Zeigt China den Weg für die Nutzung erneuerbarer Energie?

Zur ökologischen Nutzung erneuerbarer Energieträger ist eine sozialistische Politik nötig


 

von Vincent Kolo, chinaworker.info

Bisher erleben wir nur einen Hauch von dem, was in der chinesischen Solar- und Windkraftsparte möglich wäre, um dem Klimawandel zu verhindern. Und dabei ist diese Branche bereits rasant gewachsen. Die Zielvorstellungen des weltweiten und des chinesischen Kapitalismus jedoch behindern und verzerren diese Entwicklungen. Dadurch werden Investitionsblasen, Überkapazitäten und extreme Ungleichgewichte erzeugt. Obwohl China schon jetzt zum größten Produzenten von Solarzellen und Windkraftanlagen avanciert ist, geht der bei weitem größte Teil davon in den Export, vor allem in die entwickelten kapitalistischen Staaten. Diesen ist es somit möglich, den eigenen Kohlenstoffausstoß zu begrenzen, während sie große Teile ihrer hochgradig umweltbelastenden Industrien in arme Länder mit lascheren Regularien verlagern, besonders auch nach China.

Ziel der Zentralregierung ist es, in den nächsten zehn Jahren 15 Prozent des Energiebedarfs Chinas aus Windkraft, Solaranlagen und anderen erneuerbaren Quellen zu beziehen. Heute liegt der Anteil erneuerbarer Energien bei weniger als einem Prozent. Doch während das Investitionsvolumen in erneuerbare Energien rasant gewachsen ist – der Anteil der Windenergie hat sich in jedem der letzten vier Jahre jeweils verdoppelt – wurden längst nicht alle Möglichkeiten genutzt, die diese Sparte bietet. Umgekehrt sind einige dieser Investitionen aus klima-politischer Perspektive sogar kontraproduktiv, bedenkt man den momentanen Produktivitätsgrad.

Polysilizium, Hauptbestandteil einer Solarpanele, und Komponenten für Windkraftanlagen gehörten zu insgesamt sechs Industriezweigen (neben Stahl, Zement, Flachglas, Kohle und Chemikalien), die die Regierung jüngst auf die Liste der Branchen mit den bedenklich größten Überkapazitäten setzte. Diese Liste wurde veröffentlicht, um die Banken dazu zu bringen, die Kreditvergabe für besagte Bereiche einzudämmen. Für einen Erfolg dieser Regierungsmaßnahme gibt es nicht wirklich einen Beleg. „Im gesamten Bereich der Neuen Energieträger bestehen Investitionsblasen“, bemerkte die South China Morning Post (10. September 2009). Das veranlasste die Kommission für nationale Entwicklung und Reformen, die oberste Planungsbehörde, „stärkere Zugangsbeschränkungen“ zu verlangen, um zu verhindern, dass noch weitere Unternehmen oder Regionalverwaltungen in diesen Sektor einsteigen.

Chinas Solarenergie-Industrie ist in halsbrecherischem Tempo expandiert. Sie ist heute der weltgrößte Produzent von Polysilizium. 2004 noch war diese Branche vollkommen unbedeutend, erreichte aber 2007 schon einen Output von 4.000 Tonnen Polysilizium. In diesem Jahr stieg die Zahl auf 30.000 Tonnen, und das Ziel heißt 150.000 Tonnen bis 2011. Allein im letzten Jahr nahmen überall in China 33 neue Produktionsanlagen den Betrieb auf. „Doch statt damit die Welt zu retten verschärft die Produktion von Solarpanelen den Grad an Umweltverschmutzung und steigert den Energieverbrauch“, wie Stephen Chen es in der South China Morning Post (10. September 2009) zeigt. Das ist die Realität des kapitalistischen Produktionssystems, verbunden mit Müll und einem chaotischen Mangel an Planung.

