21. Oktober: 220.000 trotz Demobilisierung

Nach den Großkundgebungen des DGB müssen betriebliche Aktionen folgen
 

Die Themengewichtung auf dem Titelblatt der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FASZ) am Tag nach dem DGB-Aktionstag vom 21. Oktober war eindeutig: Die Kundgebungen vom Vortag, an denen sich rund 220.000 Menschen beteiligten, kamen lediglich als Randnotiz vor. Das Vorhaben der Telekom-Spitze, weitere 74.000 Arbeitsplätze zu vernichten, stellte hingegen den Aufmacher. Damit zelebriert das Blatt indes nicht nur die eigene Gewerkschaftsferne, sondern widerspiegelt auch die realen Verhältnisse. Die Attacken auf Jobs und Lebensstandards gehen – wachsendem Unmut und samstäglichem Protest zum Trotz – unvermindert weiter.

von Daniel Behruzi, Berlin

BenQ minus 3.000, Allianz minus 7.500, Bayer/Schering minus 6.000, Volkswagen minus 20.000… Bei der Addition der allein in diesem Jahr angekündigten Stellenstreichungen kommt die FASZ bereits ohne die Telekom auf 76 000. Eins steht fest: Diese massenhafte Vernichtung von Arbeitsplätzen – ergänzt und forciert durch den staatlich organisierten Druck auf Erwerbslose und den Abbau sozialer Sicherungssysteme – werden die Gewerkschaften nicht mit einer Wochenend-Mobilisierung stoppen.

Macht Sommer jetzt Winterpause?

Zwar kündigte DGB-Chef Michael Sommer weitere Proteste an. Das tat er allerdings auch schon am 3. April 2004, als eine halbe Million gegen Schröders Agenda 2010 auf die Straße ging. Danach folgte bekanntlich – zumindest von Seiten der Gewerkschaftsspitze – nichts. Geht es nach Sommer und Co. dürfte es dieses Mal kaum anders laufen.

Bereits im Vorfeld des 21. Oktober hatte sich der DGB-Chef mit öffentlichen Äußerungen hervorgetan, die man nur als gezielte Demobilisierung verstehen konnte. Im Handelsblatt betonte er, man wolle der Regierung nicht schaden, um kurz darauf in der Zeit zu erklären, der geforderte Mindestlohn von 7,50 Euro sei kurzfristig ohnehin nicht durchsetzbar. Dass dem Ruf des DGB trotz solcher Äußerungen und der gemachten Erfahrungen mehr als 200.000 Menschen in Berlin, Dortmund, München, Stuttgart und Frankfurt am Main folgten, zeigt den Grad, den die Unzufriedenheit in breiten Teilen der Gesellschaft mittlerweile erreicht hat.

Kämpfen wie in Frankreich

„Wir brauchen französische Verhältnisse.“ Dieser Ausspruch war am 21. Oktober vielfach zu hören. Doch was macht den Widerstand links des Rheins so viel schlagkräftiger? Dort haben, angetrieben von AktivistInnen an der Basis, die Gewerkschaften immer wieder zu Aktionen während der Arbeitszeit mobilisiert – zum Beispiel gegen Verschlechterungen beim Kündigungsschutz. Und damit auch ökonomischen Druck erzeugt.

Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist in Deutschland höher, der Apparat stärker. Was eigentlich ein Vorteil sein müsste, wirkt sich hier aufgrund der Blockadepolitik der heutigen Gewerkschaftsführung negativ aus. Darum stehen wir zum einen vor der Aufgabe, in den Gewerkschaften eine personelle und programmatische Alternative aufzubauen. Zum anderen gilt es, auf betrieblicher Ebene Intiativen zu ergreifen, um die bestehende Kampfbereitschaft in wirksame Gegenwehr umzumünzen.

Wie weiter?

Nach dem 21. Oktober müssen nun Aktionen in möglichst vielen Betrieben – angefangen mit Vertrauensleute- und Betriebsversammlungen bis hin zu Arbeitsniederlegungen – folgen. Nötig wäre es, die Kräfte zu bündeln und einen bundesweiten gemeinsamen Protest- und Streiktag vorzubereiten. Dafür muss Druck auf die DGB-Spitze ausgeübt werden. Aber auf die Sommers können wir nicht bauen.

Deshalb sollten auf örtlicher und regionaler Ebene Anstrengungen unternommen werden, um die verschiedenen betrieblichen Auseinandersetzungen mit sozialen Protesten und den Anliegen von Schüler- und StudentInnen zusammenzubringen und vor Ort auf Protest- und Streiktage hinzuarbeiten. Eine Vernetzung der Belegschaften und BasisaktivistInnen, auch am Apparat hauptamtlicher Gewerkschaftsfunktionäre vorbei, ist – das hat die Auseinandersetzung um das Berliner BSH-Werk gezeigt – dringend vonnöten.