BSH vor einem Jahr: Spektakulärer Streik

Vor einem Jahr endete der Ausstand im Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerk


 

von Daniel Behruzi, zuerst veröffentlicht in der jungen Welt, 19.10.07

Vor einem Jahr wurde im Spandauer Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH) einer der spektakulärsten Arbeitskämpfe, die in den vergangenen Jahren in Berlin stattfanden, beendet. Spektakulär war dieser Konflikt in verschiedener Hinsicht. Mit ihrer Entschlossenheit und Kreativität – insbesondere durch den »Marsch der Solidarität« – sorgte die Belegschaft dafür, daß ihre Anliegen weit über die Unternehmens- und Stadtgrenzen hinaus bekannt wurden. Erstmals konnte ein Konzern wie Siemens mit einem Arbeitskampf so unter Druck gesetzt werden, daß er von dem bereits gefällten Schließungsbeschluß Abstand nahm und die Aufrechterhaltung der Produktion bis ins Jahr 2010 garantierte.

Spektakulär war allerdings auch das Ende des Streiks. Als der IG-Metall-Bezirksleiter Olivier Höbel das ausgehandelte Ergebnis – das neben der Standortgarantie auch Lohnkürzungen und die Entlassung von mehr als 200 Beschäftigten vorsah – rechtfertigte, flogen ihm rote Gewerkschaftsmützen und Streikwesten entgegen. Die Mehrheit der Arbeiter verließ unter »Hau-ab«-Rufen das Streikzelt. Zwei Drittel der Belegschaft lehnten den Kompromiß in der Urabstimmung ab.

Für Erbitterung unter den Streikenden sorgte nicht allein die Tatsache, daß ein Teil der Belegschaft auf die Straße gesetzt werden sollte. Vor allem das Zustandekommen der Einigung machte die Arbeiter wütend. Immer wieder hatten die Spitzen der IG Metall und des Betriebsrats auf Versammlungen gesagt, es werde kein Vertrag unterschrieben, der nicht zuvor in der Belegschaft diskutiert wurde. Buchstäblich mitten in der Nacht stimmten die Verhandlungs- und die Tarifkommission dennoch für die Annahme des Ergebnisses. Hüseyin Akyurt, Leiter des IG-Metall-Vertrauenskörpers, dazu in einem Interview: »Ich habe gewarnt: Das werden die Kollegen so nicht akzeptieren. Ihr betrügt die Kollegen. Darauf wurde immer wieder geantwortet: Die 50 Prozent Zustimmung, die kratzen wir schon zusammen.« Letztlich votierten zwar lediglich 35,62 Prozent für die Einigung, der Streik wurde von der Gewerkschaftsführung trotzdem – in Einklang mit den Statuten der IG Metall, aber zur Empörung der Mehrheit der BSH-Beschäftigten – beendet.

Wütend machte die Arbeiter auch die Absage einer für den 19. Oktober am Siemens-Sitz in München geplanten Großkundgebung. Der »Marsch der Solidarität« hatte die Streikenden mit vielen Belegschaften in Kontakt gebracht – u.a. bei AEG in Nürnberg und BenQ in Kamp-Lintfort. Allerorts kündigten sie als vorläufigen Höhepunkt den Aktionstag in der bayerischen Landeshauptstadt an. Andere Belegschaften wollten hinzukommen. Viele Streikaktivisten meinen bis heute, daß die Kundgebung den in der Öffentlichkeit wegen des BenQ-Desasters und einer deutlichen Erhöhung der Vorstandsgehälter angeschlagenen Siemens-Konzerns womöglich zu weiteren Zugeständnissen veranlaßt hätte. Doch die IG Metall »bezahlte« den erzielten Kompromiß u. a. mit der schriftlichen Zusage, keine weiteren Protestaktionen außerhalb Berlins durchzuführen.