Bürgerentscheid über Dresdens Krankenhäuser erzwungen

Eine Koalition aus CDU, FDP, Bündnisgrünen und der Bürgerfraktion plant aus den beiden Krankenhäusern Dresden-Neustadt und Dresden Friedrichstadt eine GmbH zu machen. SAV Dresden hat Erfolge beim Kampf gegen diese Pläne


 

Es ist nur ein Beispiel für den seit Jahren vor sich gehenden sozialen Kahlschlag, nur ein Beispiel für den Kahlschlag im Gesundheitswesen, der für Beschäftigte und PatientInnen unannehmbar geworden ist. In Deutschland wurden in den letzten Jahren derart vielen Krankenhäuser privatisiert, dass es inzwischen mit 27 Prozent privaten Kliniken in Europa hinter Frankreich auf Platz 2 steht. Allein in Sachsen wurden seit 1990 30 Krankenhäuser geschlossen. Zuzahlungen steigen, Krankenkassenbeiträge ebenfalls, nur die Leistungen sinken. Die Beschäftigten arbeiten unter immer schlechteren Bedingungen. Dieser Sozialabbau zu Gunsten der Großkonzerne hat alle Dämme gebrochen. Da mag es fast anachronistisch wirken für den Erhalt der städtischen Eigenbetriebe Krankenhaus Dresden-Neustadt und –Friedrichstadt und damit gegen weitere Verschlechterungen zu kämpfen.

Fatale Folgen

Eine Zusammenlegung der beiden Krankenhäuser zu einer GmbH hätte selbst dann schon fatale Folgen, wenn sich diese GmbH zunächst noch komplett – wie angekündigt – in der Hand der Stadt Dresden befinden würde. Denn schon eine solche gemeinnützige GmbH wäre eine Kapitalgesellschaft, die Profit erwirtschaften soll, also der Behandlung teurer Krankheiten und nicht der Regelversorgung den Vorzug geben würde. Sie würde versuchen Kosten zu senken, also Stellen abbauen und Stationen schließen, somit das medizinische Angebot ausdünnen und die Versorgung verschlechtern.

Die Beschäftigten ihrerseits hätten mit Stellenabbau, also Arbeitsverdichtung und Gehaltsverlusten zu kämpfen (die CDU verlangt den Tarifvertrag zur Zukunftssicherung, was bis zu 6 Prozent Lohnverlust bedeutet und plant nach Ablauf einer Frist den Austritt aus dem kommunalen Arbeitgeberverband und so den Verlust des Tarifs). Zudem würde, anders als im städtischen Eigenbetrieb, der Verkauf an einen privaten Investor und so weitere Verschlechterungen.

Die Kosten für die Gründung der (g)GmbH sollen nach dem Willen der CDU die Beschäftigten tragen, die GmbH soll ein Tendenzbetrieb werden, in dem die Rechte der Beschäftigten stark eingeschränkt sein würden.

Die Begründung für diese „Rechtsformänderung“ ist die übliche: Es sei kein Geld da, die Krankenhäuser schreiben rote Zahlen.

Die Wahrheit über roten Zahlen

Die beiden Krankenhäuser Dresden-Neustadt und Dresden-Friedrichstadt schreiben tatsächlich rote Zahlen, doch die Gründung einer (g)GmbH wird das kaum verändern. Der Grund für die schlechte finanzielle Situation ist der Sozialabbau der letzten Jahre: Seit der Einführung der Fallpauschalen (bezahlt werden Krankenhäuser nach Diagnose, nicht nach realen Behandlungskosten), den Gesundheitsreformen, dem Teilrückzug von Bund und Ländern aus der Krankenhausfinanzierung, dem Anstieg prekärer Beschäftigungsverhältnisse (was auch Verluste der Krankenkassen nach sich zieht) und dem Ausscheiden Besserverdienender aus der gesetzlichen Versicherung, ist es für Krankenhäuser im städtischen Eigenbetrieb so gut wie unmöglich geworden schwarze Zahlen zu schreiben. Hinzu kommt eine Dresdner Besonderheit: Bis 2007 haben die Krankenhäuser Neustadt und Friedrichstadt schwarze Zahlen geschrieben. Die Stadt entnahm ihnen jedes Jahr 1.000.000 Euro. Hätten die Häuser dieses Geld zurücklegen können, gäbe es bis heute kein Finanzierungsproblem der Krankenhäuser.

Bündnis für Krankenhäuser

Ganz unabhängig von der finanziellen Situation, wollten CDU und FDP in den letzten Jahren immer wieder die Rechtsformänderung. Schon einmal, 2007, waren es nicht zuletzt die Aktivitäten der Dresdner SAV-Ortsgruppe, die diese Pläne vereitelte. Damals initiierten Stadträte der Linkspartei.PDS ein Bürgerbegehren gegen diese Pläne. Die SAV Dresden gründete die Bürgerinitiative „Hände weg von unseren Krankenhäusern!“ und organisierte Aktionen und Kundgebungen – mit großem Erfolg: CDU und FDP nahmen Abstand von ihren Privatisierungsabsichten.

