Standortpakt

IG Metall ohne Lohnforderung?


 

Die IG Metall will ohne konkrete Lohnforderung in die kommende Tarifrunde ziehen. Das machte deren Chef Berthold Huber am Montag in der Zeitung Die Welt klar – einen Tag, bevor der Gewerkschaftsvorstand eine Entscheidung in dieser Frage treffen kann. Statt dessen soll bei den voraussichtlich noch im Februar beginnenden Gesprächen die »Beschäftigungssicherung« im Vordergrund stehen. Doch auch deren Kosten sollen hauptsächlich die Arbeiter und Angestellten tragen.

von Daniel Behruzi, Frankfurt/Main

Wenn die IG Metall »ohne Konditionen« in die Tarifverhandlungen gehe, bleibe sie ihrer »bisherigen Linie treu«, betonte Huber. Und tatsächlich wäre dies die Fortsetzung des Standortpakts, den die Gewerkschaftsspitze seit Krisenbeginn forciert. Staatliche Hilfen und Verzichtsleistungen der Mitarbeiter sollen die Unternehmen von Massenentlassungen abhalten. Klar ist, daß die Arbeitsplatzvernichtung damit nur exportiert wird. Doch auch das hat Tradition: Bereits seit fast 15 Jahren sorgen die hiesigen Gewerkschaften trotz gegenteiliger internationaler Absprachen mit einer »moderaten« Lohnpolitik für eine Steigerung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit – auf Kosten vor allem der europäischen Nachbarländer.

Für die Geldbeutel der Beschäftigten verheißen Hubers aktuelle Äußerungen nichts Gutes. Die »Reallohnsicherung«, von der er spricht, werden die Unternehmer freiwillig nicht gewähren. Durch die Friedenspflicht bei vorgezogenen Verhandlungen beraubt sich die Gewerkschaft aber jeglicher Druckmittel. Zugleich kommen auf die Beschäftigten zunehmende Belastungen zu. Die Kommunen reagieren auf die Krise mit drastischen Gebührenerhöhungen bei Kitas, Müllabfuhr usw. Steuererhöhungen auf Bundesebene werden – allem Geschwätz schwarz-gelber Politiker zum Trotz – bald folgen.

Auch die bisherigen und künftigen Maßnahmen zur »Beschäftigungssicherung« werden vor allem von den Lohnabhängigen selbst finanziert. Die von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Zuschüsse bei Kurzarbeit stammen größtenteils aus Beiträgen und Steuern der Beschäftigten. Und bei Arbeitszeitverkürzung über den »Beschäftigunssicherungstarifvertrag« sinken die Löhne entsprechend. Der von der IG Metall geforderte Teillohnausgleich bei noch weiterer Arbeitszeitabsenkung würde das nur geringfügig ändern. Dabei ist die Umverteilung der Arbeit die richtige Antwort auf die Jobkrise. Ohne vollen Lohnausgleich bedeutet sie jedoch, daß die Frage »Wer zahlt für die Krise?« zuungunsten der Beschäftigten beantwortet wird.

Das Lavieren der IG Metall zeigt vor allem eins: In Krisenzeiten stößt ein rein gewerkschaftlicher Ansatz, der nicht über den Kapitalismus hinausweist, an seine Grenzen. Wer das private Eigentum an Produktionsmitteln nicht in Frage stellt, kann keine adäquate Antwort auf den Abbau von Überkapazitäten geben. Wer das Konkurrenzprinzip akzeptiert, darf Unternehmen in der Krise keine Belastungen aufbürden. Dann bleibt nur noch, den Abbau ein wenig abzufedern – mehr nicht.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt