Schicksalsfrage Regierungsbeteiligung

Wie DIE LINKE in NRW agieren und argumentieren sollte


 

Die Frage der Regierungsbeteiligung ist entscheidend für die Zukunft der LINKEN.

In der Partei gibt es bekanntlich Befürworter und Gegner einer Regierungs-Koalition mit SPD und Grünen in NRW. Aber auch innerhalb dieser Lager gibt es Unterschiede. Das wurde auch bei der Regionalkonferenz-Rheinland in NRW am 17. Mai deutlich.

von Georg Kümmel, Köln

Die Mehrheit der Befürworter einer solchen Koalition haben tatsächlich die Illusion, dass man mit SPD und Grünen den Sozialabbau stoppen könnte, auch wenn man nicht alle eigenen Forderungen durchsetzen könne.

Eine kleine Minderheit deutete allerdings auch an, dass eine Koalition selbst dann zu rechtfertigen sei, wenn man zwar Kürzungen zustimmen müsste, aber an anderer Stelle einzelne Punkte des LINKEN-Programms durchsetzen könnte.

Problematisch ist allerdings auch die Position derer, die eine Regierungsbeteiligung nach eigenen Angaben ablehnen, aus taktischen Gründen aber an Sondierungsgesprächen teilnehmen und eine Koalition mit SPD-Grünen nicht öffentlich ausschließen wollen. Sie argumentieren in etwa so: Wir wissen, dass eine Koalition mit SPD und Grünen zu Sozialabbau führen würde. Aber die WählerInnen wissen das noch nicht. Deshalb gehen wir auf das Angebot der Sondierungsgespräche ein und lehnen auch eine Koalition nicht im vor hinein ab. Wir bleiben natürlich bei unseren Forderungen und werden keinen Kürzungen zustimmen. Deshalb werden die Verhandlungen scheitern. Aber wir haben gezeigt, wofür wir stehen. Für das Scheitern werden die WählerInnen die SPD und Grünen verantwortlich machen.

Das hört sich zunächst gut an, doch diese Rechnung wird nicht aufgehen. Die LINKE-NRW trifft sich jetzt zu Sondierungsgesprächen mit SPD und Grünen. Dort geht es offiziell darum, die Möglichkeit einer gemeinsamen Regierung auszuloten. Nun hat die LINKE immer wieder erklärt, dass es mit ihr keine Zustimmung zu Sozialabbau geben würde und eine Regierungsbeteiligung nur in Frage komme, wenn es dadurch zu einem grundlegenden Politikwechsel im Sinne der Beschäftigten, Erwerbslosen etc. komme.

Wenn die LINKE die Möglichkeit einer Koalition nicht ausschließt und sich zu Sondierungsgesprächen trifft, heißt das im Umkehrschluss, man hält einen Politikwechsel mit SPD und Grünen für möglich. Das ist jedenfalls die Botschaft die ankommt. Wenn man sich aber einem Bündnis mit zwei Parteien verweigert, mit denen man vorgeblich eine Politik im Interesse der Bevölkerungsmehrheit, dann fällt die Schuld für das Scheitern auch auf die LINKE zurück.

SPD, GRÜNE und Teile der Medien würden argumentieren: "Im Bündnis mit Rot-Grün hätte es zumindest ein paar kleine Fortschritte gegeben, aber die mangelnde Kompromissbereitschaft der LINKEN hat das leider verhindert". Wem wird man dann die Schuld am Scheitern einer Rot-Rot-Grünen Koalition geben?

Was ist denn, wenn SPD und Grüne in die Gespräche gehen, mit dem Ziel die LINKE vorzuführen?

Sie sollen zum Beispiel verlangt haben, dass die LINKE sich zuerst von der DDR distanziert. Nach Meinung der SAV sollten Sozialisten immer klar sagen, dass die DDR kein Sozialismus, sondern eine stalinistische Diktatur war. Aber man sollte sich von den Kriegs-Parteien SPD und Grüne natürlich nicht zu plumpem Anti-Kommunismus zwingen lassen..

