Brandenburger LINKE darf sich nicht an Platzeck-Regierung beteiligen

SPD/LINKE-Koalitionsvertrag bedeutet Fortsetzung der Politik der Großen Koalition


 

Bevor Parteitage von SPD und Linkspartei am Mittwoch, den 4. November endgültig über die Koalitionsvereinbarungen in Brandenburg befinden sollen, wurde bereits Zustimmung signalisiert: Letzte Woche gab der SPD-Landesvorstand für den Vertragsentwurf grünes Licht, Anfang dieser Woche votierten laut LINKEN-Landeschef Thomas Nord die Mitglieder von Landesvorstand und Landesausschuss per E-Mails für den Text. Lob gab es aber auch außerhalb der beiden Verhandlungs- und Parteiführungen. Und zwar von der CDU-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Johanna Wanka: „Es ist bis auf ein paar symbolische Kleinigkeiten eher der Versuch, die bisherige erfolgreiche Politik, die in der Wirtschaft oder der Wissenschaft die Handschrift der CDU trägt, fortzusetzen.“

von Aron Amm, Berlin

Wanka erklärte im Tagesspiegel vom 27. Oktober weiter: Nach „einem Politikwechsel, nach neuen Ideen und Konzepten sieht das bisher nicht aus.“ Die CDU-Chefin resümierte im Tagesspiegel-Gespräch, es bleibe in Brandenburg unter Rot-Rot alles beim Alten. Beifall aus der Schönbohm-Partei für die Koalitionsvereinbarungen? Spätestens das muss aufhorchen lassen. Und Wanka trifft den Nagel auf den Kopf. Was die Verhandlungsführer SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck und Kerstin Kaiser von der LINKEN präsentierten, war nichts anderes als alter Wein in neuen Schläuchen. Für Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche, RentnerInnen ungenießbar!

Koalitionsvertrag – arbeitnehmer-, jugend- und umweltfeindlich

Der vorliegende Vertragstext knüpft direkt an den Kahlschlag unter der Großen Koalition an und stellt eine Kampfansage an die arbeitende und erwerbslose Bevölkerung in Brandenburg dar.

Beispiel Arbeitsplatzabbau: „Die Landesregierung wird so viele neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen, dass der Personalbestand im Jahr 2014 bei 45.500 liegt. Für 2019 geht die Koalition von einer Zielzahl von 40.000 aus “ (Zeile 2.037 ff des Koalitionsvertrags). Heute hat Brandenburg etwa 50.000 Beschäftigte im Öffentlichen Dienst, damit sollen bis 2014 knapp 5.000 und bis 2019 10.000 Stellen gestrichen werden. Die 8.000 öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnisse werden lediglich „angestrebt“ (Zeile 1.079) und unter einen Mitfinanzierungsvorbehalt durch den Bund gestellt. Diese Stellen, für die der Koalitionsvertrag keine Tarifbindung vorsieht, sind nichts weiter als befristete Niedriglohnjobs, ohne ALG-I-Anspruch.

Beispiel Studiengebühren: Von einer Abschaffung der Immatrikulations- und Rückmeldegebühren in Höhe von 51 Euro – also den verdeckten Studiengebühren – ist im Koalitionsvertrag nirgendwo die Rede. Zudem wird mit Graduiertenschulen und Exzellenzcluster (Stärkung der Spitzenforschung) die Elitebildung unterstützt, mit einer Schwerpunktsetzung auf die naturwissenschaftlichen Fächer zu Lasten der Geistes- und Sozialwissenschaften werden die Interessen der Industriellenverbände bedient.

Beispiel Umweltzerstörung: Der Braunkohleförderung wird nicht Einhalt geboten. Für neue Tagebaue drohen weitere Umsiedlungen. Damit trägt der Vertrag die Handschrift von Vattenfall (die Braunkohlekraftwerke Vattenfalls machen rund 60 Prozent der CO2-Emissionen in Brandenburg aus). Natürlich müsste eine Beendigung der Braunkohleförderung mit der Schaffung von sinnvollen Ersatzarbeitsplätzen für alle Beschäftigten verbunden sein.

Beispiel EU: „Brandenburg bekennt sich nachdrücklich (…) zum Vertrag von Lissabon“ (Zeile 2.066 ff). Alle EU-Regierungen haben Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, dass der Vertrag in Kraft tritt; ein Vertrag, der Privatisierungen, Deregulierungen und die Militarisierung der EU fördert.

„Wahlbetrug“

Der Koalitionsvertrag stößt bei potenziellen Bündnispartnern der LINKEN auf breite Ablehnung.

Als die Ergebnisse bekannt wurden, setzte ein Sturm der Entrüstung ein – von der Studierendenvertretung der Universität Potsdam zum Landesauschuss der Studentinnen und Studenten (LASS) der GEW, von der DGB Jugend Berlin/Brandenburg zu BUND und NABU. Der Allgemeine Studuerendenausschuss (AStA) der Universität Potsdam bezeichnete die Vereinbarungen als eine „hochschulpolitische Bankrotterklärung“ und warf der LINKEN „Wahlbetrug“ vor. „Es wird in Brandenburg – entegen aller Beteuerungen – weiterhin versteckte Studiengebühren geben, fröhlich weiter zwangsexmatrikuliert werden und kein Teilzeitstudium geben“, so die AStA-Vorsitzende Katja Klebig. AStA-Finanzreferent Stefan Morgenweck konstatierte: „Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten erhält laut Koalitionsvertrag 280 Millionen Euro in den nächsten zehn Jahren, die Hochschulen 212 Millionen in fünf Jahren. Das sind doch mal Prioritäten für eine zukunftsorientierte Politik.“ Angesichts der avisierten Weiterführung der Braunkohleförderung und der Einstufung der Carbon Capture und Storage Technologie (CCS) als weiter zu erforschende Option, erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat: Mit diesen Festlegungen „fallen beide Koalitionspartner, sowohl SPD als auch LINKE, hinter ihren Aussagen im Wahlkampf zurück“. Und Daniel Wucherpfennig von der DGB-Jugend Berlin/Brandenburg rechnet vor, dass mit den Vereinbarungen „erheblich weniger Maßnahmemittel für die Jugendverbände, die Jugendbildungsstätten und die freien Träger zur Verfügung stehen werden“.

