Italien: Regierung Prodi rückt nach rechts

Die Massendemonstration am Samstag, dem 17. Februar 2007, gegen die Zustimmung der Regierung Prodi zum Ausbau der US-Militärbasis im norditalienischen Vicenza und die nur fünf Tage später erfolgte Abstimmungsniederlage einer Regierungsvorlage zur Außenpolitik im italienischen Senat werden tiefgreifende und nachhaltige Auswirkungen auf die politische Landschaft in Italien haben.
 

von Clare Doyle, 27. Februar 2007

Was wie ein durchdachtes Manöver unterschiedlicher Vertreter der herrschenden Klasse aussah, um die Regierung Prodi scharf nach rechts zu drängen, hat eine tiefe Krise innerhalb der PRC hervorgerufen. Diese Krise markiert ein neues Stadium in der Geschichte der Partei, die die ArbeiterInnen, GlobalisierungskritikerInnen und jugendlichen KriegsgegnerInnen repräsentieren will.

Italiens Staatspräsident Napolitano hat Prodis Rücktrittsgesuch abgelehnt und ihn angewiesen, sein Amt fortzuführen. Ende dieser Woche wird der alte und neue Ministerpräsident seine Regierung mittels Vertrauensfrage in beiden Kammern des Parlaments absichern lassen. Es ist offensichtlich, dass Staatsoberhaupt Napolitano mit seiner Entscheidung ganz allgemein die wahren Interessen der italienischen Kapitalistenklasse ausdrückt. Im speziellen geht er damit auf die Vorstellungen des größten Arbeitgeberverbands, der Confindustria, ein. Dieser favorisiert keineswegs Neuwahlen; zumindest nicht, bevor ein neues Wahlrecht verabschiedet ist, das die Einflussmöglichkeiten kleinerer, linker Parteien verringert.

Das Großkapital ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für die Rückkehr der rechts-konservativen „Casa delle Libertà“-Koalition (Haus der Freiheit; Anm. d. Übers.), die immer noch von Silvio Berlusconi geführt wird. Sollte es keine weitere Regierung Prodi geben, würde einer zeitlich befristeten, aus Technokraten zusammengesetzten Regierung zweifellos der Vorzug gegeben. In der Vergangenheit hat so etwas auch schon stattgefunden. Die Arbeitgeberseite fürchtet den sozialen Aufruhr, der wegen der Feindseligkeit der ArbeiterInnen und der Jugend gegenüber dem Milliardär-Tycoon Berlusconi folgen würde. Luca Cordero di Montezemolo, Präsident der Confindustria hat bereits deutlich gemacht, dass man Prodi und die Mitte-Links-Regierung bevorzugt. Sie soll mit ihrer schmutzigen Arbeit fortfahren und die Arbeiterklasse sowie die jungen Menschen für die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der italienischen Industrie zahlen lassen.

Der ehemalige Christdemokrat Follini hat bereits zugesagt, im Senat mit der Mitte-Links-Koalition zu stimmen. Giorgio Cremaschi, Sekretär der größten Metallarbeitergewerkschaft, FIOM, die zum Gewerkschaftsbund CGIL gehört, erklärte: „Hinter Follini steht die Confindustria und Montezemolo“.

Vergangene Woche versicherte auch der erzkonservative und mit besten Kontakten zur Mafia ausgestattete Senator Andreotti noch, dass er die Regierung Prodi unterstützten würde, um sich kurz darauf bei der Abstimmung zu enthalten (was aufgrund des Wahlmodus einer Nein-Stimme gleichkommt). Ähnliches trifft auf den meist durch Abwesenheit auffallenden Senator Pininfarina zu, der in einer vom Vorsitzenden der Linksdemokraten (DS – ehemalige Kommunistische Partei) bezahlten Limousine vom Flughafen zur Senatsabstimmung gefahren wurde. Die Krise, die die Mitte-Links-Regierung mit dem Namen Unione hervorgerufen hat, hat gewiss dafür gesorgt, diese deutlich nach rechts zu drängen.

Angriffsplan auf Soziales und Demokratie

Das unter dem Titel „Die 12 Gebote Romano Prodis“ bekannt gewordene und nicht verhandelbares 12-Punkte-Programm, das nun zur Grundlage für eine ins Amt zurückgehievte Regierung wurde, stellt die Kurzfassung des 40 skurrile Seiten langen Wahlmanifests der „Unione“ dar. Dieses Wahlprogramm tarnte die wahren Ziele der ersten Regierung Prodi. Enthalten waren die volle Unterstützung für die NATO-Operationen in Afghanistan, die Fortsetzung des TAV-Projekts (eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Frankreich, die Anlass für Massenwiderstand im norditalienischen Susatal ist), „sofortige und bedeutsame“ Verringerung öffentlicher Ausgaben, „Reorganisation“ und „Rationalisierung“ der Renten sowie einschneidende und autoritäre Maßnahmen zur Erweiterung der persönlichen Befugnisse des Ministerpräsidenten. Nicht enthalten war hingegen der von der katholischen Kirche bekämpfte Antrag zur rechtlichen Gleichstellung eheähnlicher Partnerschaften.

