Italien: Eine Warnung für DIE LINKE

Beteiligung an kapitalistischer Regierung führt zum Desaster für Linke


 

Die Rückkehr Silvio Berlusconis, die Stärkung der rechtspopulistischen Lega Nord und ein Absturz der Rifondazione Comunista – das ist das Ergebnis von zwei Jahren Sozialkahlschlag unter Romano Prodi mit Beteiligung der Linken.

von Linda Schütz, Bologna

In den zwei Jahren der Mitte-Links-Regierung von 2006 bis 2008 hat sich der Lebensstandard der Bevölkerung spürbar verschlechtert. Die Löhne sanken weiter und gehören zu den niedrigsten in Europa. Die Preise stiegen derart an, dass zwei Drittel der Familien Schwierigkeiten haben, ihre Lebensmittel und Rechnungen zu bezahlen.

Immer mehr Leute arbeiten prekär, oft jahrelang bei derselben Firma mit einem befristeten Vertrag nach dem anderen. Die von Prodi versprochenen Änderungen blieben aus. Statt dessen wurden Steuergeschenke für die Unternehmen gemacht und das Renteneintrittsalter heraufgesetzt. Die Ausgaben für Auslandseinsätze in Afghanistan und im Libanon wurden sogar erhöht.

Berlusconi

Berlusconis Volk der Freiheit (zu dem Forza Italia mit der rechtsextremen Alleanza Nazionale verschmolzen ist) ist keinesfalls beliebt. Doch sein Hauptgegner war Walter Veltroni von der Demokratischen Partei (PD). Zur PD schlossen sich im letzten Herbst das Margherita-Bündnis, die Linksdemokraten und kleinere Parteien zusammen. Da Berlusconi und Veltroni das gleiche neoliberale Programm von Kürzungen der Staatsausgaben und Privatisierungen vertraten, war der Wahlkampf alles andere als polarisiert. Beide redeten im Wahlkampf sogar von einer möglichen Großen Koalition.

Die vorherrschende Stimmung war: es spielt keine Rolle, wer gewinnt. Folglich ging die Wahlbeteiligung um 3,5 Prozent auf 80,5 Prozent zurück. Den größten Rückgang gab es in ehemaligen linken Hochburgen wie Ligurien (minus 5,4 Prozent).

In diesen Regionen hat die rechtspopulistische Lega Nord besonders hohe Gewinne erzielt. Sie wurde aus Protest gegen das politische Establishment gewählt und konnte ihre Stimmen auf acht Prozent beinahe verdoppeln.

Unfreiwillig außerparlamentarisch

Teil der so genannten Mitte-Links-Regierung waren 150 „kommunistische“ Vertreter im Abgeordnetenhaus und im Senat. Nach zwei Jahren Regierungsbeteiligung hat die Arbeiterklasse jedoch gnadenlos mit ihnen abgerechnet. Es gibt in Italien heute keinen einzigen linken Parlamentarier mehr, zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Rifondazione Comunista (RC) bekam 2006 2,5 Millionen Stimmen, die gemeinsame Liste dieses Jahr nur knapp eine Million, gerade mal drei Prozent.

Die RC trat mit der Partei der Italienischen Kommunisten (PDCI), den Grünen und der Demokratischen Linken (SD) auf einer gemeinsamen Liste namens Sinistra Arcobaleno (Linker Regenbogen) an. Dieses Bündnis wird nach dem Wahldebakel nun sicher schnell zerfallen.

Degenerierung der RC

Nach ihrer Gründung im Jahre 1992 (im Anschluss an die Auflösung der alten KP) war die RC ein Bezugspunkt für Zehn-tausende von ArbeiterInnen und Jugendlichen gewesen und stand, zumindest in Worten, für eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft. Heute sind die Strukturen und die Verbindungen zur Arbeiterklasse und den sozialen Bewegungen extrem geschwächt.

Während der RC-Spitzenkandidat Fausto Bertinotti den Grund für die Niederlage in der verspäteten Gründung des Regenbogens sieht, hat ein Teil der RC die richtigen Lehren gezogen und will wieder zurück auf die Straße. Allerdings hat die RC so sehr an Glaubwürdigkeit verloren, dass ein Wiederaufbau schwierig wird. Die Mitglieder sind frustriert und wütend über das Vorgehen der Führung. Controcorrente, eine linke Strömung innerhalb der RC, fordert die Absetzung der RC-Führung, die sofortige Einberufung eines Parteitags und plant eine Kampagne für eine Arbeiterpartei.

Gegenwehr?

Die Staatsverschuldung von über 100 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und die beginnende Rezession bedeuten, dass es zu einer Intensivierung der Angriffe kommen wird. Einerseits ist Italiens herrschende Klasse froh über eine Regierung mit einer Mehrheit im Parlament.

Andererseits hat Berlusconi meist seine eigenen Interessen verfolgt und die herrschende Klasse befürchtet, dass es zu massiven Bewegungen zum Beispiel gegen Lohn- und Sozialkürzungen oder auch gegen Einschränkungen des Rechts auf Abtreibung kommen kann. Solche Bewegungen gegen Berlusconis Maßnahmen sind eine Möglichkeit, die Regierung rasch zu schwächen (siehe Nicolas Sarkozy, der nach zehn Monaten Amtszeit eine herbe Niederlage bei den Kommunalwahlen einstecken musste). Mit den künftigen Protesten und Streiks kann die Basis für den Aufbau einer kämpferischen und antikapitalistischen Arbeiterpartei gelegt werden. Nach den jüngsten Rückschlägen wird das natürlich kein einfacher Prozess sein.

Das Beispiel Italien ist eine ernste Warnung für DIE LINKE in Deutschland. Es zeigt, dass Zuspruch, Mitgliederwachstum und Wahlerfolge nicht zwangsläufig von Dauer sind und schnell durch Regierungsbeteiligungen mit neoliberalen Parteien wie der SPD zerstört werden können.