Für einen Kurswechsel jetzt! Für eine sozialistische, kämpferische LINKE!

Zum Landeswahlprogrammentwurf der LINKE Berlin


 

Der Entwurf für das Wahlprogramm des Landesvorstands der LINKE Berlin schreibt im Wesentlichen die Politik der letzten zehn Jahre in der Regierung mit der SPD fort. Es ist kein Programmentwurf für eine starke, kämpferische, sozialistische LINKE, sondern ein Entwurf für ein „Weiter so“. Wenn es nach der LINKE-Führung ginge, würde sie die Regierungsbeteiligung mit der SPD gern fortsetzen.

von Lucy Redler, Mitglied der LINKE in Berlin-Neukölln und der SAV

Programmentwurf für ein „Weiter so“

Auf den gesamten 48 Seiten findet sich an fast keiner Stelle die Vorstellung, die Forderungen der LINKEN vor allem durch den Aufbau von Widerstand und außerparlamentarische Bewegungen durchzusetzen, sondern die staatstragende Absicht, auf parlamentarischen Weg in Berlin und im Bundesrat und durch Regierungsbeteiligungen zu Verbesserungen zu gelangen.

Der Rahmen für das Mögliche ist für den Landesvorstand nicht die Kampfkraft von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Beschäftigten, Jugendlichen und Erwerbslosen, sondern die Grenzen, die der Politik auf Landesebene durch die knappen Mittel und die Gesetze der Bundesregierung und die ökonomische Entwicklung gesetzt sind. Das führt dazu, dass DIE LINKE Gesetze wie Hartz IV in Berlin mit umsetzt und versucht lediglich einige minimale Verbesserungen wie z. B. die Aufschiebung von Zwangsumzügen um ein halbes Jahr oder die Härtefallregelung im Rahmen der Landespolitik durchzuführen.

Sollte die ökonomische Lage sich verschlechtern und die Schuldenbremse ziehen, ist die Schlussfolgerung aus dieser Logik, dass sich DIE LINKE Berlin an stärkeren Kürzungen beteiligen wird, weil sie die Rahmenbedingungen akzeptiert (auch wenn sie sie nicht gut heißt und Bundesratsinitiativen plant, von denen jedoch jeder weiß, dass sie ohne Druck und außerparlamentarische Bewegungen scheitern werden).

Realitätscheck oder „Papier ist geduldig“

Im Programmentwurf finden sich auch einige gute Vorschläge und Forderungen wie längeres gemeinsames Lernen oder die Rekommunalisierung wichtiger Bereiche wie beispielsweise der Wasserbetriebe. Entscheidend ist jedoch nicht, was auf dem Papier steht, sondern wie die reale Politik der LINKE Berlin in der Regierung mit der SPD in den letzten Jahren aussah, die im Programmentwurf über den grünen Klee gelobt und im Wesentlichen fortgesetzt werden soll. Denn positive Forderungen fanden sich auch im Wahlprogramm 2006. Und schon damals war Papier geduldig.

Bilanz von zehn Jahren Rot-Rot

Diese Regierungsbeteiligung hat in den letzten zehn Jahren unter anderem zu folgenden Verschlechterungen geführt, die DIE LINKE im Senat mitgetragen/mitzuverantworten hat:

  • Privatisierung von über 100.000 Wohnungen, die Mietsteigerungen und Verdrängung zur Folge hatten. Im Programmentwurf heißt es auf Seite 23, es habe seit 2006 keine Veräußerung von Wohnungsbeständen an Investoren gegeben. Dazu ist folgendes zu bemerken:

    Erstens war nach dem Verkauf der GSW mit 60.000 Wohnungen das "Sahnestück" unter den Wohnungsbaugesellschaften in Berlin schon verscherbelt. Zweitens ist die Formulierung „keine Veräußerung an Investoren“ geschickt, weil die Wohnungsbaugesellschaften trotzdem weiter Tausende von Wohnungen verkauft haben, zum Teil an die Mieter selbst, also nicht an Großinvestoren. Den Beteiligungsberichten des Landes Berlins zufolge wurden allein zwischen 2007 und 2009 um die 3300 Wohnungen privatisiert, rechnet man 2010 und 2011 hinzu, kommt man auf mehrere tausende Wohnungen.

    Drittens berichtete die Berliner Morgenpost am 07.02.2007: „Die Vivacon AG aus Köln hat 1347 Wohnungen von der Bewoge, einem Tochterunternehmen der hoch verschuldeten Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), erworben.“ Dass die Vivacon diese Wohnungen an private Investoren weiterverkauft, dürfte kein Geheimnis sein.

    Hinzu kommt außerdem, dass die enormen Mietsteigungen der landeseigenen Unternehmen wie HOWOGE und WBM nicht Einhalt geboten wurde. Hier müssen MieterInnen teilweise mehr zahlen, als in Privatwohnungen (Berliner Morgenpost 10.06.2008).

    Der Börsengang der ehemals landeseigenen GSW steht zudem weiterhin aus und wurde bisher nur durch fehlende Kaufinteressenten verhindert. Dem Börsengang stimmte die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus im Jahr 2010 zu.

  • Stellenabbau im öffentlichen Dienst von 35.000 Stellen seit 2001 (von 151.165 auf 115.885 Stellen). Das traf vor allem die Bezirke: Hier wurden die Stellen laut Senatsverwaltung für Finanzen von 48.587 auf 24.117 halbiert. Wenn der Landesvorstand wie auf Seite 11 des Programmentwurfs schreibt, dass die LINKE Berlin sich dafür einsetze, dass 100.000 Stellen im Öffentlichen Dienst beibehalten werden sollen, entspricht das einem weiteren Stellenabbau in Höhe von weiteren 15.885 Stellen (in 2010 gab es noch 115.885 Stellen im gesamten Öffentlichen Dienst). Damit wird der Stellenabbau fortgeschrieben. Statt Stellenabbau wäre jedoch Stellenaufbau nötig. Die geplante Arbeitszeitverlängerung im August 2011 wird zu weiterem Stellenabbau führen. 2011 sollen laut ver.di Berlin von 500 Azubis im Öffentlichen Dienst nur 300 übernommen werden, und davon nur 50 unbefristet.

  • Absenkung der Löhne und Gehälter im Öffentlichen Dienst im Zuge des Anwendungstarifvertrags im Jahr 2003 um 8-12 Prozent bis August 2011 und Abkoppelung von den bundesweiten Lohnsteigerungen. Die Angleichung an das bundesweite Lohnniveau soll erst im Jahr 2017 erfolgen!

  • Aushöhlung des Ladenschlussgesetzes, das dadurch bundesweit zu den schlechtesten Ladenschlussgesetzen zählt. Eine weitere Verschlechterung wurde sogar durch das Bundesverfassungsgericht gestoppt.

  • Eine Reduzierung der Personalausstattung an den Schulen auf 100 Prozent in der zweiten Legislaturperiode. Das führt bei Krankheit, Schwangerschaft, Fortbildung oder Personalratstätigkeit zu sofortigem Unterrichtsausfall und hat unfreiwillige Stellenverlagerungen zur Folge. Die GEW fordert richtigerweise eine Personalausstattung von 110 Prozent.

  • Abschaffung der Lernmittelfreiheit

  • Ausbau von Überwachungdurch Einführung der Schülerdatei und der Gesetzesnovelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG). Durch letztere wurde beispielsweise der Polizei ermöglicht, in allen U-Bahnhöfen und Zügen die Bevölkerung per Video zu überwachen oder bei Verkehrskontrollen filmen. Das geht mit dem Abbau von Aufsichtspersonal auf den S-Bahnsteigen durch Rot-Rot einher.

  • Räumung alternativer Wohnprojekte wie der Brunnenstr. 183, der Liebig 14 und des Schenkladens in der Scharnweberstraße

  • Abzocke der Wasserbetriebe: Im Programmentwurf schreibt der Landesvorstand, er wolle weiterhin gemeinsam mit außerparlamentarisch Verbündeten die Teilprivatisierungsverträge der Wasserbetriebe skandalisieren. Leider war in der Vergangenheit das Gegenteil der Fall. Erstens hat Rot-Rot das Gesetz zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe Ende 2003 novelliert und damit die Gewinngarantien für RWE und Veolia erneut festgeschrieben. DIE LINKE Berlin trägt dadurch erstens Mitverantwortung für die jahrelange Geheimhaltung der Verträge zur Absicherung der Profitinteressen von RWE und Veolia. Zweitens: Die Führung der LINKE Berlin ist den außerparlamentarisch Verbündeten beim Wasservolksentscheid in den Rücken gefallen und hat dazu aufgerufen nicht mit Ja zu stimmen, sondern sich zu enthalten. Einige haben sogar öffentlich erklärt, warum man mit Nein stimmen sollte. Die Linksjugend["solid] Berlin fordert auf Grundlage eines Beschlusses der Landesvollversammlung beim Landesparteitag zu Recht die Bilanzierung dieses Fehlers, die Offenlegung aller Verträge und die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe ohne Entschädigung von RWE und Veolia.

  • Mitverantwortung bei der Umsetzung der Budgetierungsmodells in Berlin, das u. a. das die Bezirke zu massiven Kürzungen wie z.B. Schließungen von Schulen, Jugend- und Sozialeinrichtungen zwang und zwingen wird

  • Privatisierung öffentlicher Aufgaben durch Überführung an Freie Träger. Nicht zu Unrecht werden sie aus ver.di-Kreisen „als Leiharbeitsfirmen des öffentlichen Dienstes“ bezeichnet, denn klar ist, dass dort die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten aufgrund von Lohndumping und Erpressung häufig prekär sind, gewerkschaftliche Selbstorganisation oft gezielt ver- bzw. behindert wird. Die Kontrolle durch Land und Bezirk ist beschränkt, wie nicht nur der Fall der Treberhilfe deutlich machte.

  • Zustimmung zum Bankenrettungspaket im Bundesrat und damit die finanzielle Belastung des Berliner Haushalts mit 200 Millionen Euro durch die Beteiligung.

Diese Liste ließe sich fortsetzen (Polizeieinsätze gegen AntifaschistInnen und DemonstrantInnen unter Rot-Rot ,,Abschiebungen von Flüchtlingen etc.) und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Über die meisten dieser Verschlechterungen verliert der Landesvorstand der Partei DIE LINKE kein Wort oder schiebt die Verantwortung dafür auf Vorgängersenate oder die Bundesebene.

Er nennt auch fast keine Zahlen oder Fakten, die eine wirkliche Bilanz ermöglichen würden, sondern beschreibt auf 48 Seiten recht allgemein und schwammig, was sich DIE LINKE zum Ziel setzen sollte.

Einen wichtigen Bestandteil der Zielstellung des Landesvorstands bildet der Bereich (Re)kommunalisierung von Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge. Dazu gibt es im Entwurf einen ganzen Abschnitt. Dieser bezieht sich jedoch nur auf S-Bahn, Wasserbetriebe und Energieversorgung (und auch diesbezüglich finden sich Formulierungen, die Hintertüren offen lassen. In Bezug auf die S-Bahn wäre zudem zuerst eine Diskussion mit den Beschäftigten nötig, die einer Überführung in Landeseigenzum skeptisch gegenüberstehen). Ausgeklammert werden aber ganz offenbar andere Bereiche wie die ausgegründete Charité Facility Management und Pflegebereiche, die Verschickung der Senatspost per Pin-AG statt per Deutscher Post und der Verzicht auf Rekommunalisierung von Wohnungsunternehmen.

Erfolge“ von Rot-Rot

Gleichzeitig hebt der Programmentwurf einige Beispiele der Politik der rot-roten Regierung als besonders positiv hervor. Dazu ist zweierlei festzuhalten: Erstens wäre selbst dies kein Argument für das Mittragen all der Verschlechterungen. Zweitens lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die – oftmals vermeintlichen – Erfolge zu werfen:

  • Gemeinschaftsschule: Der Senat brüstet sich mit der Einstieg in die Gemeinschaftsschule. In Wirklichkeit wurde in Berlin neben 17 Pilotschulen nicht der Einstieg in die Gemeinschaftsschule geschafft, sondern mit der Einführung der Sekundarschule die Zweigliedrigkeit des Schulwesens zementiert. DIE LINKE Berlin spricht sich im Entwurf nicht für die Abschaffung der Gymnasien aus, sondern für die Beibehaltung der Zweigliedrigkeit bei Ausdehnung der Pilotprojekte Gemeinschaftsschule. Da die Schulreform kostenneutral eingeführt wurde, führte sie zu einer Verschlechterung für SchülerInnen und LehrerInnen und einer Zusammenlegung und Schließung von Schulen. Die Reduzierung der Personalausstattung hat die Lage an den Schulen verschlechtert und zu ersten Protesten in Berlin geführt.

  • Öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS): Der Stellenabbau im Öffentlichen Dienst ging einher mit der Schaffung von 7000 Stellen im ÖBS. Im ÖBS werden zwei Drittel der Beschäftigten jedoch lediglich mit 1300 Euro brutto (netto um die 1000 Euro) entlohnt. Das entspricht einer Tätigkeit im Niedriglohnbereich und liegt nur geringfügig über dem, was ein Ein-Euro-Jobber verdient. ÖBS-Jobs führen genauso wie Ein-Euro-Jobs nicht dazu, dass Langzeitarbeitslose bzw. ALG-II-EmpfängerInnen dadurch „existenzsichernde und sinnvolle Beschäftigungsverhältnisse“ erhalten, wie es als ein Ziel des ÖBS formuliert wurde. Durch eine ÖBS-Tätigkeit wird zudem kein Anspruch auf ALG I erworben. Weiterhin müssen ÖBS-Beschäftigte genau so wie ALG-II-EmpfängerInnen oder Ein-Euro-JobberInnen eine Wiedereingliederungsvereinbarung mit dem Jobcenter abschließen und können bei einer Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses mit Sanktionen bestraft werden. ÖBS-Beschäftigte haben im übrigen keinen Anspruch auf den Berlin-Pass.

  • Kennzeichnungspflicht für Polizisten: Nach zehn Jahren (!) hat Rot-Rot endlich die Einführung der individuellen Kennzeichnungspflicht beschlossen. Das ist gut. Umgesetzt ist diese jedoch noch nicht.

  • Bürgerhaushalte: In fünf Bezirken gibt es Bürgerhaushalte, das heißt die BürgerInnen haben die Möglichkeit, über einen Teil der Verwendung von Geldern mit zu bestimmen. Nur: Solange es nicht mehr Geld für die Bezirke gibt, führt ein Bürgerhaushalt unter diesen Bedingungen dazu, dass die BürgerInnen lediglich entscheiden, wo mehr und wo weniger gekürzt wird. Das hat dann nichts mehr mit Demokratie zu tun, sondern dient dazu, die Verantwortung für die Entscheidungen über konkrete Kürzungen von den wirklich Verantwortlichen auf die "Bürger" abzulenken.

Daraus folgt, dass die meisten der genannten Erfolge sich beim näheren Hinschauen als Schönfärberei oder gar Verschlechterung entpuppen.

An real positiven spürbaren Verbesserungen bleiben (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die Beitragsfreiheit der ersten drei Kitajahre, die Verhinderung der Privatisierung der Berliner Sparkasse, die Öffnung des Flugfelds Tempelhof und der vorläufige Stopp der Ausbau der A100. Diese Erfolge kamen jedoch auf Druck von Bewegungen zustande (z.B. Kita-Volksbegehren, Demos gegen Ausbau A100) und im Fall der Sparkasse auf Druck der Bundeslinken anstatt durch geschicktes Verhandlungstalent im Senat.

Als positiv verbucht der Senat ebenfalls für sich, das mit dem Vergabegesetz, öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die mindestens 7,50 Euro Stundenlohn zahlen. Das ist ein Fortschritt im Vergleich zur ersten Legislaturperiode, vor allem sollte es aber eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Senat damit das eigene Lohndumping beendet hat, wie beispielsweise durch die Verschickung der Senatspost per Pin-AG bei Stundenlöhnen von 5,86 Euro brutto in der ersten Legislaturperiode.

Logik durchbrechen: Raus aus dem Senat, rein in die Unterstützung von Bewegungen und Kämpfen

Die Regierungsbeteiligung der LINKEN hatte zur Folge, dass die Glaubwürdigkeit der Partei stark beschädigt wurde und die Partei bei der Wahl 2006 die Hälfte der absoluten Stimmen verlor.

Die Sozialkürzungen und die Privatisierungen der zweiten Legislaturperiode waren aufgrund unterschiedlicher Faktoren (ökonomische Lage, bereits erfolgter massiver Sozialabbau in der ersten Legislaturperiode, Druck durch die Bundeslinke) zwar weniger heftig als in der ersten Legislaturperiode, der Charakter der Politik hat sich aber im Wesentlichen nicht verändert.

Die Regierungsbeteiligung der LINKEN samt der Akzeptanz der Rahmenbedingungen und angeblichen kapitalistischen Sachzwänge stärkt nicht, sondern schwächt außerparlamentarische Bewegungen und Widerstand. Das wurde am deutlichsten beim Volksentscheid zur Offenlegung der Geheimverträge der Wasserbetriebe. Viele Bezirksverbände der LINKE Berlin setzen sich für eine andere Politik ein und haben beispielsweise das Wasservolksbegehren unterstützt.

Nicht nur hier, sondern in zahlreichen anderen Auseinandersetzungen (aktuell beim Tarifkonflikt an der Charité) steht die Führung der LINKE Berlin als Teil des Senats auf der falschen Seite der Klassenauseinandersetzung und damit auch einem Großteil ihrer eigenen Parteibasis gegenüber.

Wie können Verbesserungen durchgesetzt werden?

Laut Landesvorstand der LINKE Berlin sind Wahlen entscheidend, um Verbesserungen durchzusetzen. Dieser Gedanke findet sich gleich zu Beginn des Wahlprogrammentwurfs (erste drei Absätze) und zieht sich bis zum Ende durch.

Ein kleiner Blick in die ältere und jüngere Geschichte zeigt, dass parlamentarische Positionen genutzt werden können, um den politischen Druck zu steigern und Proteste zu unterstützen. Grundlegende Verbesserungen werden aber nur durch Massenbewegungen, Proteste und Streiks durchgesetzt. So war beispielsweise die Studierendenbewegung 2003 und nicht geschicktes Verhandlungstalent der LINKE Berlin die Grundlage für die Verhinderung der Einführung von Studiengebühren in Berlin. Die teilweise Offenlegung der Wasserverträge und das Informationsfreiheitsgesetz ist aufgrund des Drucks des Volksbegehrens entstanden und nicht aufgrund der Politik der LINKEN im Senat. Die Verhinderung des Absenkungstarifvertrags an der Charité 2006 war die Folge eines Arbeitskampfes. Der zeitweise Stopp des Weiterbaus der A100 haben wir Protesten zu verdanken.

Viele argumentieren, die Regierungsbeteiligung sei ein „Kleineres Übel“ im Vergleich zu einer Großen Koalition in Berlin. Keiner bestreitet, dass CDU, FDP, SPD und Grüne das Rad gern noch weiter zurückdrehen würden. DIE LINKE Berlin hindert sie an der Durchsetzung von Kapitalinteressen aber nicht, indem sie Sozialabbau light betreibt.

Würde sich DIE LINKE auf Landesebene als aktiver Teil der Proteste verstehen, anstatt Proteste teilweise zu behindern, würde sie politische Vorschläge in Bewegungen machen und Proteste finanziell und organisatorisch unterstützen (ohne sie zu vereinnahmen), könnte DIE LINKE eigene Forderungen viel wirkungsvoller durchsetzen. Das gilt aktuell für den Kampf der Charité-KollegInnen, für Initiativen wie den Berliner Wassertisch, protestierende Schüler und Studierende gegen die Unterfinanzierung des Bildungsbereichs oder auch die gerade gegründete Kampagne zur Rettung der S-Bahn.

Nur aus der Opposition heraus kann DIE LINKE wirksam die Rahmenbedingungen auf Bundesebene bekämpfen. Um die nötigen Gelder vom Bund zu erkämpfen, sind Massenmobilisierungen nötig. Wer dagegen Hartz IV und Ein-Euro-Jobs in Berlin mit umsetzt und sich gleichzeitig über falsche Bundesgesetze beklagt, wird von Lohnabhängigen, Jugendlichen und RentnerInnen dieser Stadt weder als Partei wahrgenommen, in der man sich organisieren kann, noch als starke Opposition zur Politik von Schwarz-Gelb. Die Regierungsbeteiligung der LINKEN sollte umgehend beendet werden.

Das bedeutet keine Absage an Regierungsbeteiligungen/übernahmen im allgemeinen. Natürlich muss eine sozialistische Partei auch die Übernahme der Regierung anstreben. Ihr Ziel darf dabei aber nicht die Verwaltung des Kapitalismus sein, sondern die Regierungsübernahme muss – wie Rosa Luxemburg dies schon vor hundert Jahren erklärt hat – zum Ausgangspunkt werden für Massenbewegungen und einen Bruch mit dem Kapitalismus.

Für eine starke sozialistische Partei

DIE LINKE Berlin wird heute in der Breite bestenfalls als soziales Korrektiv und von vielen AktivistInnen als Hürde für erfolgreiche Kämpfe wahrgenommen.

Würde DIE LINKE Berlin die Verwaltung der sogenannten kapitalistischen Sachzwänge im Senat beenden und stattdessen die Bedürfnisse von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und Rentnern zum Ausgangspunkt ihres Programms und Strategie machen, könnte sie ihre Unterstützung enorm steigern. Gerade in der tiefsten weltweiten Krise seit achtzig Jahren und vor dem Hintergrund von Revolutionen im arabischen Raum, der Atomkatastrophe in Japan und Massenstreiks in Südeuropa brauchen wir auch hier eine Partei, die sich zum Ziel setzt, die Verhältnisse grundlegend zu ändern, den Kapitalismus zu bekämpfen und für eine sozialistische Gesellschaft zu streiten.

Die Schuldenbremse ist ein Instrument, die Lasten für die Bankenrettungspakete bei der Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner abzuladen. Das darf DIE LINKE nicht mitmachen. Sie muss dagegen den Widerstand mit organisieren und ein Programm und eine Strategie entwerfen, die diesen Anforderungen gerecht wird.

Eine starke Oppositon in der Berliner LINKEN, die für solche Positionen streitet, ist dringend nötig.

SAV-Mitglieder unterstützen gemeinsam mit anderen Linken in der Partei den Appell „Kein Weiter so“ und setzen sich für die Bildung eines linken Flügels ein.

Zentrale Forderungen für ein Landeswahlprogramm sind aus Sicht der SAV:

  • Stopp von jeglichem Sozialkürzungen und Privatisierung

  • Statt weiterem Stellenabbau: Schaffung von neuen Stellen im Öffentlichen Dienst

  • Sofortige Umsetzung des Wasservolksentscheids und entschädigungslose Rekommunalisierung der Wasserbetriebe

  • Beerdigung des Projektes A100 und des Wiederaufbaus des Berliner Stadtschlosses und die Ablehnung sämtlicher Verschwendung von öffentlichen Geldern für Prestigeprojekte

  • Rekommunalisierung (teil-)privatisierter Betriebe von Wasserbetrieben, über Charité Facility Management bis zu Wohnungsunternehmen. Rücküberführung von gesellschaftlichen Aufgabenbereichen aus der Freien Trägerschaft in die Öffentliche Hand

  • Demokratische Kontrolle und Verwaltung von öffentlichen Unternehmen wie der BVG oder S-Bahn durch Beschäftigte, Gewerkschaften, Nutzer und Vertretern der Landesregierung

  • Offenlegung des Verkehrsvertrags mit der DB AG zur S-Bahn und gemeinsamer Kampf mit den Beschäftigten für eine S-Bahn im Interesse der Beschäftigten und NutzerInnen

  • Für ein massives Investitionsprogramm in den Bereichen Bildung, Jugendhilfe, Gesundheit, Verkehr und Wohnen

  • Für die Neueinstellung von LehrerInnen und eine Personalausstattung von 110 Prozent an den Schulen

  • Für die Abkehr vom zweigliedrigen Schulsystem und die Einführung der Gemeinschaftssschule, Weg mit dem Turboabi

  • Nein zur Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes. Für die bedarfsdeckende Schaffung und Ausfinanzierung zusätzlicher Studienplätze

  • Für die sofortige Angleichung der Löhne im Öffentlichen Dienst und an der Charité und Vivantes an das Bundesniveau

  • Für die Umwandlung von Ein-Euro-Jobs und ÖBS-Jobs in tariflich entlohnte und sozialversicherungspflichtige reguläre Stellen

  • Überführung von Konzernen, die Massenentlassungen durchsetzen und Lohndumping betreiben in öffentliches Eigentum unter demokratische Kontrolle und Verwaltung

  • Abschiebungen stoppen, für das Bleiberecht aller hier lebenden Menschen

  • Stopp der Zinszahlungen des Landes Berlins an die Banken

  • Anhebung der Gewerbesteuer, mindestens auf den Hebesatz in Potsdam

  • Für eine radikale Steuerreform auf Bundesebene und erheblich höhere Zuweisungen an die Länder durch den Bund: Für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine starke Progression im Steuersystem

Um diese und weitere Forderungen zu erkämpfen, sind Massenbewegungen und Streiks notwendig. Der gemeinsame Kampf von Deutschen und MigrantInnen gegen Sozialabbau und Arbeitslosigkeit ist zugleich ist der beste Beitrag zur Bekämpfung von Rassismus und Spaltung.