Was ist links – und was ist es nicht

Die Frage, was denn „links“ sei, lockte mehrere hundert ZuschauerInnen zur Diskussionsveranstaltung der Berliner taz am 4. September. Schnell polarisierte sich die Diskussion: Einerseits argumentierten Stefan Liebich (Linkspartei.PDS), Michael Müller (SPD) und Volker Ratzmann (Grüne) für „linke“ Politik unter dem Diktat der leeren Kassen. Andererseits vertrat Lucy Redler (WASG) die Auffassung, dass angesichts des wachsenden Reichtums der Vermögenden und der Konzerne Widerstand gegen alle Kürzungen auf dem Rücken der arbeitenden und arbeitslosen Bevölkerung nötig sei und auf keinen Fall eine Beteiligung an Regierungen, die für Sozialabbau, Privatisierungen und Tarifflucht stehen.
 

von Bianca Suttner

Die Positionen von Grünen, SPD und L.PDS waren ernüchternd: SPD und Grüne nahmen gegenüber linker Politik eine klare „Nicht mit uns“-Haltung ein: der eine will 15.000 weitere Wohnungen privatisieren (Müller), der andere dazu auch ein bisschen von der BVG (Ratzmann). Die Linkspartei tanzte hingegen ihr Wahlkampfballett: aber der Spagat zwischen der Verteidigung von vier Jahren Regierungspolitik (inklusive Lohnabsenkungen bei der BVG) und der Beteuerung, nun sei es aber genug mit den Wohnungsprivatisierungen, stieß beim Publikum auf Skepsis. Zu Recht angesichts der erschütternden Bilanz von vier Jahren Rot-Rot.

Die Kernfragen linker Politik aufzugreifen blieb damit der Spitzenkandidatin der WASG, Lucy Redler, überlassen, die für ihre Positionen große Unterstützung und Beifall aus dem Publikum bekam: konsequent auf der Seite der Betroffenen zu stehen gegen Sozialabbau und Privatisierung, das müsse der Ausgangspunkt linker Politik sein.

Dass heißt zum Beispiel mit den Beschäftigten aktiv für den Erhalt von Arbeitsplätzen zu kämpfen wie bei BSH. Außerdem müsste bei Betriebsschließungen das Land auch von der Möglichkeit Gebrauch machen, solche Betriebe in öffentliches Eigentum zu überführen. Am Beispiel der BVG machte sie klar, dass es für Linke nicht die Alternative zwischen Lohnkürzungen oder Fahrpreiserhöhung geben könne. Im Interesse einen guten Verkehrsversorgung mache es keinen Sinn, NutzerInnen und Beschäftigten gegeneinander auszuspielen. Sie stellte auch klar, dass es ein Irrglaube ist, dass Lohnkürzungen Privatisierungen verhindern könnten. Sind die Löhne erst einmal gedrückt, wie beim Krankenhausbetrieb „vivantes“, dann steige für private Unternehmen vielmehr die Attraktivität solche Betriebe zu übernehmen.

Immer wieder wurde die Frage der Finanzierung aufgeworfen. Die Vertreter von Grüne, SPD und auch PDS argumentierten, dass die Haushaltslage dazu zwingen würde, Kürzungsmaßnahmen umzusetzen. Lucy Redler machte klar, dass die Kassen von Ländern und Kommunen ausgeblutet seien, weil es eine massive Umverteilung von unten nach oben gegeben hat: auf dieser Grundlage haben sich die oberen 10.000 immer weiter bereichert. Wenn man alleine nur ein Drittel des Vermögens abschöpfen würde, wären alle Länder und Kommunen schuldenfrei. Aufgabe der Linken sei es, den Widerstand gegen diese Umverteilungspolitik zu organisieren. Nur so könnten die notwendigen Gelder zur Finanzierung von öffentlichen und sinnvollen Investitionen erreicht werden. Sie stellte heraus, dass die L.PDS es seit Jahren versäumt habe, eben diesen Widerstand zu organisieren.

Das Publikum schien zumindest eine klare Positionierung gegen Sozialabbau zu begrüßen.

Insgesamt blieb die Orientierung auf die außerparlamenatarische Bewegung um politische Veränderungen zu erreichen, auf dem Podium allein Lucy Redlers Ansatz für linke Politik. Oppositionsarbeit, gar „Kampagnen“ gegen Wohnungsprivatisierung oder Werksschließungen – für Liebich unvorstellbar. Sowohl er als auch Müller sahen in Regierungsposten die einzigen Handlungsmöglichkeiten für "linke" Politik. Welche "Spielräume" sie dabei in den vergangenen Jahren ausgeschöpft haben, wissen die meisten Berliner nur zu gut. Da stellt sich einmal mehr die Frage: wer oder was hier eigentlich links ist? Messlatte hierfür sind die Taten, nicht die Worte, wie Lucy Redler bereits am Anfang der Veranstaltung erklärte. Und da den Vertretern der bekannten Parteien selbst die Worte für linke Positionen und Visionen fehlten, zeigte sich die Notwendigkeit einer konsequenten linken Kandidatur der WASG an diesem Abend einmal mehr.