Afghanistan: Der vergessene Krieg

Zehn Jahre Krieg und kein Ende in Sicht


 

Im Oktober ist es zehn Jahre her, dass die USA und ihre Verbündeten Afghanistan angriffen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sollte das Land angeblich von den Taliban befreit und Frieden, Wohlstand und Demokratie eingeführt werden.

von Jan Röder, Essen

Immer wieder neue Meldungen über verwundete und getötete Soldaten, jedes Jahr zigtausende getötete ZivilistInnen – der Einsatz der NATO-geführten ISAF-Truppen aus den USA, Deutschland, Großbritannien und anderen Ländern in Afghanistan ist alles andere als "erfolgreich". Laut einer Umfrage von stern.de sind zwei Drittel in Deutschland für einen unverzüglichen Abzug der Bundeswehr.

Deutsche Interessen am Hindukusch

Bereits 2002 begründete der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) die Beteiligung Deutschlands am Krieg mit den Worten: "Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt." Ex-Bundespräsident Horst Köhler (CDU) geriet letztes Jahr in die Schlagzeilen und trat schließlich zurück, nachdem er bei einem Truppenbesuch sagte, dass "auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". "Unsere Interessen" sind vor allem die Interessen deutscher Konzerne.

Für die Herrschenden in der Bundesrepublik ist der Aghanistan-Krieg nach dem Bundeswehreinsatz auf dem Balkan 1999 der Krieg, der das deutsche Militär testen und die Bevölkerung an Auslandseinsätze gewöhnen soll. Durch die seit 1989 veränderte Weltlage und aufgrund von verschärftem Konkurrenzkampf kann und muss auch der deutsche Imperialismus militärisch wieder direkter mitmischen. Afghanistan ist aber auch ökonomisch nicht ohne Interesse. So besitzt es neben Bolivien die weltweit bedeutendsten Vorkommen an Lithium (notwendig für die Herstellung von Handy-Akkus), außerdem gibt es Vorkommen an verschiedenen Metallen, Gas, Kohle, Öl und Edelsteinen.

Darüber hinaus ist Afghanistan als Transitland für Öl-Pipelines zwischen Kaspischem Meer und Indischem Ozean relevant. Und nicht zuletzt liegt das Land aus Sicht des westlichen Imperialismus geostrategisch bedeutsam zwischen dem Nahen Osten, Russland, China und dem indischen Subkontinent.

"Afghanisierung" des Krieges und die Marionette Karzai

US-Präsident Barack Obama setzte nach seinem Amtsantritt auf eine Stärkung der Marionetten-Regierung von Hamid Karzai. Dessen afghanische Armee und seine Polizeieinheiten sind aber nicht weniger korrupt als seine gesamte Regierungsclique und finden kaum Rückhalt in der Bevölkerung (beim letzten Urnengang gab es die schlechteste Wahlbeteiligung). Karzai, der eng mit der US-amerikanischen Öl-Industrie verknüpft ist, ließ Wahlen fälschen und plünderte das Land durch eine Privatisierungswelle aus – von der daraus resultierenden Ablehnung des Regimes durch die Bevölkerung profitieren reaktionäre "Warlords" und schließlich die Taliban.

Unter Obama wurde die US-Truppenstärke um 30.000 auf 100.000 GIs erhöht. Die Offensive im Süden des Landes und im pakistanischen Grenzgebiet verschärft nicht nur die Spannungen zwischen den USA und (dem eigentlich verbündeten) Pakistan, sondern führt auch zu vermehrten Aktionen der Taliban im Norden Afghanistans. Genau dort, wo die Bundeswehr ihren Schwerpunkt hat.

Truppen raus aus Afghanistan!

Das vorgeschobene Hauptargument für die Präsenz ausländischer Truppen in Afghanistan ist die Befürchtung, das Land würde nach einem sofortigen Truppenabzug zerfallen. Als ob es momentan Stabilität gäbe!

Die „Renaissance” der Taliban und die Spaltung zwischen den verschiedenen Volksgruppen haben ihre Ursache in der massenhaften Unzufriedenheit mit dem Krieg und seinen Folgen: 40 Prozent leben von einem Dollar am Tag, 70 Prozent haben keinen Zugang zu sauberem Wasser. Die imperialistischen Mächte haben gezeigt, dass sie absolut unfähig sind, in Afghanistan Wohlstand und Demokratie einzuführen. Verbunden mit dem geplanten Teilabzug von US-Soldaten sehen sie sich sogar gezwungen, eine Annäherung mit Kräften der Taliban zu versuchen.

Für unabhängige, demokratische Organisationen von unten

In letzter Zeit kommt es immer häufiger zu Protesten der afghanischen Bevölkerung gegen die Besatzungsarmeen. Diese Proteste werden in den hiesigen Medien als von den Taliban instrumentalisiert dargestellt. Aber sie speisen sich aus der Wut der einfachen Leute, die unter den Bombardements zu leiden haben, die es satt haben, in Armut zu leben, während die USA alleine im Jahr 2009 circa 170 Milliarden US-Dollar für den Kriegseinsatz in Afghanistan und Irak ausgaben. Nicht umsonst werden Bundeswehrsoldaten in der Niederschlagung von Demonstrationen ausgebildet – im Mai schoss die Bundeswehr sogar auf Demonstranten.

Unabhängige Organisationen der Arbeiterklasse und der armen Landbevölkerung müssen aufgebaut werden – die sich für demokratische Rechte, gegen Frauenunterdrückung, für kostenlose Bildung und ein Wiederaufbauprogramm stark machen. Und dafür, dass der Reichtum des Landes nicht länger von einer kleinen Minderheit geplündert wird. Nötig ist ein sozialistisches Programm, das die Bevölkerung über ethnische Grenzen hinweg im Kampf gegen Krieg und Ausbeutung vereint, und eine Regierung der ArbeiterInnen und Armen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber nur so können die westlichen Imperialisten ebenso wie die afghanischen Eliten von der Macht vertrieben und der Gewalt ein Ende gesetzt werden!