Damit sind Proteste von DGB-Jugend, Umweltverbänden, Studierendenvertretungen und anderen gegen die neue Regierung in Brandenburg und folglich auch gegen die Linkspartei programmiert. Also Proteste von denjenigen, die DIE LINKE eigentlich als Bündnispartner versteht und mit denen im Schulterschluss Beschäftigte, Erwerbslose, Jugendliche und sozial Benachteiligte gegen Rotstift-Politik mobilisiert werden müssten.

Wenn der LINKEN Wahlbetrug vorgeworfen wird, wenn Proteste gegen eine Regierung unter Beteiligung der Linkspartei zu erwarten sind, dann wird die Partei darüber nicht weiter aufbauen können. Mehr noch. Sie wird früher oder später Mitglieder, Anhänger- und WählerInnen verlieren.

Nachverhandeln? Oder mit der SPD brechen?

Die Koalitionsvereinbarungen sind so verheerend, dass es sogar auf der letzten Sitzung des geschäftsführenden Parteivorstandes im Karl-Liebknecht-Haus laut und turbulent geworden sein soll. Selbst Wolfgang Methling, Fraktionsvorsitzender der LINKEN in Mecklenburg-Vorpommern, drängt auf Nachverhandlungen. Das sei sicher nicht leicht, „das weiß ich sehr wohl“, so der Ex-Umweltminister, „aber bedenkt: Es geht um Eure und unsere Glaubwürdigkeit, auch für künftige Wahlkämpfe.“ Auch der LandessprecherInnenrat von Linksjugend ["solid] Brandenburg, der ein 20-seitiges Kritikpapier herausgab, fordert mit dem Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic und anderen lediglich „Nachverhandlungen“. Gleichzeitig wird der Verhandlungsgruppe „das Vertrauen ausgesprochen und für ihre intensive Arbeit gedankt“. „Intensive Arbeit“ woran? Daran, Wahlprogrammpunkte über Bord zu werfen? Es wird nicht einmal benannt, was mit welchem Ziel nachverhandelt werden soll! Damit hätte die Verhandlungskommission eine Blankovollmacht, könnte das eine oder andere Komma anders setzen und hiermit problemlos durchkommen, da die innerparteiliche Opposition sich mit ihrem inhaltsleeren Antrag politisch selbst entwaffnet hat.

Auch andere wie die Strömung „Sozialistische Linke“ äußern sich zwar sehr kritisch bezüglich der Koalitionsvereinbarungen, fordern jedoch ebenfalls keine Beendigung dieser Verhandlungen; von einer klaren Absage an eine Beteiligung in einer SPD-geführten Landesregierung ganz zu schweigen. Genau das wäre jetzt aber das Gebot der Stunde.

Staat auf Regierungsbeteiligung jetzt auf Widerstand setzen!

Der Koalitionsvertrag – wie auch schon der Kurs der Großen Koalition – beweisen in aller Klarheit, dass die SPD ihren Frieden mit dem System geschlossen hat. Mit ihr zusammen in der Regierung wird die Linkspartei niemals den Kampf gegen die Unternehmermacht aufnehmen können. Eine Regierung, die nicht willfähriger Diener von „denen da oben“ sein möchte, müsste aber unmittelbar einen solchen Konflikt mit dem Establishment eingehen. Schließlich ist jede Regierung, ob im Land oder im Bund, im Rahmen des Kapitalismus immer Sachverwalter der Banken- und Konzernbesitzer. Darum gilt: Entweder, sie gerät direkt in Konfrontation mit den Herrschenden, oder aber sie erweist sich als Stütze des bestehenden Systems und bedient Kapitalerinteressen.

DIE LINKE in Brandenburg steht am Scheideweg. Ihre Aufgabe wäre es jetzt, deutlich zu machen, dass sie weiter Studiengebühren bekämpft, für den Ausbau statt dem Abbau von Arbeitsplätzen im Öffentlichen Dienst eintritt, den Militarismus schwächen will und zu allem Nein sagt, was den Klimawandel weiter fördert. Sie sollte erklären, dass sie auch bereit ist, zu regieren – aber die Beteiligung an einer Regierung ablehnt, die Verschlechterungen für die große Mehrheit der Bevölkerung mit sich bringen und mit der die kapitalistische Misere weiter verwaltet werden soll. Da sich einmal mehr gezeigt, hat, dass von der SPD nichts anderes zu erwarten ist, bleibt DIE LINKE Opposition und stellt sich auf die Seite von Gewerkschaften, Umweltverbänden und sozialen Bewegungen – um den Protesten gegen Sozialkahlschlag, Umweltvernichtung und Kriegspolitik Rückhalt zu geben und die Partei als soziale und sozialistische Interessenvertetung weiter aufzubauen.