Spaniens Wahlen 2011 – Für eine Alternative zum verrotteten kapitalistischen Einheitsbrei!

Wie können ArbeiterInnen und Jugend eine Interessenvertretung bekommen?


 

Während einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise, steigender Unsicherheit und vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Kämpfe in den letzten Monaten, die sich in der massiven “Indignados"-Bewegung ausdrückte (15-M; ”Empörte”), hat die spanische Regierung der “sozialistischen" PSOE vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Sie werden am 22. November stattfinden. Sozialismus.info veröffentlicht einen Artikel zu den Wahlen von Socialismo Revolucionario, der spanischen Sektion des CWI.

R. Mac, Socialismo Revolucionario (CWI Spanien), Barcelona

Die schwere kapitalistische Wirtschaftskrise wird täglich schlimmer, an den internationalen Märkten herrscht Chaos und keiner weiß, wie die weitere Entwicklung sein wird. Wahrscheinlich ist aber eine weitere Verschärfung der Krise und sicher ist, dass wir die Rechnung bezahlen sollen. Der Kampf gegen diese verheerende Situation begann in Spanien mit der Bewegung 15-M, die weiterhin andauert und jetzt ausgebaut werden muss. Aber wie sollen ArbeiterInnen, die Jugend und Arbeitslose mit den kommenden Wahlen des 22. November umgehen?

Wir wissen, dass weder die PP [Konservative “Volkspartei”, AdÜ] noch die PSOE wirkliche Antworten haben – sie sind vielmehr die zwei Seiten der kapitalistischen Medaille. Die PSOE gibt sich als arbeiterfreundlich, aber ihre Politik der Kürzungsprogramme im Interesse der Märkte während der letzten Regierung wird nicht vergessen werden. Die PP würde die selbe Politik fortsetzen, nur noch rücksichtsloser und zusätzlich nationalistische, immigrationsfeindliche und rassistische Parolen einstreuen. Jede neue Regierung wird unmittelbar größere Probleme bekommen, weil ihre de facto sehr ähnlichen Antworten auf die Krise den Schlammassel unvermeidlich weiter verschärfen und die Konflikte zwischen den Klassen weiter anheizen werden.

Kürzungsprogramme, die Staatsschulden und die Arbeitslosigkeit werden die Hauptthemen dieses Wahlkampfes sein. Die Erfahrungen mit der gegenwärtigen Krise in Europa zeigen, dass Kürzungspolitik weder die Schuldenkrise löst, noch Arbeitsplätze oder Wirtschaftswachstum schafft. Unserer Ansicht nach ist die einzige dauerhafte Lösung für diese Krise eine Politik im Interesse der Beschäftigten, Jugendlichen und Arbeitslosen auf der Grundlage eines Programms zum Bruch mit der Diktatur der Märkte – der Wurzel der heutigen desaströsen Lage. Jede zukünftige fortschrittliche Reform, die gewonnen wird, kann nur durch Massenkämpfe erkämpft werden.

Für eine wirklich demokratische Alternative bei diesen Wahlen

Die parlamentarische Demokratie, die wir haben, ist darauf ausgelegt, die Interessen des Kapitalismus zu vertreten. Hinter jeder Ecke lauern Fallen und Mauern, die es ArbeiterInnen erschweren, die “demokratischen” Institutionen in unserem Interesse zu nutzen. Die letzte Änderung des Wahlgesetzes, die die Kandidatur kleinerer Parteien noch schwerer macht, ist dafür genauso ein Beispiel, wie das von PP und PSOE verabschiedete Gesetz einer Schuldenbremse, das einen brutalen Neoliberalismus in der spanischen Verfassung verankert.

Die “Acampadas” (Protestcamps auf zentralen Plätzen der Städte) und Versammlungen waren ein Ausdruck des Wunsches nach Gremien, in denen normale Leute jeden Tag die Möglichkeit haben, über ihre Angelegenheiten zu entscheiden, anstatt alle paar Jahre für jemandem zu stimmen, dem man sowieso nicht vertraut. Das ist die Ausgangsbasis für das was wir brauchen!

15-M ist eine neue und junge Bewegung mit unerahnten Möglichkeiten. Ihr Aufbau muss weiter gehen, insbesondere die Verbindung mit Kämpfen von ArbeiterInnen, Gewerkschaften und anderen sozialen Gruppen müssen weiter entwickelt werden. Wie kann die Bewegung die Wahlen nutzen und eine wirkliche Alternative zum Zwei-Parteien-System anbieten? 15-M hat zwar gezeigt, dass Entwicklungen auf der Straße wichtiger sein können als Wahlen, aber wir argumentieren trotzdem, dass letztere ein Forum bieten, dass genutzt werden muss, um die Anliegen der Bewegung in die öffentlichen Diskussionen einzubringen.

Izquierda Unida (IU – Vereinigte Linke) hat zu einer “großen Koalition” der Linken bei den Wahlen aufgerufen. Aber leider sind die letzten Koalitionen der IU vor allem Unterstützungen von kommunalen PSOE-Regierungen gewesen und es gab Koalitionen mit sogenannten “grünen” Parlamentariern, die ständig versuchen, Kompromisse mit dem Kapitalismus zu schließen. Wir unterstützen zwar Koalitionen linker antikapitalistischer Kräfte, aber nicht auf der Basis solcher Politik. Sie ist auch der Grund, warum viele die IU als Teil des politischen Establishments ansehen. Nur wenn sie ein stimmiges Programm eines Bruchs mit dem Kapitalismus annimmt und sich dafür auf die Kämpfe und Bewegungen wie 15-M stützt, kann sie sich in die notwendige Richtung entwickeln.

