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Mit Hilfe des Marktes?


 

Hintergrund: Bonner Klimagipfel im Juni 2010

Der Weltklimagipfel in Kopenhagen im Dezember letzten Jahres vereinbarte das Ziel, den Anstieg der Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Selbst dann würden, so die Weltbank, neue und turbulentere Wetterbedingungen die Folge sein. Schon bei 1,5 Grad Erwärmung der Atmosphäre wären viele Arten und Lebensräume direkt bedroht.

Aber nicht einmal auf die angestrebte Beschränkung der Temperaturerhöhung können sich die Herrschenden verbindlich festlegen, geschweige denn konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes in die Wege leiten. Der Klimagipfel der Vereinten Nationen in Kopenhagen war nichts als heiße Luft. Sogar das Wall Street Journal konstatierte, dass die Zusammenkunft endete, wie sie begann, nicht zuletzt weil China und die USA „nicht ihre globale Wettbewerbsfähigkeit dem Wohle der Umwelt opfern wollen, erst Recht nicht während einer Rezession.“ Nach Ablauf der beim Gipfel gesetzten Frist zur Meldung der Ziele beziehungsweise Aktionspläne erklärten nur 56 von 194 Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention ihre Unterstützung zum so genannten „Copenhagen Accord“. 36 Industriestaaten stellten konkrete Klimagasreduktionen in Aussicht. „Dabei wiederholten fast alle lediglich Ankündigungen, die sie schon vor Kopenhagen gemacht hatten“, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) am 2. Februar.

Der nächste Klimagipfel steht uns im Juni ins Haus – dieser findet in Bonn statt. Diesen Termin müssen wir uns im Kalender rot markieren. Nicht um die Worthülsen und die grinsenden Regierungsvertreter auf den Pressefotos vom Bonner Hofgarten oder sonstwo abzuwarten. Nein, um an die internationale Großdemonstration von 100.000 Menschen in Kopenhagen anzuknüpfen und den Widerstand gegen die Klimakiller zu intensivieren.

pro

Simon Kuchinke, Erfurt, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen Jugend

Wir stecken mittendrin, im Klimawandel. Das zeigten jüngst die Bilder aus Haiti. Unsere Umwelt wird ausgebeutet, wir verweigern uns unserer ökologischen Verantwortung. Hier gilt leider das Prinzip: „Die Wirtschaft befriedigt Bedürfnisse auf Kosten der Umwelt.“ Unternehmungen gegen dieses skandalöse Verhalten scheitern, denn die Umwelt hat zu wenig Lobby.

Auch der Verbraucher merkt beim Kauf eines Produkts zunächst nicht, dass er für die Umweltschäden aufkommen muss. Was tun, wenn sich der Schuldige nicht findet? – Väterchen Staat übernimmt die Kosten. Diese schleichende Ungerechtigkeit muss beendet werden. Unternehmen müssen haftbar und für die von ihnen verursachte Umweltverschmutzung zur Verantwortung gezogen werden.

Wir leben im Hier und Jetzt und trotzdem müssen wir vorausschauen, damit auch für zukünftige Generationen das Leben auf unserem Planeten noch möglich ist. Das funktioniert nur mit einem nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen, denn die sind endlich. Der Staat muss handeln und das blinde Wachstum stoppen.

Das Zeitalter der erneuerbaren Energien hat längst begonnen. Die Konzepte für die Nutzung von Wind, Wasser, Sonne, Biomasse und Geothermie liegen auf dem Tisch. Wir könnten statt heute zehn Prozent bis 2050 sogar 100 Prozent unseres gesamten Energiebedarfs mit diesen Energien decken. Zum Beispiel in der Solarwirtschaft arbeiten heute schon mehr Menschen als in der Erdöl-, Erdgas- und Kohleindustrie.

Aber, was nutzt ein riesengroßer Staudamm in China oder ein gigantischer Windpark in der Sahara? Erneuerbare Energien müssen dezentral zum Einsatz kommen. Nur das stärkt ländliche Regionen, schafft neue Arbeitsplätze und fördert zudem kommunale Strukturen.

Das Credo der Marktwirtschaft ist freier Wettbewerb, dieser ist jedoch bei einem Blick auf den Strommarkt nicht vorhanden. Es ist ein Skandal, dass RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall nicht nur 80 Prozent unseres Stromes erzeugen, sondern dass sie zudem auch noch 100 Prozent des gesamten deutschen Stromnetzes besitzen. Dieses Oligopol muss zerschlagen werden. Die Netze gehören in öffentliche Hand, damit auch kleine und ökologisch orientierte Stromanbieter die Chance bekommen, ihren Strom zu fairen Preisen anzubieten.

Ein nächster Schritt ist ein Stopp für den Bau neuer Kohlekraftwerke und das Vorantreiben des Ausstiegs aus der Atomkraft, denn die Störfälle in den Atomkraftwerken der letzten Jahre und die unbeantwortete Frage eines sicheren Endlagers sind „strahlende“ Beispiele dafür, dass das atomare Zeitalter vorüber ist. Dazu gehört auch, dass der Lobbyverein, das Deutsche Atomforum (DAtF), endlich abgeschafft werden muss.

