AIDS: Geschäfte mit der Krankheit

Gegenmaßnahmen werden von der Pharmalobby blockiert

Laut UNO leben 64 Prozent aller Menschen, die mit HIV infiziert sind, im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas. Das sind 25,8 Millionen. AIDS wird als größtes Problem Afrikas dargestellt. Andere Ursachen der geringen Lebenserwartung – zunehmende Armut, neokoloniale Ausbeutung und generell schlechte medizinische Versorgung – werden ausgeblendet. Viele Analysen des „afrikanischen Problems“ AIDS beinhalten außerdem rassistische Vorurteile. 

von Ianka Pigors, Hamburg

AfrikanerInnen wird unterstellt, übermäßig sexuell aktiv oder besonders leichtsinnig zu sein. So erklärte UNAIDS, schuld an AIDS in Südafrika sei unter anderem die besonders frühe sexuelle Aktivität der Jugendlichen (Männer mit 16, Frauen mit 17 Jahren). Eine lächerliche Erklärung, wenn man bedenkt, dass der erste Geschlechtsverkehr von Jugendlichen in Deutschland im Schnitt auch mit 17 Jahren stattfindet. Dennoch mögen Politiker solche Erklärungen. Sie machen alles einfach. Schuld am Elend ist Aids, schuld an Aids sind die Kranken selbst. Kein Grund, Fragen zu stellen.

AIDS und Ausbeutung

Ein Grund für die starke Verbreitung von HIV in Südafrika und den Nachbarländern ist zum Beispiel die Wanderarbeit. In den meisten Dörfern gibt es keine Jobs. Das zwingt viele Männer, in den weit entfernten Industriezentren Arbeit zu suchen. Sie sind monatelang von den Familien getrennt. Das Leben in Sammelunterkünften begünstigt Prostitution. Gleichzeitig sind die Ehefrauen oft völlig von der Versorgung durch die Wanderarbeiter abhängig und daher nicht in der Position, auf geschützten Geschlechtsverkehr zu bestehen.

Fehlende Aufklärung und die Ächtung von Kondomen durch die Kirche verschärfen das Problem. So wurde die schnelle Ausbreitung der Krankheit erheblich erleichtert. Soziale Sicherheit, die es Frauen und Männern ermöglicht, ihre Sexualpartner unabhängig von wirtschaftlichen Zwängen zu wählen, und menschenwürdige Wohn- und Arbeitsbedingungen sind wichtige Voraussetzungen für selbst bestimmte Sexualität und damit dafür, dass sich die Menschen – durch Verwendung von Verhütungsmitteln – vor Ansteckung schützen können.

AIDS und Pharma-Profite

AIDS ist unheilbar. Aber wer arm ist, stirbt schneller.

2005 starben nach Angaben von UNAIDS im südlichen Afrika 2,4 Millionen Menschen an AIDS. Das sind 77 Prozent der weltweiten Todesfälle, also erheblich mehr, als dem regionalen Anteil der Infizierten entspricht. In West- und Mitteleuropa und in den USA, wo 4,7 Prozent aller Infizierten leben, starben 2005 0,9 Prozent an der Krankheit.

Abgesehen davon, dass schlechte medizinische Versorgung und Mangelernährung die Sterblichkeitsrate generell erhöhen, können sich in Afrika 85-90 Prozent derjenigen, die antiretrovirale Behandlung benötigen (eine Therapie, mit der die Virusmenge im Blut stark gesenkt wird), die Medikamente nicht leisten. Um weiter fette Profite zu machen, tut die Pharmalobby alles, um zu verhindern, dass die Behandlung billiger wird. Ein Beispiel hierfür ist der Streit um die so genannten Generika.

Bis 2001 kosteten die von westlichen Pharmakonzernen produzierten Medikamente für die „Antiretrovirale HIV/AIDS-Therapie“ im Schnitt 10.000 Dollar pro Jahr und Patient. Dann entwickelte zuerst Indien Nachahmermedikamente (Generika). Damit sanken die Kosten für die erste Phase der Therapie auf unter 140 Dollar im Jahr. Heute werden bei etwa 50 Prozent aller Therapien in den ärmeren Ländern Generika aus Indien eingesetzt.

Diese Entwicklung rief die Pharmalobby auf den Plan. Mit Hilfe von Vorschriften der Welthandelsorganisation (WTO) wurden die Generika produzierenden Länder gezwungen, die Patentrechte der Pharmaindustrie anzuerkennen und ihrerseits Patente auf ihre Produkte zu vergeben. Da es bei der Behandlung von AIDS regelmäßig notwendig ist, den PatientInnen nach einer gewissen Zeit auf andere, neu entwickelte Medikamente umzustellen, blockieren die Patente die effektive Behandlung. Die betroffenen Länder müssen teure Lizenzen für die Produktion der Medikamente erwerben, die Kosten sind hoch und eine medizinisch sinnvolle Kombination von verschiedenen Wirkstoffen in einem Medikament ist nicht zulässig.

Was ist die Alternative?

Würde der Patentschutz für Medikamente aufgehoben und die Pharmaindustrie in Gemeineigentum überführt und demokratisch kontrolliert, könnte die Bekämpfung von AIDS enorm verbessert werden. Generika helfen heute der Hälfte aller Menschen, die eine Behandlung bekommen. Dies sind jedoch nur etwa zehn Prozent derer, die eine Behandlung benötigen, denn auch Generika sind für viele zu teuer. Ohne Medikamente werden die übrigen schnell krank und arbeitsunfähig. Millionen AIDS-Waisen bleiben unversorgt zurück. Der Gesellschaft entstehen so hohe Kosten. Menschlicher und gesellschaftlich sinnvoller wäre eine staatlich finanzierte, flächendeckende und kostenfreie Gesundheitsversorgung für alle.

Länder wie Südafrika sind technisch weit entwickelt und reich an natürlichen Ressourcen. Sie verfügen über fruchtbare Böden, Gold und Diamanten. Würde dieser Reichtum für die Bevölkerung, und nicht für die Profite internationaler Konzerne und einer kleinen, korrupten nationalen „Elite“ eingesetzt, wäre kostenlose Behandlung kein Problem.

In einer sozialistischen Gesellschaft wäre auch Wissen Gemeineigentum. Die neuesten Forschungsergebnisse, die heute in den Labors der Konzerne gehütet werden, würden frei veröffentlicht. Jeder Forscher hätte Zugang zu allen vorhandenen Informationen, statt nur den Teil zu kennen, der im eigenen Konzern entwickelt wurde. Über umfassende Kooperation und – internationale – Forschungsprogramme würde die Forschung viel effektiver. Die Chancen, ein Heilmittel zu finden, würden stark steigen.

Solche offensichtlich notwendigen Maßnahmen, die auf sozialistischer Basis schnell und problemlos umzusetzen wären, scheitern im Kapitalismus an den wirtschaftlichen Interessen Weniger. Im Fall der AIDS-Pandemie mit der Folge, dass Millionen unter schrecklichen Bedingungen zu Grunde gehen.