In Chens Artikel wird dargelegt, dass für die Produktion von 10 Kilogramm Polysilizium – genug, um daraus Solarpanelen mit einer Kapazität von einem Kilowatt herzustellen – in chinesischen Fabriken zwei Tonnen an Steinkohle verfeuert werden. Eine Ein-Kilowatt-Panele reicht, um einen Kühlschrank einen Tag am Laufen zu halten. Wohingegen besagte Menge an Steinkohle genügt, um denselben Kühlschrank 20 Jahre lang in Gang zu behalten! Der Wissenschafts- und Technologieminister Dr. Wan Gang räumte ein, dass China viel Kohle verbrennt, um Solarpanelen herzustellen, welche dann in den Westen exportiert werden. „Die entwickelten Staaten bekommen saubere Luft und die Reputation einer kohlenstofffreien Wirtschaft, während Umweltverschmutzung und Treibhausgasemissionen uns angekreidet werden“, sagte er. Darüber hinaus hat eine zu rasante Ausdehnung (im Verhältnis zur momentan herrschenden Nachfrage, die nicht gerade beflügelt ist) zu starkem Preisverfall geführt. Ein Kilo Polysilizium, das vergangenes Jahr noch für 350 US-Dollar verkauft wurde, kostet heute noch 70 US-Dollar. Damit kommen einige chinesische Hersteller in die Situation, noch nicht einmal ihren Energiebedarf decken zu können!

Die Herstellung von Silizium birgt obendrein große Gesundheitsrisiken. Obwohl diese Branche noch ein sehr junger Industriezweig ist, hat es bereits eine Serie von lokalen Kämpfen gegen den Bau solcher Anlagen gegeben, von denen einige in gewalttätigen Zusammenstößen mit der Polizei mündeten. Dr. Dang Qingde, Umweltexperte aus Sichuan, erklärte: „Eine einfache Polysiliziumanlage ist wie eine einfache Bombe. Sie mag sauber und unschuldig aussehen, du willst aber keine in deiner Nachbarschaft haben.“ Dang führte mehr als zehn giftige Substanzen von Chlor bis hin zu Trichloramin (das die Lungen angreift) auf, die in einer üblichen Produktionsstätte für Polysilizium gefunden wurden.

Windkraft

Die rasante Entwicklung der Windkraft in China, mit der der Klimawandel bekämpft werden könnte, wird durch eine unkoordinierte Planung und unzulängliche Technologie bei wahnwitziger Überinvestition in wesentlich ertragreichere Niedrigtechnologie-Sektoren vereitelt.

Von diesen Hemmnissen befreit könnte einem Bericht im US-Wissenschaftsmagazin Science zufolge allein die Windkraft China dazu befähigen, seine Emissionen um 30 Prozent in den nächsten zwei Jahrzehnten zu verringern. Dieses eine Beispiel verdeutlicht die grundlegende Schwäche der chinesischen Ökonomie: Masse triumphiert über Qualität und billige Arbeitskraft triumphiert über Technologie. Unternehmen, die zuvor Spielzeug und andere nun von der Krise befallene Produkte hergestellt haben, haben in diesem Jahr aus Gründen der Spekulation Bares in die Windkraft- und Solarsparte gepumpt. Das wurde pünktlich mit rapide steigenden Börsenkursen belohnt, da Hedgefonds und andere Finanzgeber verrückt nach allem sind, was den Begriff „China“ mit dem Wort „grün“ in Verbindung bringt.

Zur Zeit gibt es in China mehr als 100 Turbinenproduzenten, die auf niedrigem technologischen Level Türme und Turbinen für Windkraftwerke herstellen – allzu oft von schlechter Qualität. Es gibt jedoch nur eine handvoll chinesischer Firmen, die Übersetzungsgetriebe oder andere technologieintensive Komponenten für Turbinen produzieren. Dieses Missverhältnis, das aus mangelnder Planung heraus resultiert, hat zu extremen Wettbewerbsverzerrungen geführt. Eine Überproduktion an Turbinen hat die Preise schrumpfen lassen. Ums Überleben kämpfende Turbinenhersteller geben diesen Preisverfall weiter an die Zulieferer ihrer Hi-Tech-Komponenten, was das Überleben einiger dieser Unternehmen bedroht. Hu Yueming, Vorstandsvorsitzender der China High Speed Transmission Equipment Group, sagt eine massive Marktbereinigung dieser Industriesparte voraus und warnt davor, dass möglicher Weise nur ein Unternehmen unter den Turbinenproduzenten überleben wird.

