Mai-Empfang: Ein Tag aus dem Leben der Sozialpartnerschaft

Der Hamburger Senat lädt VertreterInnen des DGB zum „Maiempfang“. Hier ist die Welt der Sozialpartnerschaft noch in Ordnung. Ein Augenzeugenbericht.
 

von Andreas aus Hamburg

Endlich mal VIP…

„Der Senat der freien und Hansestadt Hamburg bittet zum Mai Empfang“. Dank dieser Einladung auf blütenweißem Papier waren an diesem Tag die Tore des Rathauses für GewerkschafterInnen geöffnet. Ausnahmsweise versperrten Absperrungen, Polizisten und Sicherheitsdienst einem nicht den Weg. So wandelte man auf rotem Teppich und Marmortreppen an vergoldeten Statuen vorbei in den Festsaal. Wie viel Geld und Arbeit ist wohl in dem unnützen Prunk des Rathauses verbaut worden? Aber das nur nebenbei. Oben angekommen befand man sich in einer lustigen Runde von GewerkschafterInnen, Abgeordneten und dem Klerus.

Der Traum des Innensenators von der Interessenharmonie

In dem Festsaal ergriff unser geschätzter Innensenator Nagel das Wort. Zunächst erklärte er uns GewerkschafterInnen die Geschichte des ersten Mai. Dass nicht immer alles friedlich war, aber heute zum Glück der Interessenausgleich im Vordergrund steht. Deswegen bezog sich der Innensenator positiv auf das DGB-Motto „Du hast mehr verdient“. Schade, dass unser Senat erst jetzt zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Beim Streik im Öffentlichen Dienst war nicht viel von Interessenausgleich zu spüren. Aber das war ja gestern. Auch der „erfolgreiche Sicherheitskurs“ soll weiter fortgesetzt werden. Angesichts des martialischen Vorgehens gegen Studentenproteste oder Gewerkschaftsproteste bei Naziaufmärschen, können wir dieses Versprechen des Innensenator nur als Drohung auffassen. Was eine Stadt zu einer „weltoffenen Metropole“ macht, welche massenweise Menschen abschiebt und Abschiebelager in abgelegenen Gebieten einrichtet, bleibt ebenso das Geheimnis des Innensenators. „Das schwere Schicksal der Arbeitslosigkeit“ lag ihm ebenfalls am Herzen. Dank der 1-Euro Zwangsarbeit und den Zwangsumzügen hat der Senat ja auch einiges zu diesem Schicksal beigetragen. Ja, die Interessenharmonie zwischen Gewerkschaften und dem Senat war fast zu greifen, wäre nicht die lästige Wirklichkeit außerhalb des goldverzierten Festsaals gewesen.

Kaviar und die Strukturprobleme des Kapitalismus

Anschließend ergriff der DGB-Vorsitzende Pumm das Wort. In seiner Rede wurden Strukturprobleme des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die Spaltung in arm und reich, Ausbeutung und Jugendarbeitslosigkeit erwähnt. Nur leider wartete man vergeblich auf die Schlussfolgerungen dieser Analyse. Denn nach einem kurzen Auftritt des JAV-Vorsitzenden von Airbus aus Hamburg ging es schon an das Buffet. Vielleicht wurde an den Tischen voll Roastbeef oder Cremetörtchen weiter über das Problem von Armut nachgedacht, wer weiß. Ja, in den Hallen voll Marmorstatuen, riesigen Kristallkronleuchtern und Blattgold lässt es sich doch am besten über die Spaltung in arm und reich nachsinnen. Beim Maiempfang ist die Welt der Sozialpartnerschaft noch in Ordnung.

Die Logik der Sozialpartnerschaft

Außerhalb des Maiempfangs sieht die Welt aber anders aus. Die zehn reichsten Hamburger besitzen ein Vermögen von 28,45 Milliarden während in Hamburg rund 200.000 in Armut leben. 40.000 Menschen sind in Hamburg langzeitarbeitslos. Was tut der Senat? Er führt Studiengebühren ein, ordnet Zwangsarbeit an, baut Prestigeobjekte und verkauft öffentliches Eigentum. In seinen Taten haben sich die Herrschenden in Hamburg und ihr Ausschuss im Senat schon längst von der Sozialpartnerschaft des Nachkriegsaufschwungs verabschiedet. Der Maiempfang ist ein sinnloses Ritual. Anstatt fein angezogen beim Senat Häppchen zu essen und sich Phantastereien über Interessenharmonie anzuhören, ist es an der Zeit ernsthaft Widerstand zu organisieren. Wieso wird kaum Unterstützung für die KollegInnen der Telekom organisiert. Wo bleibt der Streik- und Protesttag gegen die soziale Ungerechtigkeit hier in Hamburg? Der DGB Hamburg stellt keine Busse zum G8-Protest, weil „,man ja nicht überall sein kann“ laut dem zuständigen Sekretär. Klar, wenn man im Festsaal des Rathauses am Büffet steht, kann man nicht auf der Straße protestieren – das ist die Logik der Sozialpartnerschaft.