Durch diese erneut zu Papier gebrachte Loyalitätsverpflichtung gegenüber der kapitalistischen Klasse sind nun auch die „unsicheren“ rechten Senatoren gerüstet, einer Regierung Prodi 2 beizustehen. Letztere wird damit fortfahren, die von der Wählerschaft zum Ausdruck gebrachten außenpolitischen Vorstellungen zu ignorieren. In den jüngsten Umfragen sprechen sich 80 Prozent der Befragten gegen den Irakkrieg und zwei Drittel gegen eine Beteiligung Italiens an der Besatzung Afghanistans aus. Nichtsdestotrotz ist die Regierung gewillt, die Gegenfinanzierung des Militäreinsatzes durchzusetzen. Eine Abstimmung darüber wird nächsten Monat im Parlament erfolgen. Die Mitte-Links-Regierung hat – allen voran die ex-kommunistische DS – bereits ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt, wenn es heißt, eine Politik zu machen, die den Interessen der arbeitenden und jungen Menschen entspricht. Den Interessen derer, die sie einst gewählt haben! Mit ihrer eiligen Unterzeichnung des 12-Punkte-Programms hat die Führung der PRC einen weiteren Schritt nach rechts getan und tritt damit ihre radikalen kommunistischen Gründungsprinzipien mit Füßen.

Piero Bernocchi, Vorsitzender der Basisgewerkschaft COBAS, wurde am Montag, dem 26. Februar, von der Tageszeitung „La Repubblica“ zitiert: „Es regiert eine Koalition […] namens Mitte-Links, die eine rechte Politik macht“. Er spiegelt damit eine Stimmung wider, die von einer „Plage in allen Kammern“ spricht. Das betrifft sowohl die politische Landschaft, wie auch eine syndikalistische Stimmung.

Angesichts von Anschuldigungen gegen Gewerkschaftsjugendliche, diese würden sich – wie schon 30 Jahre zuvor – dem Terrorismus zuwenden, warnte Rinaldini, ein weiteres führendes Mitglied der Metallarbeitergewerkschaft in der CGIL, einen oder zwei Tage vor der Großdemonstration in Vicenza, dass „junge ArbeiterInnen, Menschen, die in den Fabriken arbeiten, zum ersten Mal die Gewissheit haben, dass ihr Leben nicht besser sein wird als das, ihrer Vorgängergeneration […]. Sie haben eine perspektivlose Zukunft vor sich, die von den Gewerkschaften nicht mehr ausgefüllt werden kann.“ Es fehle an einer Massenpartei, in der ArbeiterInnen offen diskutieren und aktiv werden können, so seine Worte. Das ist der Hintergrund der momentanen Krise der Linken.

Hexenjagd

Nach der Stimmenthaltung zweier linker Senatoren – Franco Turigliatto von der PRC und Fernando Rossi, ehemaliges Mitglied Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) – bei der Abstimmung über die Außenpolitik der Regierung vergangene Woche hat die bürgerliche Presse die „Verantwortungslosigkeit der Linken“, der „Kommunisten“ und „Trotzkisten“, hochgespielt. Franco Turigliatto ist Mitglied der mit dem Vereinigten Sekretariat der Vierten Internationale verbundenen Gruppe Sinistra Critica (in Deutschland gehören dieser Gruppierung der RSB und die isl an, Anm. d. Ü.). Er betrachtete seine Stimmenthaltung im Senat offenkundig als Ausdruck der Loyalität gegenüber den Prinzipien seiner Partei, der PRC. Unmittelbar danach sah er sich mit Versuchen, ihn aus der Partei auszuschließen, konfrontiert. Sollte dies zu Ende getrieben werden, wäre es der erste jemals betriebene politisch motivierte Parteiausschluss aus der PRC. Am Wochenende schickte die Parteiführung ihre Mitglieder auf die Straßen der italienischen Städte, um sich in Flugblättern für das Verhalten Turigliattos zu entschuldigen!

Rückhalt für Turigliatto

Ein möglicher Parteiausschluss von Franco muss deutlich abgelehnt werden. In den Untergliederungen der Partei hat das Thema bereits großen Unmut erregt. Das PRC-Büro in seiner Heimatstadt Turin wird besetzt werden, sollte die Kontrollkommission der Partei tatsächlich zusammenkommen, um den Ausschluss abzusegnen. Es ist bedauerlich, dass sich einige linke Vorstandsmitglieder der PRC in dieser Frage enthalten haben.

Claudio Bellotti vertritt darin die kleine Minderheit-Gruppe Falce & Martello (verbunden mit dem Committee for a Marxist International von Alan Woods u.a.; in Deutschland gehört Der Funke zu dieser Strömung, A.d.Ü.). Er rechtfertigte seine Haltung damit, dass man die Parteidisziplin wahren müsse, ohne jede politische Überlegung dabei einfließen zu lassen! In einem Leitartikel der Zeitung seiner Gruppe hieß es letzten Freitag: „Wir lehnen unnachgiebig den Versuch des PRC-Vorstands ab, Disziplinarmaßnahmen gegen Turigliatto druchzuführen“. Trotzdem schreibt Bellotti am Samstag, dem 23. Februar: „Das Stimmverhalten von Abgeordneten muss sich nach dem richten, was von der Partei in ihren Führungsgremien kollektiv entschieden wurde. Es handelt sich dabei nicht um die »persönliche Angelegenheit« eines einzelnen Abgeordneten, Ratsmitglieds etc.“! Dennoch hat sich die Gruppe Falce & Martello wie viele andere auch über das Versagen der Parteiführung beschwert, in Übereinstimmung mit der von der Partei erklärten Politik zu handeln.