Das CWI – die internationale Organisation, dem SR und die SAV angehören – hat bewiesen, dass man hervorragende VertreterInnen in Parlamenten haben kann, die sich nicht kaufen lassen oder auf das falsche Spiel der kapitalistischen Parteien eingehen. Weltweit haben wir Mandate, in Irland sogar zwei Parlamentsabgeordnete und einen Europaparlamentarier, die von ihrem Gehalt nur einen durchschnittlichen Facharbeiterlohn behalten, also genauso viel wie die Menschen, die sie vertreten. Sie kämpfen für die Überwindung des Kapitalismus, indem sie die Positionen in den Stadträten und Parlamenten nutzen, um die außerparlamentarischen Bewegungen aufzubauen, um jede Verbesserung zu kämpfen und um innerhalb der Parlamente den Kapitalismus bloß zu stellen. In dieser Form sollten auch AktivistInnen der 15-M-Bewegung und die spanischen ArbeiterInnen und die Jugend die aktuelle Wahlkampagne angehen.

Antikapitalistische Einheitsfront aufbauen

SR ruft zur Bildung einer antikapitalistischen Einheitsfront für die Wahlen auf. Nicht als Selbstzweck, sondern um politische und soziale Gruppen zusammen zu bringen und eine Bewegung aufzubauen, die den Kapitalismus herausfordern kann. Eine gemeinsame Front um ein gemeinsames Wahlprogramm könnte sich zukünftig weiterentwickeln und die Basis einer politischen Alternative mit Massenunterstützung werden. Sie müsste vollständig demokratisch aufgebaut und nach innen für Gruppen offen sein.

Wir unterstützen die Zusammenarbeit von KandidatInnen mit verschiedenen Hintergründen, Traditionen und Bewegungen wie AktivistInnen der 15-M, GewerkschafterInnen, IU-Mitgliederm und anderen antikapitalistischen AktivistInnen und Organisationen unter einem gemeinsamen kämpferischen Banner. Solche KandidatInen sollten auch rechenschaftspflichtig gegenüber kämpfenden ArbeiterInnen und Jugendlichen sein. Versammlungen in Betrieben und Stadtteilen sollten demokratisch diskutieren, ob sie KandidatInnen aufstellen wollen, die auf der Basis einer breiten antikapitalistischen Front mit einem gemeinsam abgestimmten Programm antreten.

Was für ein Programm brauchen wir?

Wir rufen zu folgenden Forderungen für ein gemeinsames Programm einer antikapitalistischen Einheitsfront auf:

  • Nein zu Privatisierungen, Rücknahme aller Sparprogramme
  • Nein zu allen Kürzungen! Schluß mit den Zwangsräumungen!
  • Nein zur Zahlung der Schulden der Spekulanten!
  • Keine Beteiligung an Koalitionen und keine Pakte mit kapitalistischenParteien.
  • Schluß mit der politischen Korruption! VertreterInnen sollte nur einendurchschnittlichen Facharbeiterlohn behalten und ihre Einnahmen undAusgaben der gesamten Wählerschaft offen legen.
  • Nein zum neuen Wahlgesetz und zum Zwei-Parteien-.System! Für einewirklich demokratische und repräsentative VerfassungsgebendeVersammlung, gebildet unter der Kontrolle demokratischer Versammlungender ArbeiterInnen!
  • Für eine Alternative des demokratischen öffentlichen Besitzes undKontrolle von Banken und Schlüsselindustrien anstatt kapitalistischerKrise und Kürzungspolitik

Derzeitige VertreterInnen und Organisationen sollten nach dem beurteilt werden, was sie getan haben, und nicht nach dem, was sie sagen, dass sie tun werden. Aber vor allem sollten die VertreterInnen den Aufbau der Bewegung an der Basis unterstützen und dabei Forderungen wie die oben genannten nutzen.

Im Zusammenhang mit dieser Strategie muss die 15-M als demokratische Massenbewegung aufgebaut werden, mit demokratischen VertreterInnen-Strukturen in jedem Stadtteil, Betrieb und Bildungseinrichtung, mit jederzeitiger Wähl- und Abwählbarkeit, und sich regional und landesweit vernetzen. Lasst uns nicht auf Wahlen warten, sondern jetzt in unseren Betrieben und Stadtteilen kämpfen. Wir müssen von unten einen Generalstreik aufbauen, um den Kampf gegen Kürzungspolitik auf eine neue Stufe zu bringen! Wir müssen in den Gewerkschaften für echte Demokratie kämpfen, um sie zu wirklichen Kampfinstrumenten unserer Klasse zu machen und die Kontrolle der FührerInnen zu brechen, die uns immer wieder ausverkauft haben.

SR wird diese Wahlen auch nutzen, um die Idee einer wirklichen sozialistischen Demokratie zu verbreiten und den Kampf für eine Regierung der ArbeiterInnen und eine wirkliche sozialistische Regierung voranzubringen. Dafür müssen alle Banken und Konzerne unter wirklicher ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden.