Naziterror entgegentreten

Derzeit kriechen Nazis und Rechtspopulisten in ganz Deutschland vermehrt in die Öffentlichkeit, machen spontane Demos und werden zunehmend gewalttätig. Wie ist diese gesteigerte Aktivität zu erklären?


 

von Nico und Anna

Beispiel Berlin – dort verübten organisierte Nazis in diesem Jahr diverse Anschläge auf linke Stadtteilzentren und Projekte und schändeten jüdische und Arbeiterdenkmale. Auch am 6. August, nachdem sie zu einer Kundgebung vor der NPD-Zentrale aufgerufen und sogar, dreist wie sie sind, einen Fackelmarsch durch Berlin angekündigt hatten. Dafür wollten sie 1000 Nazis aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus Tschechien mobilisieren. Nicht, dass die Rechten jemals weg oder nicht gewalttätig gewesen wären: Bereits im Frühjahr 2011 provozierten die Nazis in Berlin verstärkt. Sie hielten Kundgebungen vor der Landeszentrale der LINKEN ab, organisierten Demonstrationen in Bezirken mit besonders hohem MigrantInnenanteil und machten verstärkt Propaganda mit Stickern und Flyern.

Außerdem wurden mindestens 140 Menschen laut dem Antifaschistischen Infoblatt Nr. 89 in den letzten zwanzig Jahren von Rechten ermordet. Am 20. Juli wurde in Dortmund an die Hauswand eines bekannten MLPD-Aktivisten „MLPD töten” gesprayt.

Zur Zeit bemühen sie sich um noch mehr Präsenz: Nach dem Massaker von Oslo und Uteya zogen vermummte autonome Nationalisten am helllichten Tage durch die Straßen und öffentlichen Plätze. Oft machten sie Jagd auf linke AktivistInnen oder verprügelten MigrantInnen. Sie verübten Brandanschläge auf Büros von Sozialdemokraten und Linken und sprayten rechte Parolen in den Städten. Außerdem veröffentlichten sie Adressen von aktiven Linken, deren Häuser sie mit Farbbomben und positiven Anspielungen auf das Massaker von Oslo und Uteya beschmierten. Die Liste rechter Taten seit Beginn des Jahres ist erschreckend lang.

Keinen Fußbreit den Faschisten!

Ihre irrsinnige Propaganda verbreiten die Nazis durch Demos, Wahlplakate, Aktionen und Veranstaltungen, aber auch durch Gewalt und Einschüchterung. Als AntifaschistInnen mit deutschem oder anderem Pass müssen wir uns dagegenstellen und eine starke Gegenbewegung aufbauen. Indem wir Nazidemos blockieren, faschistische Wahlwerbung abhängen und so einen aktiven Kampf für einen nazifreien Kiez oder eine nazifreie Stadt führen, senden wir nicht nur ein klares Signal gegen die Faschisten, sondern können auch Gleichgesinnte treffen und stärker werden. Wir nehmen den Nazis jede Bühne für ihre Propaganda und können ihren Einfluss dadurch schwächen.

Aber physischer Widerstand gegen die Nazis allein reicht nicht: Der antifaschistische Kampf wird politisch entschieden. Entscheidend ist es, ihnen die kapitalistische Basis für ihre Hetzte zu entziehen. Rassismus baut auf der wirtschaftlichen, nicht auf der kulturellen Ungleichheit zwischen den Menschen auf. Er lenkt davon ab, dass es Herrschende und Beherrschte im Kapitalismus gibt. Die Herrschenden, die das Geld horten und Krisen verursachen, und die Beherrschten, die den Gürtel immer enger schnallen sollen. Unsere Aufgabe ist, zu zeigen, wer in dieser Welt die Kohle verschlingt und uns den gesellschaftlichen Reichtum und das schöne Leben vorenthält.

International…hä?

Es erscheint Vielen unlogisch, dass Rechtsradikale international vernetzt sind und es überhaupt welche in verschiedenen Länder gibt. Wieso mobilisieren die deutschen Nazis, die am liebsten ganz Tschechien unterworfen hätten, so mal rein historisch betrachtet, ausgerechnet ihre tschechischen Freunde zum Wahlpappen-Aufhängen – Und wieso lassen die sich darauf auch noch ein?

Sicherlich kann man tiefer in die ekelhafte Ideologie einsteigen und Erklärungen im Rassenwahn finden. Interessanter (und aufschlussreicher) ist aber, den politischen und sozialen Nährboden zu betrachten, auf dem die rechte Ideologie wächst und gedeiht. Beispiel Russland: Seit Jahren hat die rechtsextreme Bewegung Aufwind. Die Nazis morden MigrantInnen, vor Allem aus dem Kaukasus, und Kriegsveteranen. Im vergangenen Dezember marschierten mehrere tausend Rechtsextreme auf dem Moskauer Manegenplatz und machten Jagd auf Ausländer.

Unter Fußballfans sind rechtes Szenetum und Nazi-Parolen weit verbreitet. Auch in anderen Ländern Osteuropas wächst die rechte Bewegung. Die Schwäche der Gegenbewegung, das Erbe des Stalinismus, das zu einer weit verbreiteten Desillusionierung in politische Aktivitäten geführt hat, und die Suche nach einfachen Lösungen auf große soziale und wirtschaftliche Probleme spielen den Nazis in die Hände.

Krise => Faschismus?

Dass rechtsextremes Gedankengut gerade zu Zeiten der tiefen Weltwirtschaftskrise an Auftrieb gewinnt ist nicht verwunderlich. Die Wirklichkeit verhält sich aber nicht so platt wie das in Schulbüchern gern dargestellt wird: „Die Leute waren unzufrieden und dann wählten sie die Nazis, weil die so radikal waren, und das hat emotional zu den Menschen gepasst”. Fakt ist: In Zeiten von Krise, sinkenden Lebensstandards und Zukunftsangst suchen die Leute natürlich nach Lösungen.

Deshalb werden sie aber nicht automatisch zu Nazis. Vielmehr nutzen die bürgerlichen Kräfte in der Gesellschaft Rassismus und Sozialdarwinismus („Nur die Klügsten/Schönsten/Fleißigsten/… sollen durchkommen”) gezielt zur Spaltung der Bevölkerung. Wenn die Leute denken, ihr türkischer Kollege oder ihre arbeitslose Nachbarin sind Schuld an ihrer Situation, sind sie abgelenkt von der Tatsache, dass die Banken und Konzerne Milliardengewinne machen – trotz Krise! – und dass es zwei Klassen gibt in der Gesellschaft: Die, die nichts hat, außer ihrer Arbeitskraft. Und die, die den Reichtum der Welt an sich gerissen hat und nie mehr hergibt, als das, was wir uns erkämpfen. Faschisten stehen nie auf der Seite der Arbeiterklasse. Sie schmücken sich in bestimmten Situationen mit sozialen Forderungen (National„sozialismus„), um attraktiv auf die Massen zu wirken.

Sinn und Zweck des Faschismus ist aber die Zerschlagung der Arbeiterbewegung – offensichtlich, wenn man das Verbot von Gewerkschaften und anderen ArbeiterInnenorganisationen in allen faschistischen Regimes bedenkt. Die Geschichte zeigt auch, dass die Arbeiterklasse sich bisher immer zunächst nach links gewandt hat, und erst das Versagen der Linken das Erstarken faschistischer Kräfte ermöglicht hat. Das gilt für Italien, Deutschland und Österreich, wo Sozialdemokratie und Stalinisten die faschistische Machtergreifung nicht verhinderten, für den spanischen Bürgerkrieg, in dem weder Anarchisten noch Stalinisten die richtigen Schritte ergriffen, für lateinamerikanische Diktaturen, und eben auch für die Schwäche der Linken nach Zerfall des Stalinismus.

Nazi gleich Nazi – Oder?

Nazis, Faschisten, Rassisten, Rechtspopulisten – Rechte gibt es in verschiedenen Ausführungen und Abstufungen. Rechtspopulistische Organisationen wie „Die Freiheit” oder „Pro(…)„ bestehen nicht mehrheitlich aus ıStiefelnazis„. Gefährlich sind sie trotzdem: Sie betreiben Hetze gegen MigrantInnen und leistungsgesellschaftlich „Nutzlose” wie Arbeitslose oder Alleinerziehende. Damit bereiten sie den Boden für weitere rassistische Schlussfolgerungen und machen Rassismus und rechte Ideen salonfähig.

Ihre Nähe zu rechtsextremen Organisationen zeigt sich nicht nur ideologisch, sondern auch personell und methodisch. So griffen im August zwei Vertreter von ProDeutschland im Berliner Wahlkampf einen Migranten an, nachdem der ihre Plakate kritisiert hatte. Ein besonders krasses Beispiel für die Vernetzung ist das Massaker von Oslo und Uteya. Der Täter Andreas Breivik war sieben Jahre lang Mitglied der rechtspopulistischen Fremskrittspartiet bevor er diese als zu gemäßigt empfand und sich im norwegischen Ableger der rechtsextremen English Defence League organisierte.

Während die Mainstream-Medien sich darüber streiten, ob Breivik rechtsextrem oder extrem konservativ, aber nicht neonazistisch ist, ist so oder so klar, dass auch eine „gemäßigt rechte” Ideologie sich lebensgefährlich für Andere entwickeln kann. Insbesondere die Finanzierung der Sprengsätze – immerhin konnte er für eine halbe Million Euro die entsprechenden Utensilien shoppen (und stand deshalb sogar auf einer Beobachtungsliste der norwegischen Behörden) – war wohl kaum individuell ıdurch einen verrückten Einzelnen„ möglich.

Gerade weil die Rechtspopulisten – und bei Erstarken einer linken Gegenbewegung zu Krise und Kapitalismus auch die Nazis – einen praktischen Nutzen für die Herrschenden haben, werden sie unterstützt und finanziert. Es wird niemals einen Kapitalismus ohne Rassismus geben. Zeit, beides loszuwerden!