Griechenland: Massenmobilisierung hält an

Wie kann die Bewegung weiter kommen?


 

von Takis Giannopoulos, Xekinima (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Griechenland), 12. Dezember 08

Nach dem Generalstreik am Mittwoch, 10. Dezember, wird die Situation in Griechenland den siebten Tag in Folge von Jugendlichen und der sozialen Revolte bestimmt.

Der Generalstreik vom vergangenen Mittwoch war der vierte in diesem Jahr und der zweite in den letzten zwei Monaten. Er war ein großartiger Erfolg, angesichts von Tausenden, die an diesem Tag durch Athen, Saloniki und andere Städte zogen. Und dies war insbesondere wichtig, weil die massiven Verwüstungen und Plünderungen anarchistischer Gruppen Montagnacht dazu führten, Leute aus Angst vor Zusammenstößen mit der Polizei und Angriffen auf DemonstrantInnen usw. von der Teilnahme abzuschrecken. Die Regierung nahm Kontakt zu GSEE und ADEDY (den größten Gewerkschaftsverbänden der ArbeiterInnen im privaten und öffentlichen Sektor) auf und bat sie, aufgrund der Tatsache, dass es an jedem der letzten vier Tage überall zu Demonstrationen und Angriffen auf Polizeistationen durch wütende Jugendliche gekommen ist, die Mobilisierung für den Generalstreik auszusetzen. Die Gewerkschaftsführungen lehnten es ab, den Streik abzusagen, doch sie strichen die Demo und riefen ausschließlich zu einer Kundgebung auf dem zentralen Platz Athens und in anderen Städten auf. Doch SYRIZA (Koalition der radikalen Linken) und die KKE (Kommunistische Partei) organisierten ihre eigenen Demos. SYRIZA marschierte zu der von den Gewerkschaften organisierten Kundgebung, während die KP ihrer eigenen Route folgte.

In einem Versuch, die Leute davon abzuhalten, auf die Straße zu gehen, verbreitete die Regierung das Gerücht, dass sie darüber nachdenke, den Ausnahmezustand auszurufen und die Armee in die Straßen der Großstädte zu entsenden. Trotz dieser Gerüchte fanden die Kundgebungen statt und wurden zu einem massigen Erfolg.

Viele Menschen kamen zum ersten Mal in ihrem Leben zu einer Kundgebung. Es gab Beispiele von Geschäftsführern oder Besitzern kleiner Unternehmen, die gemeinsam mit ihren Beschäftigten an den Kundgebungen teilnahmen. ApothekerInnen verteilten beispielsweise bei Fällen von Polizeiangriffen mit Tränengas und anderen Chemikalien kostenlos Mundschutz und Medikamente an die DemonstrantInnen.

Es herrschte eine sehr kämpferische Stimmung – ganz im Gegensatz zu den Reden der Führungsebene der Gewerkschaften, die die PASOK („Panhellenische Bewegung“; größte Oppositionpartei) und die ND („Neue Demokratie“) repräsentieren, welche große Angst haben und zu beschwichtigen versuchen. Das einzige, was in den Reden gefordert wurde, war eine weitere Demo, aber kein weiterer Streik für den Tag, an dem um Weihnachten herum der Haushalt im Parlament verabschiedet werden soll. Und das zu einer Zeit, da es in der Gesellschaft eine allgemeine Stimmung gibt, diese Regierung zu beenden und sie abzusetzen.

Die Kundgebungen waren absolut friedlich. Keine Beschädigungen, keine Angriffe auf Gebäude, Motorräder, Autos, keine Plünderungen und keine Zusammenstöße mit der Polizei. Das zeigt die vollkommen andere Haltung der Arbeiterklasse im Vergleich zu den anarchistischen Gruppen und einigen ultra-linken Gruppierungen, die die Polytechnische Hochschule und das Justizministerium besetzt halten, häufig Angriffe gegen die Polizei durchführen und eine „Revolution“ ausrufen (vor allem nach den Ausschreitungen von Montagabend).

Nach Ende der Kundgebungen am Mittwoch kam es zu vereinzelten Zusammenstößen zwischen anarchistischen Gruppen und der Polizei, allerdings zu nichts Großem außer den üblichen Scharmützeln. Innerhalb der Linken in Griechenland gibt es große Diskussionen über die Ausschreitungen. Xekinima (das CWI in Griechenland) versteht die Wut der Jugendlichen, die Steine auf die Polizei werfen, vollkommen. Wir erklären aber, dass die Stärke der Bewegung die große Masse ist. Gruppen, die als einziges Ziel den „Guerrillakrieg“ mit der Polizei in den Straßen führen wollen oder – noch schlimmer – vor haben, alles zu plündern und zu zerstören, können nur eine kontraproduktive Rolle spielen, weil sie das Potenzial für den Aufbau einer massenhaften, vereinten Bewegung der Arbeiterklasse untergraben, die die einzige Kraft darstellt, die einen Weg vorwärts sicherstellen kann.

Das Wichtigste ist jetzt, zu sehen, wie die Massenbewegung vorwärts kommen kann. Gestern, am Donnerstag, sind die SchülerInnen und Studierenden durch die Straßen gezogen. Es gibt keine zentrale Koordinierung aller SchülerInnen, weshalb es zahlreiche örtliche Mobilisierungen gab. Die besser organisierten, wenn auch in sich stark gespaltenen Studierenden haben für heute zu Kundgebungen aufgerufen. Es gibt den Aufruf zu einer „allgemeinen landesweiten Bildungskundgebung“ in Athen am kommenden Donnerstag, dem 18. Dezember, den Xekinima voll unterstützt.

SchülerInnen und Studierende könnten als Katalysator zur Fortsetzung der Bewegung wirken. LehrerInnen aller Schulformen stehen bereit, sich ihnen anzuschließen. Es ist möglich, dass sich in den nächsten Tagen eine breite Jugend- und Bildungsbewegung entwickelt, die ein Beispiel liefert und dem Rest der Gesellschaft eine Richtung geben mag. Die wichtigste Aufgabe für die Kräfte der Linken im Allgemein ist es daher, in diesem Sinne Führung anzubieten. Xekinima richtet seine Anstrengungen an dieser Aufgabe aus.

Die größte Hürde für die weitere Entwicklung der Bewegung ist einerseits die Rolle der von der PASOK kontrollierten Gewerkschaften und andererseits die Tatsache, dass die Parteien der Linken gespalten sind, vor allem aufgrund der Rolle der KP, die ihren Hauptgegner nicht in der herrschenden Klasse, dem kapitalistischen Staat und der Regierung, sondern in SYRIZA sieht.

Xekinima führt deshalb eine Kampagne:

– für die Entwicklung einer neuen Welle von Besetzungen in Schulen und Universitäten,

für einen Generalstreik, zu dem der griechische Gewerkschaftsbund noch vor Weihnachten aufrufen muss,

– für eine Einheitsfront der Linken, um die Bewegung voran zu bringen,

– dafür, dass SYRIZA in der nächste Woche in allen Städten zu eigenen Veranstaltungen aufruft,

– den Aufbau von Kampf-Komitees (Aktionskomitees) in allen Regionen, so wie sich der Kampf entwickelt, die alle Schichten mit einbezieht,

– den Sturz der Regierung, die im Parlament an einer Ein-Stimmen-Mehrheit hängt, und die ersetzt werden muss durch eine linke Regierung, die die Bewegung der Jugendlichen und der Arbeiterklasse widerspiegelt und auf einem sozialistischen Programms basiert.

Homepage von Xekinima: www.xekinima.org