Berliner Busfahrer: Gereizte Stimmung

Urabstimmung bei Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) angelaufen. Spaltung zwischen Neueingestellten und Altbeschäftigten zieht nicht. Ver.di erwartet große Zustimmung


 

von Daniel Behruzi, zuerset erschienen in der jungen Welt, 26.2.08

Montag mittag auf dem Betriebshof der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) im Stadtteil Lichtenberg. In dem zum Urabstimmungslokal umfunktionierten Aufenthaltsraum für Omnibusfahrer herrscht dichtes Gedränge. Auf einem Tisch in dem kleinen, mit ver.di-Fahnen und -Plakaten dekorierten Zimmer steht eine hölzerne Urne. Dahinter sitzt, seit drei Uhr früh, Jan Förster. Der 35jährige Busfahrer hat sich freiwillig als Helfer bei der Durchführung der Urabstimmung gemeldet. Selbst hat er auch schon abgestimmt – für Streik, versteht sich.

Dabei ist Förster, der erst seit etwas mehr als sieben Monaten für die BVG arbeitet, einer der wenigen Beschäftigten, die von dem Angebot des Kommunalen Arbeitgeberverbands (KAV) profitieren würden. Dieses sieht Einkommenssteigerungen von sechs Prozent bis 2010 vor – allerdings nur für die nach dem 31. August 2005 neu Eingestellten. Der Großteil der rund 12500 Arbeiter und Angestellten ginge weitgehend leer aus, da die Erhöhung auf deren »Sicherungsbeträge« angerechnet werden sollen. »Auch die Altbeschäftigten haben ein Anrecht auf Lohnerhöhungen, schließlich sind die Lebenshaltungskosten für alle gestiegen«, meint Förster, dem bei einer 39-Stunden-Woche weniger als 1200 Euro netto im Monat bleiben.

Auch für Ulf von Much, der im Blaumann im Vorraum des Lokals steht, ist das KAV-Angebot »eine Frechheit«. Der »Sicherungsbetrag« sei kein Privileg, sondern sollte beim letzten Tarifabschluß 2005 verhindern, daß die Löhne der Altbeschäftigten um noch mehr als zwölf Prozent sinken. Auch sie hätten aber bereits drastische Einbußen zu verkraften gehabt, so der 43jährige Fahrzeugelektroniker, der mit seinem Gehalt eine vierköpfige Familie zu versorgen hat. »Die Stimmung ist extrem gereizt, auch unter den nicht gewerkschaftlich organisierten Kollegen«, berichtet er. In den Werkstätten sei die unterschiedliche Bezahlung von Neueingestellten und Altbeschäftigten kein Thema, so von Much. Der Grund: »Der Betrieb weigert sich konsequent, neue Leute einzustellen. Statt dessen wird die Arbeit immer weiter verdichtet.« Darunter leide auch der Zustand der Fahrzeuge, die weniger oft gewartet würden.

Im Fahrdienst hat die Verkürzung der Arbeitszeiten von 39 auf 36,5 Wochenstunden die Situation ebenfalls nicht verbessert. Die Fahrer müßten heute aufgrund veränderter Pausenregelungen ebenso lange arbeiten wie vor der Reduzierung, berichtet der Straßenbahnfahrer und ver.di-Vertrauensmann Frank Kulicke. Hierdurch seien allein bei der Straßenbahn 40 Neueinstellungen vermieden worden. Auch deshalb seien die Beschäftigten kampfbereit. »Die Stimmung ist gut, die Leute reißen uns die Urabstimmungszettel förmlich aus der Hand«, so Kulicke. Entsprechend selbstbewußt gibt sich ver.di-Verhandlungsführer Frank Bäsler. Das erforderliche Quorum von 75 Prozent Zustimmung sei »überhaupt kein Problem«, prognostiziert er. Das Ergebnis der Urabstimmung will die Gewerkschaft am Freitag verkünden.