Kölner U-Bahn-Bau

Mahnung und Warnung


 

Liebe Gegnerinnen und Gegner von "Stuttgart 21",

trotz Eures massenhaften Widerstandes weigern sich die Verantwortlichen bislang, dieses Projekt aufzugeben. Wie notwendig und richtig es ist, dieses Projekt zu stoppen, mag das Beispiel der Kölner Nord-Süd-U-Bahn zeigen.

In Köln handelt es sich nicht mehr um die Frage, was passieren kann, wenn gegen begründete Mahnungen und Warnungen ein unsinniges Projekt durchgezogen wird.

Aus Köln muss man leider berichten, was passiert ist.

Bei uns wird derzeit die Nord-Süd U-Bahn gebaut. Baubeginn war Anfang 2004. Ursprünglich sollte die gesamte Strecke Ende 2010 in Betrieb gehen. Jetzt spricht der Vorstandschef der Kölner Verkehrsbetriebe von Ende 2017 als Datum für eine mögliche Inbetriebnahme.

2 Milliarden für 4 km

Ursprünglich wurden die Baukosten mit 550 Millionen Euro angegeben. Mittlerweile werden die Baukosten mit 1,1 Milliarde Euro beziffert.

Dazu kommen allerdings noch die Kosten durch den Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Insgesamt schätzt man die Kosten für die Bergung und Restaurierung der Archivalien, Neubau des Stadtarcharchivs, Abriss benachbarter Häuser, Sanierung einer benachbarten Schule, Baustellensicherung, Folgen Bauverzögerung, auf über 1 Milliarde Euro. Einen genauen Betrag kann heute noch niemand nennen. Er wird aber deutlich über 2 Milliarden Euro liegen.

Verglichen mit S21 ist die Nord-Süd-Bahn sogar ein kleines Projekt. Die Tunnelstrecke ist rund 4 km lang, zusätzliche 2 km sollen oberirdisch als Straßenbahn verlaufen.

Warnungen ignoriert

Die Geschichte der Nord-Süd-U-Bahn ist eine Geschichte von ignorierten Warnungen. Bereits vor dem Einsturz des Stadtarchivs gab es eine Reihe von Zwischenfällen. Im September 2004 neigte sich der Turm der Kirche St. Johann Baptist. Etliche Häuser entlang der U-Bahn Baustrecke bekamen im weiteren Verlauf der Bauarbeiten Risse. Der Ratsturm des Historischen Rathauses senkte sich im August 2007 um sieben Millimeter. Trotzdem wurde unverdrossen weiter gegraben.

Am 3. März 2009 geschah die eigentliche Katastrophe. Das Stadtarchiv und zwei angrenzende Häuser stürzten ein. Zwei Bewohner, 17 und 24 Jahre jung, starben in den Trümmern.

Die Unglücksstelle ist bis heute eine Baustelle, 10 Prozent der Archivalien liegen immer noch im Kölner Grundwasser.

Inzwischen wurde bekannt, dass beim Bau u.a. vorgeschriebene Bauprotokolle gefälscht und illegal Grundwasser abgepumpt wurde. Federführend beim Bau der Nord-Süd-Bahn ist der Konzern Bilfinger Berger. Die Kontrollen waren mangelhaft.

Die Folgen soll jetzt die breite Masse der Bevölkerung bezahlen. Die immensen Mehrkosten werden nämlich bislang hauptsächlich von der Stadt getragen. Die beteiligten Baukonzerne haben dagegen noch keinen Cent bezahlt.

Lügen und Zinsen

Beim Bau wurde nicht nur gepfuscht sondern auch vorher schon gelogen. Ein Beispiel sind die Kostensteigerungen für die Stadt Köln. Ursprünglich hieß es: Die Stadt werde 10% der Baukosten (= 55 Mio. Euro) tragen. Schon damals war aber klar, dass die Stadt auch die Nebenkosten (= 82 Mio. Euro) bezahlen wird, also 132 Mio. Euro.

Heute summieren sich die Kosten für die Stadt auf rund 450 Mio., weil die Nebenkosten noch stärker gestiegen sind als die Baukosten und Teile von Bund und Land nicht als "förderungswürdig" anerkannt wurden. Da die Stadt kein Geld hat, muss sie das über Kredite finanzieren, die Gesamtsumme steigt so (über 35 Jahre abzuzahlen) auf 924 Mio. alleine für die Stadt Köln.

Von propagandistischen 55 Mio. Euro auf reale 924 Mio. Euro, das ist die tatsächliche Kostensteigerung für die Stadt Köln. Das macht pro Jahr 26 Mio. Euro Belastung für den Haushalt, 35 Jahre lang. Und darin sind die Schäden durch den Archiveinsturz noch gar nicht enthalten.

Die Stadtratsmehrheit hat bereits Einschnitte bei den Ausgaben für Jugend und Soziales für dieses Jahr umgesetzt. Ein Kürzungshaushalt und Gebührenerhöhungen sollen demnächst beschlossen werden.

Liebe Gegnerinnen und Gegner von S21: In Köln gab es zwar Protest gegen den Bau der Nord-Süd-Bahn, aber er war leider schwach. Wenn die Menschen in Köln so entschlossen und zahlreich aufgestanden wären wie ihr in Stuttgart und das Projekt verhindert hätten, dann würden zwei Menschen noch leben, das Stadtarchiv wäre unversehrt, die AnwohnerInnen müssten nicht jahrelang Lärm und Dreck ertragen und die Allgemeinheit hätte viel, viel Geld gespart. So aber sollen wir und sogar noch die nächste Generation mit Sozialkürzungen, Gebührenerhöhungen und höheren Fahrpreise für dieses unsinnige Projekt zahlen.

Wir unterstützen Euren Protest und wünschen Euch vollen Erfolg.

Bleibt entschlossen, bleibt oben!

Solidarische Grüße

Claus Ludwig, Stadtrat Die LINKE.Köln*

Özlem Demirel, Mitglied des Landtages NRW, Die LINKE*

Linksjugend ["solid] Köln

*Angabe der Funktion dient zur Kenntlichmachung der Person