DaimlerChrysler: Wut trotz höherem Bonus

Unzufriedenheit über Produktionsverlagerungen und Lohnkürzungen in deutschen DaimlerChrysler-Werken. Konflikte unter Beschäftigtenvertretern


 

von Daniel Behruzi, dieser Artikel wurde zuerst in der jungen Welt vom 16.2. veröffentlicht

In den deutschen DaimlerChrysler-Werken herrscht trotz erhöhter Bonuszahlungen – für 2006 erhalten die rund 132000 Arbeiter und Angestellten 2000 statt wie im Vorjahr 1000 Euro Ergebnisbeteiligung – weiterhin Unruhe. Neben dem Unmut über die Umsetzung des Entgeltrahmen-Abkommens (ERA), die einem Großteil der Beschäftigten schmerzliche Lohnverluste beschert, geht es in mehreren Betrieben um Produktionsverlagerungen.

Der DaimlerChrysler-Vorstand plant, die Produktaufteilung unter den deutschen Werken zu verändern. So soll die Endmontage, das sogenannte dress-up, des Dieselmotors OM 651 von Stuttgart-Untertürkheim und Mannheim ins thüringische Kölleda verlagert werden. Als »Kompensation« soll in Mannheim künftig die Montage des bisher in Berlin-Marienfelde gefertigten Tauschmotors erfolgen. Hintergrund der Planungen ist die miserable Auslastung der 2003 als Joint-Venture gegründeten, inzwischen aber allein im Besitz von DaimlerChrysler befindlichen Fabrik in Kölleda. In diesem mit Hilfe staatlicher Subventionen in Höhe von rund 57 Millionen Euro gebauten Werk arbeiten derzeit statt 500 Beschäftigten im Drei-Schicht-Betrieb weit weniger als 300 Arbeiter und Angestellte in nur einer Schicht. Um eine Schließung zu vermeiden – an dem thüringischen Standort liegen die Tarife deutlich unter denen der anderen deutschen Werke – soll die genannte Motorenfertigung von Untertürkheim und Mannheim dorthin verlagert werden.

Konflikt in Betriebsräten

In den Betriebsräten der betroffenen Werke – deren Zustimmung zu Produktionsverlagerungen der Konzern aufgrund des 2004 geschlossenen »Zukunftsvertrags« zuvor einholen muß – kam es am Donnerstag in der Frage zu teils heftigen Auseinandersetzungen. »Wir haben argumentiert, daß man die Drucksituation, in der sich der Vorstand im Moment ganz offensichtlich befindet, dazu ausnutzen muß, die Eingliederung von Kölleda in die Mercedes Car Group zu erzwingen«, berichtete Tom Adler von der oppositionellen Betriebsgruppe »alternative« aus dem DaimlerChrysler-Werk Untertürkheim am Donnerstag gegenüber junge Welt. Hierdurch könne das Lohndumping unter den Belegschaften eingeschränkt werden. Derzeit ist die Fabrik in Kölleda als eigenständige GmbH organisiert. Ein weiterer Grund, die Zustimmung zur Verlagerung zu verweigern, sei die angebotene »Kompensation« für die 260 hierdurch in Stuttgart wegfallenden Jobs gewesen, erklärte Adler. »Die angeblichen Ersatzarbeitsplätze bestehen zum Teil aus Luftnummern und aus ohnehin geplanten Investitionen, die andere wegfallende Produkte ersetzen sollen«, argumentierte er. Obwohl das Management keine detaillierte Auflistung vorgelegt habe, wie die Pläne sich auf die gesamte Arbeitsplatzsituation im Werk auswirken, habe die Mehrheit des Betriebsrats der Vereinbarung zugestimmt, kritisierte der linke Aktivist.

Das gleiche Bild in Berlin: Auch hier stimmte die Beschäftigtenvertretung mehrheitlich zu, obwohl sie nur wenige Tage zuvor über die Vorhaben des Vorstands informiert worden war. »Eine so wichtige Entscheidung so kurzfristig und ohne ausreichende Diskussion und Beteiligung der betroffenen Kollegen durchzuziehen – das ist schon ein starkes Stück«, empörte sich der Berliner Betriebsrat Mustafa Efe am Donnerstag auf jW-Nachfrage. Zwar habe das Unternehmen 60 bis 70 Millionen Euro für Investitionen in neue Produkte zugesagt, es sei aber keineswegs sicher, daß die betroffenen 150 Stellen tatsächlich vollständig und gleichwertig ersetzt würden. In der bislang in Berlin stattfindenden Montage der Tauschmotoren – die als sicheres Produkt gelten – seien viele Ältere, Schwerbehinderte und Ungelernte tätig. »Für diese Kollegen wird es sehr schwierig sein, adäquate Arbeitsplätze in anderen Bereichen zu finden«, sagte Efe.

Wut über ERA

Auch die Umsetzung des Entgeltrahmen-Abkommens (ERA) sorgt in den Belegschaften des Autokonzerns weiterhin für Unzufriedenheit. Erst am vergangenen Freitag und Montag stand die Produktion im Bremer Werk zeitweise still, weil sich jeweils rund 2000 Arbeiter im Personalbüro kollektiv über ihre Eingruppierung beschwerten. In Berlin hatten fast 900 Beschäftigte eine Petition unterschrieben, in der der Betriebsrat zur Einberufung einer außerordentlichen Betriebsversammlung zum Thema aufgefordert wird (jW berichtete). Obwohl die Beschäftigtenvertretung an dieses Votum gebunden ist, hat der Betriebsrat hierauf bislang nicht reagiert. Die Initiatoren der Aktion haben mittlerweile einen Anwalt eingeschaltet, um die Einberufung der Versammlung zu erzwingen.

Die Verdopplung der Bonuszahlung – die üblicherweise an den Operating Profit gebunden ist, aber jedes Jahr zwischen Management und Betriebsrat neu ausgehandelt wird – könnte durchaus mit dem wachsenden Unmut in den Belegschaften zusammenhängen. »Ich vermute, daß dies ein Bonbon ist, mit dem die Unzufriedenheit ein wenig besänftigt werden soll«, meinte Christa Hourani, Betriebsrätin in der Stuttgarter Konzernzentrale, im jW-Gespräch. Noch eine andere Vermutung hat Tom Adler: »Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Daimler-Chef Dieter Zetsche damit die Akzeptanz seiner Pläne mit Chrysler durch die Belegschaftsvertreter im Aufsichtsrat honorieren mußte«, sagte er. In einer gemeinsam mit den nordamerikanischen Gewerkschaften UAW und CAW am Mittwoch verabschiedeten Deklaration erklärt die IG Metall ihre Zustimmung zu einem »sozialverträglichen« Arbeitsplatzabbau bei Chrysler. Diesem sollen in den USA und Kanada insgesamt 13 000 Jobs zum Opfer fallen.