Der Solidaritätsaufruf der Sinistra Critica für Turigliatto erhält Unterstützungsunterschriften aus aller Welt. Letzten Sommer unterstützte das CWI die Senatoren, die die Gegenfinanzierung der italienischen Beteiligung am Afghanistan-Einsatz ablehnten. Wir unterstützten auch diesen Aufruf einschließlich der Aufforderung an Turigliatto, seinen Rücktritt vom Amt des Senators zurückzunehmen, obwohl wir nicht alle Ansichten dieser PRC-Fraktion teilen. Wir sind grundsätzlich gegen imperialistische Kriege und für den Aufbau der Antikriegsbewegung.

Das Ansinnen der PRC-Führung, ein Ausschlussverfahren einzuleiten, hat den Willen der Parteibasis zu loyalem Verhalten auf eine harte Probe gestellt. Denselben Effekt hat das feige Verhalten von Bertinotti und Co. gegenüber Prodis unbarmherzigem neoliberalen und pro-imperialistischen Programm. Es hat sich eine echte Krise entwickelt. Es herrscht Enttäuschung, es herrscht Wut. Wegen der Entscheidung über die US-Basis, kam es in der Region Vicenza bereits zu massenhaften Austritten aus der PRC. Dasselbe steht jetzt im Susatal wegen des TAV-Projekts bevor. Viele jüngere Mitglieder des Sinistra Critica-Flügels und einige Schichten der (ehemals stalinistischen) Ernesto-Fraktion der PRC überlegen, die Partei zu verlassen.

Das CWI in Italien, Lotta per il Socialismo, argumentiert, dass es nicht zu spät ist, um innerhalb der PRC gegen die fortgesetzte Teilnahme an einer kapitalistischen Regierung und für ein authentisch antikapitalistisches Programm mit sozialistischen Methoden zum Wiederaufbau der Partei eine Kampagne zu führen.

Wir haben durchgängig argumentiert, dass die PRC sich an die ArbeiterInnen und Jugendlichen hätten wenden sollen, die von den neoliberalen Angriffen der Berlusconi-Regierung am härtesten getroffen waren und deren Situation sich durch die Prodi-Regierung weiter verschlechtert hat. Eine Politik und eine Kampagne hätten entwickelt werden sollen, die das Ziel verfolgen eine deutliche Mehrheit bei den nächsten Wahlen von einer solchen Politik zu überzeugen. Das wäre der Weg gewesen, um dem in welcher Weise auch immer auftretenden Neoliberalismus und Neoimperialismus Einhalt zu gebieten und eine wahrhaft sozialistische oder kommunistische Alternative anzubieten – breite Verstaatlichungsmaßnahmen unter demokratischer Kotrolle und Verwaltung der ArbeiterInnen.

Die negative Stimmung gegen die PRC-Führung wegen ihrer letzten Aktionen muss in eine Kampagne zur Rücknahme der Zustimmung zum 12-Punkte-Programm kanalisiert werden. Der Rückzug aus der Regierung muss stattfinden und es muss gegen eine Regierungspolitik gestimmt werden, die sich gegen die Arbeiterklasse richtet, undemokratisch und pro-imperialistisch ist. Flankiert werden muss dieses Vorgehen von einem Aufruf zum Generalstreik. Die Gewerkschaftsführung bekommt den Druck von unten gegen die Rentenreform und die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters bereits zu spüren.

Niemand will verantwortlich sein für eine mögliche Regierung Berlusconi 2. Wenn aber keine solche Kampagne für eine eindeutige Alternative, wie wir sie vorschlagen, geführt wird, dann kann genau das aber passieren, wenn die PRC der Prodi-Regierung die Unterstützung entzieht. Der Boden muss bereitet werden, damit gegen eine schädliche und reaktionäre Politik der nächsten Regierung gestimmt wird.

Wie die Abstimmung auch ausfallen mag und was des Ergebnis davon auch sein wird, Aufruhr herrscht in den meisten Parteien. Es müssen die lehren gezogen werden, wie die GenossInnen von Lotta per il Socialismo in Italien es tun. Es besteht die Notwendigkeit, all jene inner- und außerhalb der „kommunistischen“ und grünen Parteien zu sammeln sowie jene Aktiven in den Betrieben, den Hochschulen und Gewerkschaften zusammenzufassen, um eine politische Kraft zu bilden, die für ein Ende des Kapitalismus und aufrichtigen Kommunismus kämpft.

Clare Doyle ist Mitglied im Internationalen Sekretariat des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI).