Libanon: Keine Illusionen in die neue Regierung

Konflikt zwischen zwei Seiten derselben Medaille!


 

Wir veröffentlichen hier den Text eines Flugblatts der CWI-Gruppe im Libanon, das bei einer landesweiten Demonstration gegen hohe Lebenshaltungskosten am Sonntag, 30. Januar, in der libanesischen Hauptstadt Beirut verteilt wurde. Das CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale ist die internationale sozialistische Organisation, der die SAV angeschlossen ist.

Hintergrund ist die Bildung der neuen Regierung des Premierministers Nadschib Mikati durch die schiitische Hisbollah, die durch den Übertritt einiger drusischer Abgeordneter eine Mehrheitsposition im Parlament erlangen konnte. Mikati ist ein sunnitischer milliadenschwerer Geschäftsmann. Die vom Iran unterstützte Hisbollah war im Januar aus der pro-westlich ausgerichteten Koalitionsregierung ausgeschieden, nachdem es Auseinandersetzungen um das UN-Tribunal zur Untersuchung der Ermordung des damaligen Regierungschefs Rafik Hariri gegeben hatte.

Das CWI im Libanon argumentiert gegen die von allen großen Parteien betriebene sektiererische (das heißt auf Religionszugehörigkeit basierende) und pro-kapitalistische Politik und für den Aufbau einer Arbeiterpartei, die eine Einheit der Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Armen über religiöse und ethnische Grenzen hinweg herstellen kann.

Für die Verteidigung der Lebensbedingungen – für den Aufbau einer Arbeiteralternative!

Ein Premierminister geht, ein anderer kommt. Doch die Aussicht auf Veränderung besteht nicht. Die neue Regierung wird eine Politik betreiben, die sich nicht wesentlich von der ihrer Vorgängerin unterscheidet. Weder mit Privatisierungen werden sie Schluss machen, noch wird es Unterstützung von der Regierung für die Landwirtschaft, die Industrie und den Öffentlichen Dienst geben. Für die ArbeiterInnen und Erwerbslosen wird sich nichts ändern. Es wird keine Verbesserung der Lebensbedingungen geben, weil der kapitalistische Ansatz derselbe bleibt mit denselben Motiven: Profite für die großen Unternehmen auf Kosten der Arbeiterklasse.

Die herrschende Klasse im Libanon verpflichtete sich mit ihren aufeinander folgenden Regierungen seit 1992 der Politik von IWF (Währungsfonds) und der Weltbank – zum Nutzen der mächtigen Banken. Das hat zum Ausbluten des Öffentlichen Dienstes geführt, zur Korruption in den Behörden und zu Kürzungen im industriellen und landwirtschaftlichen Bereich. Der Import wird gefördert. Der einzige Export, der stattfindet, ist der der jungen Leute, die 41 Prozent der Arbeitsfähigen ausmachen und die von hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind.

Während die herrschende Klasse alles und jeden verdrängt, um an der Macht zu bleiben, erleben die einfachen Leute im Libanon die Aufstände von ArbeiterInnen und jungen Menschen in Tunesien und Ägypten. Dort wurden Dutzende getötet und dafür bestraft, dass sie Aktionen zur Reduzierung der Preise und Demokratie fordern. Die Bedingungen für die jungen Leute in Tunesien und Ägypten sind denen der jungen Menschen im Libanon sehr ähnlich, die heute auf der Suche nach einem besseren Leben vor den Botschaften Schlange stehen – trotz der Schwierigkeiten, die es gibt, um eine Einreiseerlaubnis zu bekommen. 2010 lag die Inflationsrate bei 12 Prozent, Arbeitsplätze wurden gestrichen und die Arbeitslosigkeit stieg auf über 30 Prozent an. Produktive Sektoren in Industrie und Landwirtschaft wurden zu Grunde gerichtet oder werden von Monopolen kontrolliert und unterliegen der Spekulation an den Finanzmärkten.

Sowohl die „Opposition“ als auch die „regierungstreuen“ Kräfte nutzen die Verzweiflung der Arbeiterjugend aus, die keine Lösung für ihre Probleme und keine Alternative zur wirtschaftlichen Situation sieht. Dazu gehören unter anderem auch die höchsten Telefonkosten der Welt und hohe Steuern auf Benzin. Weil im Ausland zu arbeiten und Auswanderung keine Option mehr sind, haben einige junge Leute heute das Gefühl, dass es nötig wird, für Veränderung zu kämpfen und die korrupten Politiker sowie die Räuber der öffentlichen Gelder zur Verantwortung zu ziehen. Die Stimmung gegen die herrschende Elite und für eine Veränderung des Landes wird stärker. Diese Elite regiert seit der letzten Wahlperiode und sitzt seitdem in den Palästen – es sind die brutalen, sektiererischen und neoliberalen Kapitalisten, die die Arbeiterklasse in „Oppositionelle“ und „Regierungs-Unterstützer“ spalten.

Was in arabischen Ländern wie Tunesien, Ägypten, Algerien, Jemen, Jordanien und anderen passiert, ist nur der Anfang einer großen Veränderung. Im Libanon wird das Sektierertum die Arbeiterklasse nicht davon abhalten, gegen das reaktionäre Regime aufzustehen, das Armut und Kriege hervorbringt und das auf dem Teile-Und-Herrsche-Prinzip aufgebaut ist.

Die Zeit für den Aufbau einer Massenbewegung der ArbeiterInnen, die die Arbeiterklasse vereinen kann, ist gekommen:

• Für die Verstärkung der Arbeitskämpfe, um die neoliberale Wirtschaftspolitik herauszufordern

• Für eine Eskalation der Klassenkämpfe, die um die Forderung nach einer Arbeiteralternative vereint sein müssen

• Für staatliche Investitionen in den Öffentlichen Dienst und für die Zurückweisung von Privatisierungen

• Für die Verstaatlichung der Großunternehmen unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiterklasse und für den Einsatz des Reichtums zur Finanzierung öffentlicher Leistungen

• Für den Aufbau einer Massen-Arbeiterpartei, die die Arbeiterklasse gegen Armut und Sektierertum vereint

• Für den Kampf für echten, demokratischen Sozialismus