Top Kill

BP und die Ölkatastrophe am Golf von Mexiko


 

Die Karibik brennt. Da bei einer Probebohrung der Ölplattform „Deepwater Horizon“ etwas schief ging, plätschern täglich Hunderte Tonnen Öl ins kalte Nass. Selbst nach möglicherweise noch frisierten Angaben Washingtons waren das Ende Mai schon 85 Millionen Liter Öl – mehr als das Doppelte der Tanker-Katastrophe von Exxon-Valdez 1989 vor Alaska. Elf Arbeiter kamen bei der Explosion der von British Petroleum (BP) geleasten „Deepwater Horizon“ ums Leben.

von Marco Immisch, Berlin

Noch immer ist das Bohrloch nicht geschlossen. Noch immer laufen Millionen Liter Öl aus. Ein Versuch, das Leck mit Schlamm zu schließen, lief unter dem Namen „Top Kill“. Dieser Versuch scheiterte. Aber die Folge des BP-Handelns ist nichts anderes als Top Kill.

Ölteppich

Eine „Lösung“, das ausgelaufene Öl wegzubekommen, ist, es abzubrennen. Dabei wird in Kauf genommen, dass Verbrennungsrückstände in die Luft und ins Meer gelangen. Eine weitere ist das Aufsprühen von Chemikalien auf das Öl. Das sorgt dafür, dass das Öl sich besser mit dem Wasser vermischt. Das Problem: So gelangen Öl und die zur Auflösung benötigten Chemikalien ins Meer.

Müllhalde Weltmeere

Und fürs Meer gibt es schon genug Probleme: die Überfischung, die Überdüngung und der Zustrom von Pflanzenschutzmitteln, die Zerstörung des Meeresbodens zum Beispiel durch Schleppnetze, der nicht enden wollende Zufluss von Ölprodukten, die Versauerung durch Kohlendioxydanreicherung, die Verklappung von Müll, die Anreicherung von Schwermetallen und radioaktiven Stoffen, Atombombenversuche, das Entleeren von Ballastwassertanks der Schiffe – eine unvollständige Aufzählung dessen, was die Meere langsam aber sicher in eine stinkende, leblose Pfütze verwandelt.

Kapitalismus bedeutet Vernichtung

Die Havarie der „Deepwater Horizon“ ist nur ein Beispiel dieses Systems für den Umgang mit der Natur. Raubbau trifft es nicht – es herrscht Krieg gegen das Leben. Ausbeutung von allem und jedem. Alles für den Profit.

Anstatt die Gewinne der Ölkonzerne dafür einzusetzen, eine Alternative zum Öl zu finden, wird fleißig nach neuem gebohrt. Und zwar immer riskanter. „Wer es etwas sicherer will, muss sich eben für Bohrungen an Land entscheiden, zum Beispiel im Arctic National Wildlife Refuge“, so Sarah Palin, die stockkonservative Ex-Gouverneurin von Alaska (SPIEGEL ONLINE vom 23. Mai).

Das grüne Mäntelchen, das sich Konzerne gerne umhängen – so wie es auch BP tut – ist nichts weiter als Blendwerk und die Hoffnung, dass niemand genauer hinschaut. Aber sie beweisen Tag für Tag, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt von ihnen nicht zu erwarten ist.

Die Umwelt ist keine auszubeutende Ressource. Wir sind ohne intaktes Ökosystem genauso im Arsch wie der Heuler unterm Robbenklopper.

Wie BP lügt und Geld macht

– „Unsere Industrie ging davon aus, dass wir über die Jahre gelernt hätten, diese Risiken zu beherrschen“ (BP-Vorstandsvorsitzender Tony Hayward). Die zu erwartenden Schäden nach der Explosion der „Deepwater“ nannte Hayward „geringfügig“.

– Die Methoden zur Schließung eines Bohrlochs 1,5 Kilometer unter dem Wasserspiegel wurden noch nie erprobt.

– Vor der Katastrophe am Golf von Mexiko waren Warnzeichen übersehen und nötige Tests nicht durchgeführt worden.

– Die amtliche Rohstoffaufsicht „Minerals Management Service (MMS), die Ölbohrungen genehmigt, haben BP und Co. fest im Griff: „Nach einer Untersuchung des Innenministeriums für die Jahre 2005 bis 2007 haben manche Aufseher den Ölunternehmen erlaubt, Prüfungsformulare selbst mit dem Bleistift auszufüllen, bevor der Kontrolleur dann mit Kugelschreiber die Worte nachschrieb. Inspektoren akzeptierten Mahlzeiten, Geschenke und Einladungen“, so die FAZ vom 29. Mai. „Umweltprüfungen wurden lasch gehandhabt.“

– Trotz Rezession und fallender Ölpreise wies BP 2009 einen Nettogewinn von 14 Milliarden Dollar aus. Im 1. Quartal 2010 verdiente der Konzern sechs Milliarden.

Obamas Katrina

Nach dem Hurrikan „Katrina“ vor fünf Jahren steckte der damalige US-Präsident George W. seinen Kopf in den Sand. Diese Vogelstrauß-Politik betreibt jetzt auch sein Nachfolger.

Selbst die FAZ fragte am 29. Mai: „Warum übernahm das Weiße Haus zunächst die Zahlen von BP, statt sich umgehend ein eigenes Bild von der Lage zu machen?“ Erst neun Tage nach der Explosion wurde die Katastrophe zum „Unfall von nationaler Bedeutung“ erklärt – die Voraussetzung, um uneingeschränkt Mittel aus dem Bundeshaushalt freigeben zu können. Auch die Bürgerlichen spotten, dass Barack Obamas Drohung, BP die Federführung im Kampf gegen die Ölpest zu entziehen, eine leere Drohung ist. Nötig wäre es, den privaten Ölmultis ein für alle Mal das Handwerk zu legen, in dem man sie enteignet. Obama, der von BP über 77.000 Dollar Spenden erhielt, mehr als jeder andere Politiker in den letzten 20 Jahren, wird diesen Weg kaum einschlagen.