Die Möglichkeiten der Windkraft sind in China auch deshalb eingeschränkt, weil Technologie hauptsächlich importiert wird. Windkraft ist abhängig von den Witterungsbedingungen, was die Verbindung von Windparks mit dem landesweiten Stromnetz kostenintensiv werden lässt.

In China fehlt ein flächendeckendes landesweites Stromnetz – teilweise wegen der Kosten, teilweise aus politischen Gründen: Die Provinzen sichern neidvoll ihre „eigenen“ Stromquellen ab. So kommt es, dass von den aktuell vorhandenen 12,2 Gigawatt an abrufbarer Windenergie nur ein Viertel genutzt wird. Um diesen Zustand überwinden zu können, brauchen Chinas Stromnetz und die Energiespeichersysteme eine teure, umfassende, technische Aufrüstung. Siemens ist ein Konzern der von diesem Prozess auf dem schnell wachsenden, lukrativen Markt profitieren möchte. Siemens will seine Technologie der „intelligenten Netze“ verkaufen, die es ermöglicht, schwankende Einspeisungsvolumina der Windparks auszugleichen. Doch wer wird das bezahlen? Für die Gespräche in Kopenhagen sind Fragen dieser Art von zentraler Bedeutung: Die kapitalistischen Regierungen werden ein gigantisches „Schwarzer Peter“-Spiel miteinander spielen.

Peking wird – unterstützt von Indien und weiteren Entwicklungsländern – darauf bestehen, dass die entwickelten kapitalistischen Länder wenigstens einen Teil der Rechnung übernehmen. Es ist die Rede von 100 Milliarden US-Dollar jährlich, die die reichen Länder in die „Verringerung“, dass heißt die Unterstützung der armen Länder zur Umstellung auf kohlenstoffarme Modelle, stecken sollen. Doch die kapitalistische Klasse in den Geberländern wird in diesem Fall darauf beharren, Emissionszertifikate billiger zu machen, um mehr Kontrolle zu haben und größere Gewinne aus diesem Prozess mitnehmen zu können. Solcher Art „Unterstützung“ wird benutzt, um die Märkte der Entwicklungsländer für die multinationalen Konzerne der entwickelten Länder weiter zu öffnen.

SozialistInnen lehnen diesen Ansatz ab. Stattdessen treten wir für die Verstaatlichung der multinationalen Energie- und Technologiekonzerne, der herstellenden Industrie, der Banken und der Baubranche unter demokratischer Kontrolle und für eine weltweit gemeinsame Vorgehensweise nach dem Solidaritätsprinzip ein, um die technologischen wie finanziellen Probleme zu überwinden, die mit dem Klimawandel zusammenhängen. Auf dieser Grundlage würde die Technologie eines Konzerns wie Siemens allen zugänglich und China wie auch anderen Entwicklungsländern wäre es möglich, ohne die Doktrin der Profitlogik nicht nur aufzuschließen, sondern den völligen Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu vollziehen.

