und sich dem gemeinsamen Kampf gegen den aufsteigenden Neofaschismus widmen. Dies ist ein weiterer Faktor für die gemeinsame Aktion und Zusammenarbeit der Linken.

Kampf für eine alternative Gesellschaft

Das griechische Volk hat SYRIZA gewählt, um die aktuelle, politische Szenerie umzustürzen. SYRIZA ist die Kraft in der Regierung, die sich als einzige wirklich für eine alternative Wirtschafts- und Sozialpolitik, d.h. für den Kampf für eine alternative Gesellschaft, einsetzen wird. Dieser Kampf muss völlig bewusst geführt werden, mit klaren Zielen, offen für alle, die jetzt die Systemfrage stellen.

Heute beginnt in Wirklichkeit die historische Verantwortung von SYRIZA. Auf die Krise gibt es nur eine Antwort: eine mutige, sozialistische Politik.

Die Bildung einer linken Regierung in der kommenden Periode ist durchaus denkbar. Insbesondere, wenn ND und PASOK damit scheitern, eine Regierung der „nationalen Einheit“ zu bilden und es zu Neuwahlen kommt. In diesem Falle wird die Reaktion des Kapitals in Griechenland und Europa gewaltig sein – der Ausschluss Griechenlands aus dem Euro wäre damit klar. Gleichzeitig werden sie versuchen, das wirtschaftliche System zu zerstören und auf jede Weise die Regierung zu stürzen.

Unter diesen Umständen wird es zwei Wege geben: Entweder der Sturz der Macht des Kapitals oder der Kompromiss und der Ausverkauf der Bewegung.

Im Rahmen des Kapitalismus gibt es für diese Krise keine Lösung. Wir dürfen nicht vergessen, dass auch die PASOK vor 31 Jahren eine „linke“ Regierung gebildet hat. Ihre Weigerung jedoch, die Macht des Kapitals zu stürzen, hat zur heutigen PASOK des Memorandums geführt.

Die herrschende Klasse spricht, in Panik versetzt, von einer riesigen politischen Krise! Die Troika sieht mit Schrecken die Ergebnisse ihrer „Arbeit“! Diese Krise ist lediglich die eine logische Antwort der griechischen Bevölkerung! Die griechische Arbeiterbewegung hat gesagt: Raus mit der Troika, nieder mit ihren Funktionären, Sturz des Zweiparteiensystems, Kampf für einen linken Ausweg aus der Krise! Das bedeutet Kampf für eine alternative, sozialistische Gesellschaft. Alles Andere wird ein Aufgeben der Prinzipien und der Proklamationen der Linken bedeuten.

Übersetzung aus dem Neugriechischen von Hubert Schönthaler