Im Minenfeld der nationalen Frage Irlands

Zum Buch „Unruhige Zeiten“ von Peter Hadden


 

Der im Mai letzten Jahres in Belfast verstorbene Peter Hadden war als führendes Mitglied der Socialist Party (vorher Militant) Teil der von ihm analysierten Ereignisse in Irland. Sein jetzt in deutscher Sprache erschienenes Buch „Troubled Times“ aus dem Jahre 1995 stellt einen historischen Überblick und damit eine Untersuchung der Hintergründe der Teilung Irlands dar.

von Jens Meyer, Kassel

Die Aktualität des Nordirland-Konflikts (im Englischen auch häufig „The Troubles“ genannt) beweisen nicht zuletzt die neuerlichen Ausschreitungen, unter anderem am 20. Juni dieses Jahres im östlichen Belfast. Trotz des eingeleiteten „Friedensprozesses“ hat die Polarisierung zwischen KatholikInnen und Protestant-Innen weiter zugenommen. Davon zeugt auch die hohe Zahl sogenannter „Friedensmauern“ zur konfessionellen Teilung von Arbeitervierteln. Die zu Grunde liegenden Spannungen resultieren maßgeblich aus der territorialen Teilung Irlands vor 90 Jahren in eine Republik Irland im Süden und eine britische Provinz Nordirland sowie aus der konfessionellen Spaltung der Bevölkerung im Norden in KatholikInnen und ProtestantInnen.

Teilung vor 90 Jahren

Ausgangspunkt ist dabei, dass die Teilung des Landes im Jahre 1921 seitens des britischen Imperialismus als Mittel zur Spaltung der erstarkenden Arbeiterklasse in Irland und Großbritannien genutzt wurde. Dies geschah in einer Zeit verstärkter Klassenkämpfe und vor der Möglichkeit einer sozialistischen Revolution nach dem Vorbild Russlands 1917.

Ob die Sezession bis zum heutigen Zeitpunkt zur Herausbildung zweier eigenständiger Nationen geführt hat, stellt Hadden dabei in Abrede. Zur Erklärung bedient er sich dabei geschichtssicher und facettenreich des Materialismus, um gegen die Wiederholung alter Parolen in starren undialektischen Kategorien zu argumentieren.

Für ein sozialistisches Irland

Hadden geht intensiv auf die sich ab 1969 inmitten einer Phase heftiger Klassenkämpfe schlagartig verschärfenden gewalttätigen Auseinandersetzungen ein. Dem individuellen Terrorismus der Irish Republican Army (IRA) setzt er den Kampf für Arbeitereinheit in einer Massenbewegung abseits konfessioneller Schranken als einzigen Weg zur Überwindung der Spaltung entgegen. Auf Basis des Kapitalismus – in dem sich die kleine Minderheit der Reichen und Mächtigen zur Aufrechterhaltung ihrer Privilegien des Prinzips „Teile und herrsche“ bedienen muss – ist es nicht möglich, eine dauerhafte Überwindung der Spaltung entlang ethnischer oder religiöser Linien zu erreichen.

Zentraler Aspekt seiner Ausführungen ist die Frage des Programms, das SozialistInnen zur nationalen Frage vorbringen können. Theorie und praktische Schlussfolgerungen bei Karl Marx und Lenin werden bei der Frage der nationalen Selbstbestimmung herangezogen, wobei im Buch „Unruhige Zeiten“ auch eine Auseinandersetzung mit der nationalen Frage Jugoslawiens und Schottlands stattfindet. Dabei werden auch die Fallstricke aufgezeigt, in die SozialistInnen treten können. Selbstkritisch reflektiert Hadden (wie auch Militant) wiederholt Parolen, die den sich manchmal schnell ändernden Umständen angepasst werden mussten.

Das Buch Peter Haddens ist eine unverzichtbare Quelle für die Beschäftigung mit der nationalen Frage aus marxistischer Sicht. Nicht nur in Irland.