CO2-Einlagerung

Das einzige Feld, auf dem die USA eine technische Zusammenarbeit mit China vorantreibt, ist das der „CO2-Einlagerung“, eine kaum ausgetestete Technologie, bei der es darum geht, CO2 nicht in die Atmosphäre entweichen zu lassen, sondern es zu verdichten und in Felsformationen tief unter der Erde einzulagern. Es handelt sich hierbei um einen äußerst fragwürdigen Prozess und im Falle der US-amerikanisch-chinesischen Zusammenarbeit geht es natürlich darum, China zum CO2-Lager für andere Länder zu machen. In der chinesischen Regierung wie auch der Geschäftswelt gibt es viele, die diese Perspektive verfolgen. Zudem handelt es sich hierbei um ein Feld, bei dem das diktatorische chinesische System und der massive Unterdrückungsapparat von ausländischen Kapitalisten und Regierungen als Vorteil angesehen wird, wobei sich letztere von Protestgruppen verfolgt fühlen und gezwungen sind, sich periodischen Wahlen auszusetzen. Dass die Ölkonzerne die CO2-Einlagerung favorisieren, ist kein Zufall. Wird damit doch ein weiterer Impuls gesetzt, der die Abhängigkeit vom Öl auch in Zukunft manifestiert. Außerdem ist diese Technologie eine kostspielige. Das IPCC („Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen“, auch Klimarat genannt, mit Sitz in Genf; Anm. d. Übers.) schätzt, dass die CO2-Einlagerung und -kompression zu einer Zunahme des Energieverbrauchs eines Kohlekraftwerkes von 25 Prozent bis 40 Prozent führen wird. Es bestehen allerdings auch starke Sicherheitsbedenken. Internationale Experten, darunter auch Betreiber von Versuchslagerstätten, warnen, dass der Prozess zu Gasaustritt und unterirdischen Bewegungen führen kann. Vor dem Hintergrund der besorgniserregenden Umweltschutzbestimmungen für Unternehmen, Behörden und Regionalverwaltungen in China ist dies kein besonders beruhigender Gedanke.

Konkurrenz ist das Problem

Die Klimakrise bedeutet, dass die Welt nicht länger ein Konkurrenzsystem aufrechterhalten kann, das nationalstaatlich organisiert und profitgesteuert ist und in dem sich die Forschung in der Hand der verantwortungslosen Unternehmen befindet. Es herrscht dringender Bedarf gemeinsamer globaler Beratungen, um die nötigen Technologien zu entwickeln, mit denen eine Umstellung auf erneuerbare Energieträger möglich wird. Das wird nur auf Grundlage eines massiven Regierungs-Förderprogramms unter demokratischer Kontrolle und ohne Einfluss durch Spekulanten oder den Markt möglich sein. Unter kapitalistischen Bedingungen werden die Profite mittels intelligenter Eigentumsrechte abgesichert, die den Großkonzernen und der Elite eine Monopolstellung verleihen. Es ist, als würde die Welt von einer „Technologie-Mafia“ erpresst. Das Ganze geschieht wie im Falle der globalen Medikamentenproduzenten und ihrer Weigerung, gesellschaftlich dringend benötigte Programme zur Bekämpfung von HIV und anderer lebensbedrohlicher Krankheiten in den armen Staaten aufzulegen.

Das erklärt auch die bisher unternommenen, zögerlichen Schritte zur Entwicklung von strombetriebenen Fahrzeugen (welche an sich noch keinen Fortschritt bedeuten, so lange der Großteil der Energie aus fossilen Energieträgern kommt). Die historische Krise in der Automobilindustrie hat das Tempo der Entwicklung zwar gesteigert, Verbrennungsmotoren stellen allerdings immer noch 99 Prozent der verkauften Fahrzeuge. Die großen Automobilkonzerne haben alle ihre eigenen Prototypen mit Elektroantrieb, kein einziger ist aber bisher in die Massenproduktion gegangen. Milliarden US-Dollar sind für einzelne und miteinander konkurrierende Forschungsprojekte und Designprogramme geflossen, wohingegen man mit einem gemeinsamen Ansatz oder der Idee der „open source“ (analog der kostenlosen Zurverfügungstellung von Computerprogrammen; Erg. d. Übers.) den Entwicklungsstand zweifelsohne schon längst zu einem Bruchteil der Kosten hätte weitertreiben können. Der Kapitalismus zerstört nicht nur den Planeten, er behindert auch die Suche nach Lösungen. Klimakrise und Kopenhagener Gipfeltreffen stellen uns folglich vor die Wahl: Sozialismus oder verheerende Klimafolgen!