Obwohl das Problem des Klimawandels nur global wirklich bekämpft werden könnte, waren die Staats- und Regierungschefs handlungsunfähig auf dem Klimagipfel der Vereinten Nationen im Dezember in Kopenhagen. Stattdessen bildeten sie eine Pokerrunde, auf der ums Klima gespielt wurde. Das Geklüngel der Industrieländer geht zu Lasten der Kleinen, der nicht industrialisierten Länder, die am stärksten betroffen sind. Und denen dennoch das Geld fehlt, um dem Klimawandel so zu begegnen, dass sie nicht absaufen.

Millionen Menschen werden in den nächsten Jahren zu Klimaflüchtlingen und die Verantwortung für diese Menschen mag keiner übernehmen. Das nur, damit wir weiterhin mit unserer Überproduktion 6,6 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid produzieren können.

Dabei gibt es nur diese eine Welt, die wir bewahren müss(t)en.

contra

Stefanie Berkemeyer, Dortmund, SAV-Mitglied

Das Problem der Umweltzerstörung kann – ebenso wie Armut und Hunger – nur global gelöst werden. Die Zeit wird knapp. Die Vertreter des Marktes werden uns dabei nicht helfen. Alles Gerede der Herrschenden von sicherer und ökologischer Energieerzeugung zeigt keine Wirkung.

Wir haben zum Beispiel erlebt, dass es seit Jahren Diskussionen über den Atomausstieg gibt. Rot-Grün schreckte jedoch davor zurück, sich mit der Atomindustrie anzulegen. Auch alle Klimaschutz-Abkommen – wie das von Rio 1992, das Kyoto-Protokoll 1997 oder der Klimagipfel in Kopenhagen 2009 – helfen nicht, um den absoluten Klimakollaps zu verhindern. Im Gegenteil: Der weltweite CO2-Ausstoß ist stetig gestiegen, Wälder wurden gerodet, Ozeane überfischt und verschmutzt.

Eine Umstellung auf eine ökologische Energieproduktion wäre bereits heute möglich. Nötig wäre es, vorhandene und neue Technologien zu optimieren und effizient zu nutzen: Geothermie, die Kraft aus Ebbe und Flut, Solarenergie, Photovoltaik, Bioenergie und Windkraft. Anstatt in Rüstung zu investieren und rückständige Technologien beizubehalten, könnte ein Mix aus verschiedenen ökologischen Energiequellen in unser Netz fließen. Der Stromverbrauch der gesamten Menschheit könnte gedeckt werden, wenn je nach den gegebenen geografischen und klimatischen Bedingungen weltweit regenerative Energiequellen und alle Einsparpotenziale genutzt würden.

Die Umsetzung solcher Technologien verlangt jedoch massive Investitionen, zu deren Tätigung die einzelnen privaten Unternehmer nicht bereit sind. Wir können nicht warten, bis einzelne Technologien für die Banken und Konzerne profitabel werden (was aus ihrer Sicht der einzige Grund wäre, zu investieren), während die Umweltzerstörung weiter voranschreitet. Umweltschutz „lohnt sich nicht“ – zumindest finanziell. Investitionen werden im Kapitalismus immer nur dort getätigt, wo sie – kurzfristig – gewinnbringend erscheinen. Im Rahmen des Marktes wird das Kurzfristige dem Langfristigen vorgezogen. Indirekte Folgekosten werden ignoriert.

Der Emissionshandel zeigt, wie fatal marktwirtschaftliche Umweltpolitik ist. Emittenten bekommen eine bestimmte Menge Emissionen als Zertifikate gutgeschrieben. Erstens darf man also weiter Dreck machen. Zweitens darf man damit handeln – was auch der Spekulation Vorschub leistet. Drittens geben auch hier (wie generell in der Konkurrenzwirtschaft) immer die Großen den Ton an: So erreichten es klimaschädliche Kohlekraftwerke, besonders viele Zertifikate zugesprochen zu bekommen.

Umweltschutz kann nicht funktionieren, solange die Profite privater, miteinander konkurrierender Konzerne im Vordergrund stehen. Nachhaltigkeit, ökologisches Denken oder gar Handeln wird es so nicht geben.

Deshalb wird die Umweltkatastrophe innerhalb des Kapitalismus nicht aufzuhalten sein. Der Kampf dagegen kann nur auf Basis eines Wirtschaftssystems gelingen, das die Ressourcen der Erde schont und die Bedürfnisse aller Menschen befriedigt. Ein solches System setzt voraus, dass die Macht der Konzerne gebrochen wurde – die Multis also in öffentliches Eigentum überführt worden sind. Bei demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaften, arbeitende Bevölkerung, VerbraucherInnen und Umweltverbänden. Die brutale Konkurrenz muss durch eine demokratisch geplante Wirtschaft ersetzt – und vor allem international organisiert – werden.

Um Erderwärmung, Verwüstung und Raubbau aufzuhalten, können wir keinen Tag länger auf den „freien Markt“, die Kapitalisten und ihre Politiker vertrauen. Es kommt auf uns an!