Korpsgeist bekämpfen

In der Bundeswehr demokratische Rechte einfordern


 

Unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen war die Ablehnung von Militär und Wehrpflicht in Deutschland überwältigend. Die „Bedrohung durch die Sowjetunion“ diente als Argument für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Die BRD trat der NATO bei, 1955 wurde die Bundeswehr gebildet, 1956 folgte die allgemeine Wehrpflicht. Ein Einsatz der Bundeswehr außerhalb der Bundesrepublik schien aber jahrzehntelang undenkbar. Immer wieder wurde beteuert, sie sei eine reine Verteidigungsarmee.

von Holger Dröge, Berlin

Nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa 1989/90 ergriffen die Herrschenden in Deutschland Maßnahmen, auch außerhalb Deutschlands militärisch wieder mitreden zu können. Wenn die Bundeswehr tatsächlich nur zur Verteidigung gegen die Armeen der Ostblockstaaten geschaffen worden wäre, dann hätte man sie ja jetzt auflösen können.

Doch das genaue Gegenteil wurde unternommen. Es wurden Sondereinheiten wie das Kommando Spezialkräfte (KSK) gebildet, sogenannte Krisenreaktionskräfte aufgebaut und der Anteil der Wehrpflichtigen immer weiter reduziert.

Im Jahr 2000 äußerte der damalige Verteidigungsminister Scharping (SPD): „Es ist schwer, eine Wehrpflichtarmee international einzusetzen, weil auf jeden Wehrpflichtigen zwei Elternteile und vier Großeltern schauen und von der Notwendigkeit eines Einsatzes überzeugt werden wollen.“ (Interview mit dem SPIEGEL 22/2000).

Unter der SPD/Grüne-Regierung von 1998 bis 2005 nahm die Bundeswehr im Jugoslawien-Krieg erstmals wieder an einem Kriegseinsatz teil.

Einsatz im Innern

Ob Castortransporte oder G8-Gipfel. In den letzten Jahren wurde immer wieder versucht, den Einsatz der Bundeswehr auch in Deutschland zu etablieren. Den Anfang machten die „Notstandsgesetze“, die 1968 trotz großen öffentlichen Protesten verabschiedet wurden. Nach Artikel 87a darf die Bundeswehr von der Bundesregierung unter bestimmten Bedingungen auch eingesetzt werden „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes“.

Aber die Bundeswehr betreibt auch Propaganda: Zum Beispiel gab es vor zwei Jahren eine Ausstellung von Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Logistikzentrum der Bundeswehr unter dem Titel: „Es betrifft Dich! Demokratie schützen – Gegen Extremismus in Deutschland” mit der Propaganda für den bürgerlichen Staat gemacht wurde.

Mit der ab 2006 neu geordneten Zivil-Militärischen-Zusammenarbeit (ZMZ) wurde die Einbindung der Bundeswehr in die Innenpolitik vorangetrieben. Die Frage, was mit den ZMZ in den Kommunen und Regionen bezweckt wird, wurde nun durch eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (Bundestagsdrucksache 16/13970) beantwortet: Der Einsatz der Bundeswehr gegen Streikende und Demonstrierende im Rahmen der Zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) ist nicht mehr auszuschließen. Ob „Großereignisse (Staatsbesuche, Gipfel) sowie damit in Zusammenhang stehende Demonstrationen Anlässe für die Zusammenkunft der Katastrophenschutzstäbe sein“ können, obliege den für die örtliche polizeiliche und nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr zuständigen Landesbehörden, heißt es in der Antwort. Es bleibe „dem jeweiligen konkreten Einzelfall vorbehalten“, ob Streiks im Transport-, Energie- oder Sanitätssektor oder bei der Müllabfuhr als Begründungen für ein Tätigwerden der ZMZ-Strukturen herangezogen werden können“.

Demokratie in der Bundeswehr

Der Stern titelte zum 50 jährigen Bestehen der Bundeswehr: „Armee der Demokratie”, doch die Realität sieht anders aus. In der Bundeswehr werden demokratische Rechte missachtet. Soldaten dürfen nicht streiken, keine Betriebsräte wählen. Soldaten, die protestieren, müssen mit Problemen rechnen.

Gleichzeitg werden sie, abgesondert von der arbeitenden Bevölkerung, in Kasernen untergebracht. Das begünstigt bei diesen Berufssoldaten einen rechten, reaktionären Elite- und Korpsgeist.

Nicht unsere Armee

Das gilt letztendlich für alle Armeen weltweit und die Welt wäre sicherer und friedlicher ohne Armeen. Aber solange der Kapitalismus das herrschende System ist, kann es keine friedliche Welt geben. Schon der preußische General Clausewitz hielt fest: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik unter Einbeziehung anderer Mittel” (Vom Kriege I, 1, 24). Und die herrschende Politik ist eine im Interesse der Banken und Konzerne. Bundeswehr und Kapitalismus sind untrennbar verbunden. Und es ist daher nicht die Aufgabe von ArbeiterInnen und Jugendlichen die Interessen der Kapitalisten zu vertreten, schon gar nicht mit Waffen und nach dem Prinzip von Befehl und Gehorsam. Der Kampf gegen Militarismus ist daher verbunden mit dem Kampf gegen den Kapitalismus.

Programm der SAV

Die SAV ist gegen die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee, aber auch eine Armee von Wehrpflichtigen wird im Interesse der Herrschenden eingesetzt, wie zum Beispiel der Vietnamkrieg zeigt. Für uns steht im Vordergrund, dass die Bundeswehr kein taugliches Mittel der Herrschenden zur Durchsetzung ihrer Politik ist.

Wenn deutsche Soldaten im Ausland kämpfen, dann tun sie dies nicht im Interesse der Arbeiterklasse. Es sind die Interessen des deutschen Kapitals die am Hindukusch verteidigt werden. Daher setzen wir für ein Ende aller Auslandseinsätze ein, egal unter welchem Mandat sie stattfinden. Das Kommando Spezialkräfte, die Krisenreaktionskräfte und alle anderen Sondereinheiten gehören abgeschafft.

Aber auch dem Einsatz der Bundeswehr im Inneren muss ein Riegel vorgeschoben werden. Die ZMZ gehört abgeschafft.

Gleichzeitig sind demokratische Rechte in der Bundeswehr von Nöten. Die SAV fordert die Wahl aller Offiziere durch die Mannschaften (einschließlich der Möglichkeit der Abwahl). Es muss das Recht geben, auf allen Ebenen demokratische Soldatenkomitees zu wählen, welche die Interessen der Mannschaften vertreten.

Dazu gehört das Recht auf gewerkschaftliche, einschließlich des Streikrechts, und politische Betätigung bei der Bundeswehr, sowie volle Rede- und Versammlungsfreiheit. Wir setzen uns gegen die Kasernierung und heimatferne Stationierung der SoldatInnen ein.

Der Kampf für diese Forderungen und gegen den Militarismus muss zum Ziel haben, die Armee im Ernstfall unbrauchbar für die aggressiven Ziele der Herrschenden zu machen. Letztendlich lehnen SozialistInnen eine Armee, die die Interessen der Kapitalisten nach innen und außen vertritt, grundlegend ab. Darum kämpfen wir für eine sozialistische Veränderung – in Deutschland und weltweit.