Zetsche und Co. Stoppen – Streiks fortsetzen und ausweiten

Flugblatt der SAV Stuttgart vom 8. Dezember 2009


 

Zetsche und Co. Stoppen – Streiks fortsetzen und ausweiten

Eintägiger Generalstreik gegen Arbeitsplatzvernichtung, kommunale Kürzungen und „Stuttgart 21“

Die Daimler-Bosse wollen die C-Klasse 2014 aus Sindelfingen wegverlagern und damit bis zu 8.000 Arbeitsplätze vernichten. Bis Anfang Dezember verweigerten sie Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der IGM. Als vom 2. bis 4. Dezember die Arbeiter in Sindelfingen spontan die Arbeit niederlegten und die Proteste auf Untertürkheim und Mettingen übergriffen, konnte es Zetsche plötzlich nicht schnell genug mit Verhandlungen gehen. Der streikbedingte Produktionsausfall von 1.000 Autos pro Streiktag in Sindelfingen und die Folgewirkung des Stillstands der Bänder im Werk Rastatt nötigten Zetsche bei den Betriebsversammlungen am 7.12. vor die Belegschaft zu treten und das Blaue vom Himmel zu versprechen.

Trotz Verlagerung werde „kein einziger Job in Sindelfingen verloren gehen“…“Die nächste Generation der E- und der S-Klasse wird definitiv in Sindelfingen gebaut“….Sindelfingen bleibe das „Herz von Mercedes“ und der „Treiber unserer technologischen Innovation, der Dreh- und Angelpunkt für die zweite Erfindung des Automobils“ Angesichts der Wut der Beschäftigten setzt Zetsche sogar noch das Versprechen drauf, dass 200 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen würden. Aber von schönen Worten und leeren Versprechungen lässt sich die Daimler-Belegschaft nicht mehr täuschen und beruhigen. In beiden Schichten weigerten sich die Arbeiter am 7.12. nach der Betriebsversammlung an die Bänder zu gehen.

Keine faulen Kompromisse

In einer Situation, in der es in der Autoindustrie 30 Prozent Überkapazitäten gibt, Belegschaften bei den Zulieferer, im Maschinen- und Werkzeugbau mit dem Rücken zur Wand stehen, wäre es fatal, wenn der bei Daimler Sindelfingen begonnene Widerstand durch eine Vereinbarung gebrochen wird, die nur betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Seit 2004 hat der Daimler-Konzern ohne betriebsbedingte Kündigungen 30.000 Arbeitsplätze abgebaut. Bei de facto fünf Millionen Arbeitslosen gibt es keinen sozialverträglichen Arbeitsplatzabbau mehr. Wenn Zetsche davon redet, Arbeitsplätze durch das Zurückholen von ausgelagerten Bereichen zu sichern, dann ist das keine Arbeitsplatzsicherung, sondern die Verlagerung von Arbeitsplatzvernichtung auf Belegschaften der Zulieferindustrie. Betriebsrat und IGM dürfen sich darauf nicht einlassen.

Schluss mit Verzichtspolitik

Jeder Arbeitsplatz in Sindelfingen und in allen in- und ausländischen Daimler-Werken muss verteidigt werden. Die ganze Politik von Lohnverzicht und Arbeitsintensivierung muss gestoppt werden. Das für 2009 und 2010 angekündigte milliardenschwere Personalkostenkürzungsprogramm muss weg! Statt 10% Kapitalrendite muss das Ziel heißen: sichere Arbeitsplätze für alle, humane Arbeitsbedingungen, kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohn- und Personalausgleich, die Übernahme aller Azubis und mehr Ausbildungsplätze.

Bosse feuern

Immer wieder ertönten bei den Demos am 4.12. in Sindelfingen und Böblingen Sprechchöre: „Zetsche raus“, „Vorstand raus“. Und diese Manager gehören tatsächlich gefeuert. Denn sie vertreten die Interessen der Großaktionäre. Und so lange die Profitinteressen der Aktionäre Daimler und die Wirtschaft bestimmen, haben die arbeitende Menschen und die Jugend keine Perspektive. Die Krise bei Daimler ist Teil der Systemkrise. Diese Krise bedeutet für den Mittleren Neckarraum eine Deindustrialisierung. Das Tempo der Arbeitsplatzvernichtung wird noch schneller und die Auswirkungen noch schlimmer sein als der Niedergang des Bergbaus und der Stahlindustrie im Ruhrgebiet. Obendrein soll die arbeitende Bevölkerung für die krisenbedingten Steuerausfälle bluten. In Stuttgart soll am 17. und 18. Dezember ein Haushalt verabschiedet werden, der die Einwohner mit 75 Millionen Kürzungen bzw. Gebührenerhöhungen belastet. Gleichzeitig wird daran festgehalten mit dem Wahnsinnsprojekt S 21 die Profitinteressen der Konzerne und Immobilienspekulanten zu bedienen.