Immer wieder verlangte die SAV Dresden einen Zusammenschluss aller Gegner der Rechtsformänderung in einem Bündnis. Im September kam es endlich zustande: „Das Bündnis für Krankenhäuser!“ In diesem Bündnis sitzen DIE LINKE, die Gewerkschaft ver.di, die SAV, die SPD, die Personalräte der Häuser und die Bürgerinitiative.

Schwierige Zusammenarbeit

Dass die SPD Mitglied des Bündnisses ist, ist einigermaßen eigenartig. War es doch diese Partei, die durch ihre Politik und Bund und Ländern den Privatisierungsdruck auf städtische Eigenbetriebe erhöhte und somit die Situation der Dresdner Krankenhäuser mit verursacht hat. Den Großteil der praktischen Arbeit (Erstellung von Material, Vorbereitung von Veranstaltungen und Aktionen) trägt ein sehr kleiner Personenkreis, meist um die Sav und die Bürgerinitiative. So ist es auch unseren Aktivitäten zu verdanken, dass der Stadtrat – entgegen anderslautender Verlautbarungen – mit den Stimmen der LINKEN, der SPD und der Bündnisgrünen den Bürgerentscheid von 2007/08 am 03.11. anerkannt hat und so den Weg für einen Bürgerentscheid über den Erhalt der städtischen Eigenbetriebe Dresden-Neustadt und Dresden-Friedrichstadt am 29.01.2012 frei gemacht hat.

Doch wie der Volksentscheid über Stuttgart 21 gezeigt hat, ist ein Bürgerentscheid kein Garant für den Erhalt der städtischen Eigenbetriebe. Im Gegensatz zu den S21 GegnerInnen tut das Bündnis viel zu wenig, um das Thema im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern. Besonders DIE LINKE verhält sich passiv.

Die Situation wird noch dadurch erschwert, dass die Befürworter der Rechtsformänderung ständig davon sprechen, dass es sich nicht um eine Privatisierung der Häuser handle – was so nicht zutrifft, im besten Fall aber zu einfach ist. Hinzu kommen die problematischen Äußerungen der SPD, die sich auch eine Verschmelzung der beiden Eigenbetriebe und damit auch Stellenabbau, Mehrarbeit und eine Verschlechterung der Versorgung vorstellen könnte.

Tücken des Bürgerentscheids

Wenigstens 108.000 Ja-Stimmen benötigt das Bündnis zum Erhalt der beiden städtischen Eigenbetriebe. Dieses Quorum ist aberwitzig, bedenkt man, dass es bei einer Kommunalwahl nicht existiert. Würden 10 WählerInnen zur Kommunalwahl gehen, würde das ausreichen, um Geltung zu erlangen.

CDU und Bündnis 90/Die Grünen wollen eine „Nein-Kampagne“ durchführen. Sie werden wie bisher auf Spaltung setzen und den gerade protestierenden SchülerInnen erklären, sie könnten die Einsparungen bei den Schulen nur zurücknehmen, wenn sie nicht mehr die Krankenhäuser „am Hals“ haben würden.

Grüne Lügen

Die Grünen haben ihre ganz eigene Version der Rechtsformänderung. Trotz der dramatischen Erfahrungen mit ähnlichen Fällen in ganz Sachsen, trotz der Vorlage der CDU, stellen sie die Rechtsformänderung als attraktive Alternative dar. Der enorme Abbau, der auch in den beiden Häusern in den letzten Jahren stattgefunden hat, könne durch die gGmbH wett gemacht werden. Die Grünen behaupten, es würden dann endlich neue Leute eingestellt werden. Das wird, wenn überhaupt, dann nur im „Austausch“ für Hungerlöhne geschehen.

Was jetzt?

Die 108.000 Stimmen müssen erkämpft werden. Laut einer repräsentativen Umfrage der Technischen Universität Dresden im Auftrag der Tageszeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“, sind 56 Prozent der DresdnerInnen für den Erhalt der städtischen Eigenbetriebe. Das ist eine gute Ausgangslage. Aber die Befürworter der Rechtsformänderung werden nicht untätig verharren! Sie werden die Werbetrommel rühren und ihren Zugang zur Presse ausnutzen. Gerade deshalb müssen wir verstärkt um das „Ja“ zu den städtischen Eigenbetrieben werben. Dafür brauchen wir jede(n)! Wer uns unterstützen will, der kann sich unter eigenbetriebe.dresden@web.de melden. Weitere Infos zu Aktivitäten und den Folgen einer Rechtsformänderung, kann man unter eigenbetriebe.wordpress.com finden.