„Im Kern immer noch Kämpfer“

Die Militarisierung deutscher Außen(wirt-schafts)politik
 

„Die Einsätze der Bundeswehr sind ein zentrales Kennzeichen der Transforma-tion der deutschen Streitkräfte. Dieser Prozess findet seinen Ausdruck vor allem in den derzeitigen Auslandseinsätzen.“ Während die hier zitierte Broschüre des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr als Ziele Frieden und Sicherheit angibt, wird Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) im „Entwurf aus dem Verteidigungsministerium für ein Weißbuch 2006“ deutlicher: „Hier-bei gilt es wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands sich be-sonders den Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden.“

von Frank Nitzsche, Siegen

Allerdings lassen sich die Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht nur auf den Zugriff der deutschen „Wirtschaft“ auf Rohstoffe reduzieren, sondern müssen vor allem vor dem Hintergrund einer langfristigen geostrategischen Interventionsfähigkeit gesehen werden. Diese ist aus Sicht deutscher Unternehmer und Politiker eine Notwendigkeit ist, um sich bei zu erwartenden verstärkten innerimperialistischen Spannungen – aufgrund der Krisenpotenziale in der Weltwirtschaft und der Instabilität afrikanischer und asiatischer Staaten – zu behaupten.

Auf dem 32. Internationalen Militärhistorikerkongress in Potsdam erklärte Jung, bei der Vermittlung von militärischen Werten gelte es, das Selbstverständnis des modernen Soldaten zu berücksichtigen: „Denn dieser ist, trotz aller Ausweitung seiner Rolle als Helfer, Vermittler und Retter im Kern immer noch Kämpfer.“ Die konservative FAZ kommentierte dies am 25. August folgendermaßen: „Solche Worte waren in der deutschen Öffentlichkeit über Jahrzehnte verpönt. (…) Allerdings war bis zum Ende des Kalten Krieges der Friede der Ernstfall – was sich heutzutage für die achttausend deutschen Soldaten im weltweiten Einsatz wegen damit verbundener Gefahren für Leib und Leben so bestimmt nicht mehr sagen lässt.“

Libanon

Bislang sollen deutsche Grenzbeamte bei der Überwachung der libanesisch-syrischen Grenze beraten und eine „maritime Task-Force“ soll dabei helfen, die Waffenversorgung der Hisbollah im Libanon zu unterbinden. Der Einsatz der deutschen Marine ist kein Zufall, wie folgende Ausführungen aus dem „Weißbuchentwurf 2006“ verdeutlichen: Diese soll zu einer „Expeditionary Navy“ ausgebaut werden, um „vor fremden Küsten operieren zu können. (…) Neben ihrer Befähigung zum bewaffneten Einsatz auf See können sie [fünf neuartige 130-Korvetten mit Marschflugkörpern mit 200 km Reichweite] wirkungsvoll zu Operationen an Land beitragen.“

Während der Libanon-Einsatz die Akzeptanz deutscher Auslandsinterventionen innerhalb der Bevölkerung erhöhen und den Anspruch auf einen Sitz im Weltsicherheitsrat unterstreichen soll, sind die Interessen im Kongo deutlich wirtschaftsstrategisch motiviert.

Kongo

Bereits 2003 beendeten unter der Federführung Frankreichs EU-Truppen einen Konflikt im Distrikt Ituri, wobei deutsche Truppen logistische und medizinische Hilfe von Uganda aus organisierten. Aktuell dient die Sicherung der Präsidentschaftswahlen vor allem der Legitimierung Kabilas, der den Nachschub für die europäischen Konzerne an Gold, Diamanten, Kupfer, Kobalt, Tantal („Coltan“), Zink, Zinn, Kadmium, Germanium und Wolfram sichern kann. Der Einsatz der rund 2.000 EU-Soldaten (davon 800 Deutsche) unter UN-Kommando wird vom Einsatzführungskommando bei Potsdam geleitet.

Afrika

Bundespräsident Köhler antwortete in einem Interview vom 1. April auf die Frage der Zeitschrift Internationale Politik, ob Deutschland auch eigene nationale Interessen in Afrika verfolge, folgendes: „Dass wir auch deutsche Interessen identifizieren und einbringen, möchte ich doch sehr hoffen.“ Folgerichtig unterstützt die BRD beispielsweise im Sudan die Rebellen des Südens, denen nach einem (nicht zuletzt auf deutschen Druck) geschlossenen Friedensvertrag mit der Zentralregierung der Anspruch auf die Hälfte der Einnahmen aus dem Ölgeschäft zugestanden wurden. Deutsche Unternehmen wollen nun eine neue Eisenbahnlinie von den Ölfeldern des Südsudan in das westlich orientierte Kenia bauen.

In der „Außenpolitischen Strategie zu Zentralafrika“ weist das Auswärtige Amt auf die Ölvorkommen in Gabun, Kamerun, Republik Kongo, Äquatorialguinea und den Tschad hin – auch der Verweis auf den „Krieg der Rohstoffe“ im Kongo fehlt nicht.

USA und die EU

Um der Europäischen Union auch außenpolitisch Geltung zu verschaffen, und als Reaktion der einseitigen Aufkündigung des „multilateralen Interventionismus“ durch die USA nach dem Ende der Blockkonfrontation, trieben vor allem die französische und die deutsche Regierung die Militarisierung der EU-Politik voran. Ziel war und ist es, bis Ende 2010 eine schnelle Eingreiftruppe der EU mit rund 80.000 Mann (davon 18.000 Deutsche) aufzubauen und zwölf so genannte „Battlegroups“ (1.500 bis 2.000 Mann) aufzustellen. Die Battlegroups unterliegen dabei „grundsätzlich keinen geografischen Einschränkungen“ (Weißbuchentwurf 2006).

Die von Schröder verfolgte Militarisierung der Außenpolitik wird unter Merkel fortgesetzt – mit dem Unterschied, dass sie Fortschritte auf diesem Weg in der nächsten Zeit gerade über eine erneute Annäherung an Washington erhofft.

Neben der Beteiligung an den EU-Streitkräften und der Kooperation mit den USA wird auch die unilaterale Einsatzfähigkeit der Bundeswehr angestrebt. So forderte Verteidigungsminister Jung, dass Auslandseinsätze zukünftig als Verteidigungsfall im Grundgesetz verankert werden sollen (FAZ vom 2. Mai), um mögliche „Präventivkriege“ legitimieren zu können. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) brachte es auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 5. Februar auf den Punkt: „Für mich ist deshalb klar: Globale Sicherheit im 21. Jahrhundert wird untrennbar auch mit Energiesicherheit verbunden sein. (…) Und die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik, das verstehen Sie, muss sich dieser strategischen Herausforderung stellen. Wir sind ein rohstoffarmes Land.“