Wem werden die WählerInnen die Schuld geben, wenn man am Ende dasteht und sagen muss: "Wir waren der Meinung, dass man mit SPD-Grüne möglicherweise einen Politikwechsel schaffen kann, aber zu einer Verurteilung der Verhältnisse in der DDR sind wir so nicht bereit. Deshalb wird es keine Koalition geben." Wem werden dann wohl selbst potenzielle LINKE-WählerInnen die Schuld am Scheitern geben?

Wenn man sich zu Sondierungsgesprächen bezüglich einer Regierungskoalition trifft, wenn man eine Koalition mit Rot-Grün nicht klar ausschließt, schürt man die Illusion, mit Rot-Grün sei ein Politikwechsel möglich. in Zeiten der Krise führt der pro-kapitalistische Charakter von SPD und Grünen zwangsläufig zu einer Politik, die sich gegen die Lohnabhängigen, Erwerbslosen und Jugendlichen wendet. Eine soziale Politik muss notwendigerweise antikapitalistisch sein. Das ist mit SPD und Grünen nicht möglich.

Was sollte die LINKE in NRW stattdessen tun? Was sollten ihre VertreterInnen sagen, wenn sie zu ihrer Haltung gegenüber Sondierungs-, Koalitionsgesprächen und möglicher Regierungskoalition gefragt werden. Hier ein fiktives Interview und Antworten, die die LINKE so bisher nicht gibt aber geben sollte:

Sind sie zu Sondierungsgespräche mit SPD und Grünen bereit?

„Wir, die LINKE-NRW, haben schon eine Reihe von Gesetzesvorschlägen vorbereitet, mit denen die unsozialen Maßnahmen der Rüttgers-Regierung wieder rückgängig gemacht werden können. Diese Gesetzentwürfe werden wir jetzt in einem offenen Brief an SPD und GRÜNE schicken. Wir sind gespannt in einem Gespräch zu hören, welchen unserer Gesetzentwürfe SPD und Grüne bei der Abstimmung im Landtag zustimmen wollen.“

Sie sind nicht zu einer Koalition mit SPD und Grünen bereit. Eher würden sie also Rüttgers als Ministerpräsidenten im Amt lassen?

„Tatsache ist, dass SPD und Grüne eine Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen haben. Beide sind also offensichtlich unter Umständen bereit, Rüttgers oder einen seiner Parteigänger im Amt zu lassen. An uns würde die Abwahl von Rüttgers dagegen nicht scheitern. Laut Landesverfassung reicht zur Wahl des Ministerpräsidenten die einfache Mehrheit. Da wir natürlich nicht für Rüttgers stimmen werden, liegt es in der Hand von SPD und Grünen Rüttgers abzuwählen, wenn sie wollen.“

SPD und Grünen haben angekündigt, die Studiengebühren abzuschaffen. Wie wollen sie den Wählern vermitteln, wenn das ausgerechnet an der LINKEN scheitert?

„Die Abschaffung der Studiengebühren würde nicht an uns scheitern. Wir werden in der ersten Sitzung des Landtages ein entsprechenden Gesetz einbringen dass die sofortige Abschaffung fordert. Wenn SPD und Grüne es ernst meinen, dann können sie dem zustimmen und die Studiengebühren sind weg. Das gleiche gilt für andere sozialpolitische Maßnahmen.“

Mit diesen Antworten würde die LINKE zeigen, dass die Absage an eine Regierungsbeteiligung kein Widerspruch zur Durchsetzung linker Forderungen ist.

Trotzdem bleibt das Problem, dass viele WählerInnen auch der LINKEN nicht trauen. Immerhin sind 40 Prozent der Wahlberechtigten bei der Wahl zu Hause geblieben. In Meinungsumfragen rangierte DIE LINKE bei der Glaubwürdigkeit auf dem letzten Platz. Außerdem gibt es kaum eine Vorstellung, wie man von außen Druck auf eine Regierung machen kann.

Vertrauen kann man letztendlich nicht durch reden gewinnen sondern durch Taten. Die LINKE muss durch Handeln beweisen, dass sie anders ist als die etablierten Parteien.

Der Kampf gegen die Studiengebühren geht mit einem Bildungsstreik am 9. Juni weiter. Am 12. Juni gibt es Demonstrationen unter dem Motto „Wir zahlen Eure Krise nicht.“ Die Linke hat im Wahlkampf viele Geld für Plakate ausgegeben und im ganzen Land Flugblättern mit Wahlaufrufen verteilt. Sie könnte und müsste jetzt mit ebenso großem Einsatz für die Teilnahme am Bildungsstreik und an den Demonstrationen am 12. Juni werben. Also im ganz NRW und bundesweit Plakatflächen mieten, Flugblätter an Haushalte, vor Schulen und Betrieben verteilen, um für den Bildungsstreik und die Demos am 12. Juni zu mobilisieren.

Wolfgang Zimmermann und Bärbel Beuermann sollten die große Medienaufmerksamkeit dazu nutzen, nicht nur über Regierungskonstellationen und parlamentarische Tätigkeit zu sprechen, sondern in die Mikrofone sagen: „DIE LINKE wird im Parlament nur etwas bewirken können, wenn sie sich auf Proteste, Bewegungen, Streiks stützen kann. Deshalb rufen wir alle Arbeiter, Arbeitslosen und Jugendlichen auf, selber aktiv zu werden, sich in Gewerkschaften, sozialen Bewegungen und der LINKEN zu organisieren und mit uns gemeinsam zu kämpfen.“ Überall sollten die Abgeordneten in den nächsten Wochen die Diskussion mit Gewerkschaftern, Erwerbslosenvertretern und Bildungsstreik-Aktivisten intensivieren. Zur ersten Landtagssitzung sollte DIE LINKE schon jetzt gemeinsam mit anderen zu einer großen Demonstration zur sofortigen Abschaffung der Studiengebühren und für die Rücknahme der Verschlechterungen beim Personalvertretungsgesetz aufrufen und mobilisieren.

Das müsste einher gehen mit einem Engagement für kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Die SPD- und Grünen-Männer an der Spitze der Gewerkschaften sind eine Bremse bei der Organisierung von Gegenwehr. Sie müssen politisch durch linke Gewerkschafter herausgefordert werden. DIE LINKE darf keine Angst haben, den Gewerkschaftsbossen auf die Füße zu treten.

Auch die elf Landtagsabgeordneten könnten zeigen, dass sie grundlegend anders sind als die Politiker der etablierten Parteien. Sie sollten von ihren Diäten, (9.979 Euro monatlich brutto), nur den Betrag behalten, der einem durchschnittlichen Facharbeiterlohn entspricht, plus nachweislichen Ausgaben, die durch die Ausübung ihrer Abgeordnetentätigkeit entstehen. Alles darüber hinaus sollten sie an die LINKE und soziale Bewegungen abführen. Dann würde jeder Wähler und jede Wählerin sofort erkennen, dass DIE LINKE sich grundlegend von allen anderen Parteien unterscheidet und es LINKE-Politikern um die Inhalte und nicht Karriere oder persönliche Motive geht.

Der Mangel an Vertrauen in die LINKE hängt auch mit deren unklaren Haltung gegenüber der DDR zusammen. Auf die Fragen der Journalisten sollte man einfach die Wahrheit sagen: "Die DDR war kein Sozialismus, sondern eine stalinistische Diktatur. Sozialismus ohne Demokratie kann es nicht geben."

Auf dieser Grundlage kann sie dann glaubwürdig erklären, was die Alternative zum kapitalistischen Krisensystem und damit auch zu Arbeitslosigkeit, Armut und Krieg ist: Eine sozialistische Demokratie, in der Wirtschaft und Gesellschaft demokratisch organisiert sind. Das ist eine Gesellschaft, in der die Frage nicht mehr lautet: Was nützt den Profiten der Banken und Konzerne? Sondern: was ist gut für die Menschen und die Umwelt?

Mit der Verbindung von kämpferischer Politik und sozialistischer Perspektive könnte die LINKE zu einem Anziehungspunkt werden, den Sozialabbau-Parteien von CDU bis SPD das Fürchten lehren und einen entscheidenden Beitrag zu erfolgreichem Widerstand gegen die Sozialabbaupolitik der etablierten Parteien leisten.

Georg Kümmel ist Mitglied der LINKEN in Köln und gehört dem SAV-Bundesvorstand an.