Palästina: Hebt die Sanktionen gegen Gaza auf

Es folgt der Text eines Flugblatts, das Mitglieder des CWI im Libanon bei einer Protestaktion zur Verteidigung palästinensischer Rechte und gegen die israelischen Sanktionen gegen Gaza verteilten. Die Originalversion in Arabisch gibt es hier.


 

Für massenhaften Widerstand der palästinensischen ArbeiterInnen

von Ayisha Zaki, CWI im Libanon, 5.12.08

Zum ersten Mal in diesem Monat hat Israel heute zeitweise einige Restriktionen für MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen und JournalistInnen in Gaza aufgehoben. Die Menschen im Gaza-Streifen zahlen einen hohen Preis für die israelischen Sanktionen und die Politik des Aushungerns und der Erniedrigung. Hunderttausende PalästinenserInnen in Gaza kämpfen täglich darum, genug Lebensmittel, Wasser, Kraftstoff und Gas zum Kochen zu ergattern. Der Schwarzmarktpreis für Gas zum Kochen liegt mittlerweile bei 100 US-Dollar pro Kartusche!

Die sich verschlechternde Situation in den palästinensischen Gebieten hat jetzt dazu geführt, dass zum ersten Mal 80 Prozent der Familien in Gaza in erbärmlicher Armut leben und die Anzahl der Unterernährten unter den Kindern dort ist rasant angestiegen.

Die Belagerung wird allgemein als kollektive Strafaktion gegen die Zivilbevölkerung aufgefasst, und sie stellt einen von der Vierten Genfer Konvention als Kriegsverbrechen bezeichneten Akt dar. Die Sanktionen Israels gegenüber dem verarmten Küstenareal begannen, nachdem die Hamas die Parlamentswahlen von 2006 gewann, die von internationalen Beobachtern als frei und fair bezeichnet wurden. Der israelische Staat zog die Schlinge enger, nachdem die Hamas die rivalisierende Fatah-Bewegung verdrängte nach einer Aktion, die von vielen als von Israel und den USA unterstützte Offensive der Fatah zur Vertreibung der Hamas aus dieser Enklave betrachtet wird.

In der Vergangenheit ist Israel in einer Reihe von Offensiven mit Panzern und SoldatInnen nach Gaza einmarschiert und hat dabei Hamas-Mitglieder und ZivilistInnen getötet. Diese zahlreichen Brüche von Waffenstillstandsvereinbarungen haben Kämpfer in Gaza dazu veranlasst, die Raketenbeschüsse fortzusetzen.

Die Reaktion auf den Sieg der Hamas bei den Wahlen von 2006 war ein koordiniertes Embargo durch Israel, die USA und die EU zusammen mit der Arabischen Liga, die dadurch mitmachte, indem man dazu schwieg. Millionen von US-Dollar an Hilfsgeldern für die Palästinensische Autonomiebehörde wurden zurückgehalten und die Misere in den besetzen Gebieten ist zu einer Notlage ausgewachsen. Seit 2006 wurden hunderte PalästinenserInnen getötet, darunter auch Kinder.

Die ägyptischen Behörden haben die Grenze zu Gaza geschlossen und Menschen davon abgehalten zu passieren, um Lebensmittel zu besorgen und medizinischen Bedarf in Ägypten zu decken. Einige Lebensmittel wurden über Tunnel aus Ägypten eingeschmuggelt, doch die meisten Grundnahrungsmittel stehen nur in begrenztem Maß zur Verfügung.

Anfang der Woche kam es zu Zusammenstößen zwischen ägyptischer Bereitschaftspolizei und hunderten von Studierenden an der Universität von Kairo, die ebenfalls gegen die Blockade protestierten und die Öffnung der Grenze zu Gaza bei Rafah forderten. Viele ÄgypterInnen sind entschlossen gegen die Willfährigkeit ihrer Regierung bei der Belagerung des Gaza-Streifens.

Wirtschaftssanktionen

Das einzige Kraftwerk in Gaza liefert um die 30 Prozent des Stroms in den Gebieten. Wiederholte Abschaltungen aufgrund der Sanktionen haben zu Stromausfällen geführt und Teile der Produktionsstätten beschädigt, die wegen der israelischen Blockade nicht ersetzt werden konnten.

Obwohl die israelische Regierung die jüdischen Siedlungen 2005 aus dem Gaza-Streifen entfernt hat, hält Israel die absolute Kontrolle über die Grenzen nach Gaza und den Luftraum mit dem seit über 40 Jahren geschlossenen Hafen von Gaza aufrecht. Die brutale Blockade Israels betrifft seit über zwei Jahren 1,5 Millionen ZivilistInnen, sie lässt die Armut und die Zahl der Unterernährten dramatisch ansteigen.

Der komplette Streifen wurde ohne Entkommen in den Zustand schrecklicher Entbehrung versetzt und die Mehrheit der Bevölkerung ist somit jetzt arbeitslos und auf Hilfslieferungen und Almosen angewiesen.

Zu einem Abzug aus Gaza mit dem Ziel eines echten palästinensischen Staates ist es nie gekommen. Als die Hamas dann 2006 gewählt wurde, um die Palästinensische Autonomiebehörde zu regieren, verstärkte sich die israelische militärische Bestrafung über planmäßige brutale Einfälle mittels Panzern, Bulldozers und Hubschraubern.

Die israelische Regierung versucht ihre Bodenangriffe damit zu rechtfertigen, dass von Gaza aus Raketen auf Israel abgefeuert werden. Dies geschieht trotz der Tatsache, dass die Zahl der durch palästinensische Raketen getöteten Israelis im Zehnerbereich liegt, derweil PalästinenserInnen von israelischen Kräften zu Hunderten getötet werden.

Palästinensische Gebiete

Mordanschläge und Brutalitäten der israelischen Armee beschränken sich nicht auf Gaza. Einige in der West Bank (Westjordanland; Anm. d. Übers.) stationierte israelische SoldatInnen haben offen über die Folterungen palästinensischer BürgerInnen durch die Armee dort und von religiös-jüdischen Siedlern in Hebron verübten Gewalttaten gegen PalästinenserInnen gesprochen. Überdies sind die PalästinenserInnen von der Existenz des „Sicherheits“-Zauns betroffen, der sich maßgeblich in palästinensisches Land hineinfrisst und mit der Ausdehnung jüdischer Siedlungen zur Auflösung palästinensischer Gebiete einhergeht. Unterdessen ist das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen in den Palästinensischen Gebieten im Vergleich zu dem bei 20.000 US-Dollar jährlich in Israel liegenden auf 1.700 US-Dollar jährlich zurückgegangen.

Für Arbeiter-Widerstand

Während bewaffneter Widerstand der PalästinenserInnen nötig ist, sollte dieser durch demokratisch kontrollierte Arbeiter-Milizen organisiert werden und Angriffe sollten nicht auf israelische ZivilistInnen gerichtet sein. Das würde nur zu weiterer Repression gegenüber den PalästinenserInnen führen, ihr Leiden verstärken und den Kampf noch schwieriger machen. Zudem sind solche Angriffe nicht dazu geeignet, den israelischen Staatsapparat dadurch zu bezwingen, und sie entfernen die israelischen ArbeiterInnen nur weiter von der „palästinensischen Sache“ und treiben sie geradewegs in die Arme ihrer eigenen extrem rechten und rassistischen israelischen Kapitalisten-Klasse.

Viele Hamas-Führungsfiguren wurden als aufopfernd angesehen, da sie die Korruption der Fatah ablehnten und den US-Imperialismus verurteilten. Doch einmal an der Macht – ganz egal, ob in Stadträten oder an der Regierung – haben sie sich gewendet und die Last der ökonomischen Krise durch Jobstreichungen und Privatisierungen auf den Schultern der ArbeiterInnen abgeladen – genau wie die Fatah es tat.