Volle Kampfkraft in die Waagschale werfen

Die spontanen Streiks bei Daimler Sindelfingen am 2.und 3., die Demonstrationen nach Sindelfingen und Böblingen mit 15.000 bzw. 8.000 Kolleginnen und Kollegen am 4.12., die spontane Arbeitsniederlegung in einem Bereich in Mettingen in der Nachtschicht vom 4. auf den 5.12. 12. haben das Vertrauen in die eigene Stärke enorm aufgebaut und die Stimmung radikalisiert. Aufgabe der IGM ist es, die kämpferische Stimmung zu nutzen, um die Bewegung entschlossen weiter aufzubauen und die Kampfschritte zu steigern. Aus den Belegschaften heraus muss dafür Druck aufgebaut werden. Dazu ist es nötig, dass sich kämpferische Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben zusammenschließen, Betriebsgruppen wie die „Alternative“ bilden, Kampfvorschläge machen, eigene Flugblätter und Zeitungen herausgeben, weitere Streiks und Kampfschritte initiieren und sich betriebsübergreifend vernetzen.

Wir meinen: eine Streikbewegung, wie in Sindelfingen ist überfällig. Sie muss fortgeführt und auf andere Metallbetriebe in der Region, auf alle Daimler-Standorte, auf Opel und alle andere Belegschaften und Gewerkschaften ausgedehnt werden. Radikale Angriffe aus den Chefetagen verlangen radikale Kampfmaßnahmen. Die Politik des Co.Management durch Betriebsräte und Gewerkschaftsfunktionäre muss beendet werden. In den Abteilungen und Werken sollten demokratisch legitimierte Streikleitungen gewählt werden, die die Streiks und regelmässige Abteilungs- und Betriebsversammlungen organisieren. Die Mitglieder dieser Streikleitungen sollten jederzeit abwählbar sein.

Regionaler eintägiger Generalstreik

Zeitgleich mit der Kundgebung bei Daimler-Sindelfingen gab es bei Kühler-Behr am 1.12. eine Protestbetriebsversammlung gegen die Vernichtung von 440 Arbeitsplätzen und weiteren Verzicht. Nach der Betriebsversammlung blockierten 200 Kollegen für ca. 20 Minuten die B10/B27 zum Pragsattel. Zeitgleich mit den Betriebsversammlungen und Arbeitsniederlegungen bei Daimler-Sindelfingen am 7.12. gab es vor der Konzernzentrale von Mahle eine Protestaktion gegen Arbeitsplatzvernichtung. Die Belegschaft beim Filterhersteller Mann + Hummel in Ludwigsburg kündigte Widerstand gegen die Vernichtung von 400 Arbeitsplätzen an. In Stuttgart und in Sindelfingen gibt es Proteste gegen kommunale Kürzungen. Am 9.12. soll die Entscheidung über S 21 fallen. Jeden Montag gibt es derzeit von 18.00 bis 18.30 am Stuttgarter Bahnhof eine Protestaktion. Die Zahl der Protestierer war am 7.12. auf über 2.500 angestiegen. An der Uni Stuttgart halten Studierende seit Mitte November einen Hörsaal besetzt. Es wäre wichtig und notwendig die Proteste all dieser zugespitzten Auseinandersetzungen zusammenzuführen. Ein eintägiger Generalstreik Mitte Dezember und eine Großdemonstration in Stuttgart wäre die richtige Antwort eines gebündelten und gesteigerten Widerstands.

Krisenursachen beseitigen – Kapitalismus abschaffen

Wenn die Unternehmer sagen, der Konkurrenzkampf und die Krise zwinge sie dazu Arbeitsplätze zu vernichten und Lohnkosten zu senken, spricht das nicht für Arbeitsplatzvernichtung und Lohnsenkung, sondern gegen das Profit- und Konkurrenzsystem. Wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln dazu führt, dass der Masse der Bevölkerung die Existenzgrundlage entzogen wird, dann muss den Unternehmern die Kontrolle über die Produktionsmittel entzogen werden. Nicht umsonst steht in § 2, Absatz 4 der Satzung der IGM als Ziel: „Überführung von Schlüssel- und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum“ Nur wenn die Autoindustrie verstaatlicht und unter demokratische Verwaltung und Kontrolle der Belegschaften und der Allgemeinheit gestellt werden, ist es möglich die Kapazitäten für den gesellschaftlichen Bedarf von öffentlichen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln und anderen staatlich finanzierten Produkten umzustellen. Profite, die bisher von den Aktionären abgeschöpft werden, stehen dann zur Finanzierung von Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, für humane Arbeitsbedingungen, für Forschung und Entwicklung von sinnvollen und gesellschaftlich nützlichen Produkten zur Verfügung.

Stuttgart, den 08. Dezember 2009