Palästinensiche Gewerkschaftsführer sind verbunden mit der Fatah und der palästinensische Gewerkschaftsbund, der in den 1990ern gegründet wurde, um die bestehenden Gewerkschaften unter einem Dach zusammen zu bringen, hat eine Führung, die nie demokratisch gewählt worden ist. Diese besteht aus Beschäftigten der Fatah und sie erhalten ihre Einkommen von ihr. Die Gewerkschaftsführung hat die Interessen der Arbeiterklasse nie unabhängig von der Fatah-Regierung verteidigt. So haben sie zum Beispiel nie für einen Mindestlohn gekämpft. Stattdessen haben sie mit NGO’s (Nichtregierungsorganisationen; Anm. d. Übers.) zusammengearbeitet und Ansätze wie etwa Handelsabkommen statt Arbeiterkämpfe zur Absicherung der Lebens- und Arbeitsbedingungen vorangetrieben.

Die Geschichte zeigt, dass die palästinensischen ArbeiterInnen unabhängig von ihren Führern spontane Streikaktionen durchgeführt haben, um ihre Arbeitsplätze und Löhne zu verteidigen. Im September 2006 erklärten die Beschäftigten der Palästinensischen Autonomiebehörde einen allgemeinen Streik für die Forderung zur vollen Auszahlung ihrer Löhne. 165.000 bei der Palästinensischen Autonomiebehörde beschäftigte ArbeiterInnen standen über sechs Monate ohne Lohn da. Von diesen Einkommen sind ungefähr eine Million PalästinenserInnen abhängig. Der Streik umfasste rund 100.000 ArbeiterInnen und warf wichtige Fragen über die politische Situation innerhalb der Palästinensischen Gebiete nach den Wahlen auf.

Die Organisation eines Kampfes der Massen erfordert den Aufbau von Volkskomitees in den Gebieten, die Gründung einer unabhängigen Arbeiterpartei, die die unterdrückten Schichten in der Gesellschaft repräsentiert und die Transformierung der Gewerkschaften in kämpferische und demokratische Kräfte. Solch eine Organisation würde die Notwendigkeit der Übernahme des Besitzes der palästinensischen Elite aufwerfen, um die Aufgabe der Organisierung der Gesellschaft in Zeiten der Krise bewältigen zu können.

In Abwesenheit einer solchen Bewegung und unter dem Gefühl der Hilflosigkeit ist breite Unterstützung für eine Regierung der nationalen Einheit zu beobachten. Aber der Kapitalismus kann den PalästinenserInnen keine Zukunft bieten.

Für das sofortige Ende der Sanktionen gegen Gaza und die sofortigen Abzug der israelischen Armee aus den besetzten Gebieten!

– Für das sofortige Ende der israelischen und internationalen Sanktionen über den Gaza-Streifen und für allgemein benötigte Lieferungen, die unverzüglich bereitgestellt werden müssen. Für den Abbau der Trenn-Mauer und aller Checkpoints und Barrieren in der West Bank.

– Für den Aufbau von Basis-Komitees in den Gebieten; damit kann die Grundlage für eine echte und demokratische Arbeiter-Führung geschaffen werden. Für das Recht dieser Komitees sich zu Verteidigungszwecken zu bewaffnen.

– Für massenhaften Kampf der PalästinenserInnen unter ihrer eigenen demokratischen Kontrolle, um ihren Lebensstandard zu heben und für wirkliche nationale Befreiung eintreten zu können.

– Für den Abbau der Trenn-Mauer und aller Checkpoints und Barrieren in der West Bank.

– Für den Kampf israelischer PalästinenserInnen gegen institutionalisierten Rassismus und ihre Behandlung als BürgerInnen zweiter Klasse.

– Für den Kampf einer vereinten Arbeiterbewegung zur Beendigung des israelischen Kapitalismus.

– Für einen sozialistischen Nahen Osten mit dem Rückkehrrecht der Flüchtlinge und garantierten demokratischen Rechten für alle nationalen Minderheiten.