Aufstand gegen Studiengebühren

Nein zur Zwei-Klassen-Bildung
 

Spätestens bis zum Wintersemester 2007/2008 sollen alle Studierende in Deutschland Gebühren zahlen, egal ob sie in Hessen, Hamburg, Sachsen oder Saarland studieren. Um den Widerstand zu brechen, wird die Salamitaktik angewendet: Nicht alle Länder gleichzeitig, sondern eines nach dem anderen wird vorgeknöpft.

Die Artikel wurden von Anja Balssat und Jörg Jörissen, Aachen, Nico Weinmann, Viktor Lehning und Jan Röder, Kassel, und Nima Sorouri, Köln, geschrieben

Beschlossen sind Studiengebühren bereits in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Offiziell beteuern Vertreter der etablierten Parteien, die „Wirtschaft“ brauche mehr Menschen mit besserer Ausbildung. Dass Studiengebühren ein Anreiz zur Aufnahme eines Studiums wären, so einen Blödsinn glaubt nicht mal der blödeste Bildungspolitiker. Es muss also andere Gründe geben.

Mit Studiengebühren werden mehrere Ziele verfolgt:

Elitebildung. Wie zu Kaiser-Wilhelms-Zeiten sollen gute und sehr gute Bildungsmöglichkeiten einer kleinen reichen Oberschicht vorbehalten bleiben. Der Nachwuchs für die Führungspositionen in Staat und Wirtschaft, leitende Beamte und Manager, sollen, wie im Feudalismus, in erster Linie aus den eigenen Kreisen kommen. Und wenn der „Pöbel“ studieren will, dann soll er zahlen.

Bildung nach Bedarf der Unternehmer

Die Vertreter der privaten Industrie machen eine einfache Rechnung auf: Wozu 100 Leute studieren lassen, wenn man nur 50 einstellen will? Wozu Geistes- und Sozialwissenschaftler ausbilden, wenn man nur Menschenmaterial (Humankapital) für den Produktionsprozess benötigt?

Studiengebühren dienen der Privatisierung im Bildungswesen.

Bildung soll zur Ware werden. Nach Prof. Dr. Pinkwart, Wissenschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, sollen die Hochschulen zum „verselbständigten Unternehmen“ umgewandelt werden, das sich den „Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs“ und des „Wettbewerbs zwischen Hochschulen“ stellen muss und im Zweifel sogar in Konkurs gehen kann.

Schon jetzt haben Wirtschaftsvertreter einen großen Anteil an Hochschulräten, wie sie gerade in vielen Bundesländern eingeführt werden sollen. Im Hochschulrat der Ludwig-Maximilians-Universität München sind sechs von zehn Mitgliedern Vertreter der Konzerne, so zum Beispiel Vorsitzende der Vorstände der Münchner Rück, der E.ON AG und der HypoVereinsbank AG.

Geht es nach Pinkwart und seinen Hintermännern in den Chefetagen, verabschieden sich die Länder ganz aus der Hochschulfinanzierung. Studiengebühren von mehreren Tausend Euro wie in den USA werden dann möglich.

Studiengebühren finanzieren Steuererleichterungen für die Reichen.

Alle Beteuerungen zum Trotz: Studiengebühren dienen der Umverteilung. Mit den Studiengebühren werden indirekt die zahlreichen Steuergeschenke an Unternehmen, Banken, Millionäre finanziert (ob die Senkung der Unternehmenssteuern oder des Spitzensteuersatzes).

Zur Erinnerung: Bevor der Spitzensteuersatz für die oberen Zehntausend von 42 auf 45 Prozent erhöht wurde, wurde er von ursprünglich 56 Prozent auf 42 Prozent gesenkt.

Studiengebühren sind also eine Klassenfrage. Auf der einen Seite stehen über 80 Prozent der Erwerbstätigen und ihre Familien, die gezwungen sind, ihre Arbeitskraft als Ware auf dem Markt zu verkaufen, um irgendwie über die Runden zu kommen; oft mehr schlecht als recht. Auf der anderen Seite gibt es eine Minderheit, denen die Fabriken und Finanzhäuser gehören. Sie bestimmen, wer eine Lehrstelle und einen Arbeitsplatz bekommt. Sie wirken auf die Gesellschaft, auf die Politik, auch auf die Bildungspolitik, ein. Das Bildungsinteresse einer großen Mehrheit steht gegen die Profitinteressen einer kleinen Minderheit.

Bildung für alle – statt Studiengebühren und Hartz IV – Für ein kostenloses Bildungswesen

Nach einer Erhebung der Studentenwerke haben ein Viertel der zwei Millionen Studierenden in Deutschland weniger als 600 Euro im Monat zur Verfügung.

Bildung darf nicht vom Geldbeutel der Eltern oder vom eigenen Kontostand abhängig sein. Studiengebühren oder Studienkontenmodelle dürfen nicht eingeführt beziehungsweise müssen wieder abgeschafft werden. Alle bestehenden Gebühren für den Besuch von Kindergärten, Schulen und Hochschulen, alle Zuzahlungen für Lernmittel, Ausflüge oder Exkursionen müssen abgeschafft werden. Auch Volkshochschulkurse müssen gebührenfrei bleiben beziehungsweise wieder werden.

Für mehr und besser ausgebildetes Personal

Wir haben fünf Millionen Erwerbslose, darunter LehrerInnen, ErzieherInnen, Handwerker. Sie werden dringend in den Bildungseinrichtungen für eine bessere Ausbildung, qualifizierte Betreuung sowie für die Instandhaltung der Gebäude gebraucht. Die Gruppenstärken in allen Bildungseinrichtungen müssen verkleinert werden, die Klassenstärken in den Schulen auf maximal 15 SchülerInnen. In allen Schulen müssen SozialarbeiterInnen eingestellt und die Arbeitszeit der LehrerInnen muss bei vollem Lohnausgleich reduziert werden. Die Hochschulen müssen ebenfalls ausgebaut, mehr Lehrkräfte eingestellt werden. LehrerInnen und DozentInnen müssen eine pädagogische Ausbildung haben. Regelmäßige Fortbildung muss Teil ihrer Arbeit sein.

Ausbau von Bildungseinrichtungen

Baufirmen gehen pleite, weil sie keine Aufträge haben. Bauarbeiter werden arbeitslos. Gleichzeitig fehlt es in Bildungseinrichtungen an Räumen und Platz. Viele der bestehenden Gebäude sind in einem katastrophalen Zustand. Wir brauchen ausreichend und einem atmosphärisch angenehmen Lernklima entsprechende Räumlichkeiten.

Für ein elternunabhängiges BaföG

Von Jahr zu Jahr nimmt die Zahl derer, die BaföG beziehen können, ab: 1981 haben 1,21 Millionen SchülerInnen und Studierende BaföG bekommen, im Jahr 2002 waren es nur noch 723.000. Von den BaföG-EmpfängerInnen unter den Studierenden erhielten nur 37,4 Prozent den Höchstsatz von 585 Euro (einschließlich Wohn- und Krankenkassenzuschuss).

Mit 18 ist man volljährig, aber in der Ausbildung immer noch abhängig von den Eltern. Das muss sich ändern. Wir brauchen ein elternunabhängiges, darlehensfreies Schüler- und Studierenden-BaföG von 800 Euro netto und kostenlose Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs. Banken und Konzerne müssen über höhere Steuern zur Finanzierung von Bildung herangezogen werden.

Selbstbestimmtes Lernen statt Büffeln für Zensuren

Jeder Mensch wird dort am meisten für die Gesellschaft bringen und sich selber am wohlsten fühlen, wo er sich ohne Druck entsprechend seiner Neigungen und Fähigkeiten einbringen und entwickeln kann. Deshalb muss in Schule und Hochschule selbstbestimmtes Lernen möglich sein. Noten und Prüfungen müssen abgeschafft werden, weil sie nur der Selektion, nicht aber der Entwicklung von Fähigkeiten und Talenten dienen – das gilt für Schule und Uni.

Lerninhalte und Lehrmethoden müssen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vollständig umorientiert werden und gehören unter Kontrolle von SchülerInnen, Studierenden, LehrerInnen und DozentInnen. Nicht Auslese darf Ziel von Uni und Schule sein, sondern individuelle Förderung entsprechend der Fähigkeiten und Neigungen des Einzelnen. Deshalb muss das dreigliedrige Schulsystem abgeschafft werden. Die Schulzeitverkürzung, das achtjährige Abitur, muss zurückgenommen werden. Der Samstag muss Schul- und arbeitsfrei bleiben. Wir brauchen eine integrierte Gesamtschule als Ganztagseinrichtung mit ausreichend LehrerInnen, Sozial- und FreizeitpädagogInnen und ErzieherInnen. An allen Bildungseinrichtungen muss es qualitativ gutes Mittagessen geben, zubereitet von professionellen und tariflich bezahlten KöchInnen und Küchenpersonal.

ImmigrantInnen, Kinder aus sozial benachteiligten Familien mit Lern-, oder sonstigen Schwierigkeiten müssen zusätzliche Unterstützung erhalten.

Mehr Ausbildungsplätze, Übernahme im erlernten Beruf

Nach der Schule in die Arbeitslosigkeit – dieses Schicksal trifft auf immer mehr Jugendliche zu. Unternehmen, die nicht mindestens zehn Prozent soviel Ausbildungsplätze anbieten, wie sie Beschäftigte haben, müssen 20.000 Euro pro nicht eingerichtetem Ausbildungsplatz bezahlen. Mit diesem Geld könnten Ausbildungsplätze im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Alle Auszubildenden müssen nach der Ausbildung einen garantierten Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf bekommen.

Nein zur Privatisierung und Kommerzialisierung

Bildung darf keine Ware sein. Bildungseinrichtungen dürfen nicht  Profitinteressen unterworfen werden. Schluss mit dem Einfluss der Konzerne auf Forschung und Lehre durch Drittmittelvergabe. Keine „Public-Private-Partnership”-Projekte. Die Erfahrung zeigt auch hier: Die Leidtragenden sind Beschäftigte, SchülerInnen und Studierende. Kein Sponsoring und keine kommerzielle Werbung an Schulen und Hochschulen.

Demokratisierung von Schulen und Hochschulen

Die hierarchischen Strukturen an den Schulen und Unis müssen abgeschafft werden. An allen Bildungseinrichtungen müssen Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen beziehungsweise Studierende und DozentInnen ein Leitungsgremium aus ihrer Mitte wählen, das jederzeit abgewählt werden kann. Zusätzlich müssen sich LehrerInnen und SchülerInnen/Studierende in eigenen Interessensvertretungen einschließlich des politischen Mandats und Streikrechts organisieren können. An Schulen und Hochschulen vertretene politische Gruppen – außer Rechtsradikale – müssen kostenlose Räume für Treffen erhalten und Material verteilen können.

Für die Einführung der 30-Stunden-Woche

Wenn mit immer weniger Arbeitskräften immer mehr produziert werden kann, muss die Arbeit auf alle aufgeteilt werden. Statt unbezahlte Verlängerung der Arbeitszeit brauchen wir die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Können wir uns das leisten?

Was sich die Gesellschaft nicht leisten kann, ist, Hunderttausende Jugendliche nicht auszubilden, SchülerInnen den Zugang zu Bildung zu verbauen, Millionen an Erwerbsarbeit zu hindern. Was sich die Gesellschaft nicht leisten kann, ist, Milliarden für die Rüstung auszugeben statt für Schulen und Hochschulen.

Schluss mit der Profitwirtschaft

Solange Ausbeutung, Profit und Konkurrenz die Wirtschaft bestimmen, wird die gesamte Gesellschaft dem untergeordnet, auch das Bildungssystem. Wir streben eine Gesellschaft an, in der die Fähigkeiten und Talente aller Menschen gefördert und sinnvoll eingesetzt werden. Wir wollen eine Wirtschaft, die sich an den Bedürfnissen von Mensch und Umwelt orientiert. Konzerne und Banken müssen deshalb in Gemeineigentum überführt und von der arbeitenden Bevölkerung demokratisch kontrolliert und verwaltet werden.

Studiengebühren kippen – aber wie?

Proteste gegen Studiengebühren sind in vielen deutschen Städten seit Wochen an der Tagesordnung. Immer wieder kommt es zu Spontandemonstrationen und Rektoratsbesetzungen. Die Autobahnblockaden in Frankfurt, Gleisbesetzungen in Gießen oder die Ausrufung der „Freien Uni“ in Bochum sind nur einige Beispiele für den wachsenden Widerstand gegen das Bezahlstudium von mindestens 1.000 Euro pro Jahr.

Repressalien gegen Studierende

Unter anderem wurden in Bielefeld, Paderborn, Köln, Bochum und Duisburg Rektorate besetzt, Senatssitzungen gestört oder verhindert. Offensichtlicher als in Köln kann die Brutalität der Durchsetzung von Gebühren kaum sein. Bei einer ersten, erfolgreichen Verhinderung der Senatsitzung schlug die Polizei mit Gummiknüppeln auf die Studierenden ein. Die zweite, eigentlich öffentliche, Senatssitzung wurde heimlich von Köln in das stark gesicherte (Kern-)Forschungszentrum bei Jülich verlegt, 50 Kilometer von Köln entfernt. Trotzdem bekamen die Studierenden davon Wind, und schafften es mit etwa 600 DemonstrantInnen durch eine Straßenblockade einige Senatoren an der Teilnahme zu hindern. Unter Polizeischutz beschlossen schließlich acht Senatoren die Einführung von Studiengebühren an der Universität Köln.

Hintergrund ist, dass die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen zwar Studiengebühren beschlossen hat, die Hochschulen aber rechtlich und formal „freiwillig und selbstständig“ darüber entscheiden können.

Lehren aus Frankreich

Vorbild der Studierendenbewegung in Deutschland ist Frankreich und der erfolgreiche Kampf gegen den Einstellungsvertrag CPE, der für Jugendliche unter 26 Jahren eine zweijährige Probezeit vorsah und somit für die Jugendlichen jeden Kündigungsschutz abschaffen sollte. „Kämpfen wie in Frankreich“, „Du bist Paris!“ oder „Französische Verhältnisse, jetzt!“ lauteten vielerorts die Parolen. So etwa am 3. Mai in Köln, als über 3.000 Studierende eine Senatssitzung stürmten.

In Frankreich hat’s funktioniert. Aber wieso? Die Proteste in Frankreich begannen Ende Januar. Im Februar stellten die Studierenden in Rennes einen konsequenten Streik auf die Beine. In Paris wurde die Universität Sorbonne besetzt. Immer wieder kam es zu Großdemonstrationen,  Streiks von SchülerInnen und Studierenden, Blockadeaktionen der Unis und Schulen, der Bahnhöhe und Verkehrswege. Es entwickelte sich ein Massenprotest, Tag für Tag demonstrierten Zehntausende. Und das alles, nachdem das Gesetz CPE bereits verabschiedet worden war.

Innerhalb von zwei Wochen hatte sich der Streik der Studierenden auf etwa 60 Universitäten ausgeweitet. Während die konservative Regierung Villepin noch eifrig versuchte, die Studierendenproteste zu kriminalisieren und so zu isolieren, kämpften nicht nur Schülerinnen und Schüler Seite an Seite mit den Studierenden gegen die faktische Abschaffung vom Kündigungsschutz, sondern auch andere von Sozialabbau betroffene Menschen. Teilweise solidarisierten sich die Jugendlichen aus den „Banlieues“, die in den Vormonaten ihre Wut über Massenarbeitslosigkeit, staatliche Schikanen und fehlende Zukunftsperspektiven zum Ausdruck gebracht hatten.

Vor allem aber erfasste die von der Jugend getragene Massenbewegung die Betriebe. Die Gewerkschaftsspitze wurde mächtig unter Druck gesetzt und sah sich gezwungen, zwei große Streiktage, am 28. Mai und am 4. April, in beiden Fällen mit drei Millionen Beteiligten des öffentlichen Dienstes und der Privatindustrie, die ihre Arbeit niederlegten. Die Regierung Villepin musste einen unbefristeten Generalstreik fürchten. Ein Faktor für das Tempo der Ereignisse in Frankreich war sicherlich das Ausmaß von Ablehnung und Hass gegen das Kabinett Villepin.

In Frankreich war es die massenhafte Beteiligung der von Sozialkürzungen Betroffenen, die gemeinsam ein bereits verabschiedetes Gesetz kippten und dem Establishment einen herben Schlag versetzen konnten.

Die Bewegung braucht eigene Strukturen

Kämpfen wie in Frankreich heißt also von Frankreich lernen. Die ersten Schritte innerhalb der Protestbewegung gegen das Bezahlstudium in diesem Land sind längst gemacht. Jetzt kommt es darauf an, dass der Widerstand an den Hochschulen nicht vereinzelt bleibt. Stadtweite, wie landes- und bundesweite Vernetzungen der Hochschulen sind ein unerlässlicher Schritt, um Studiengebühren erfolgreich zurückschlagen zu können. Denn klar ist: Selbst wenn es an einer einzelnen Hochschule gelingen sollte, die Einführung der Uni-Maut abzuwenden, wäre ein solcher Erfolg nicht dauerhaft.

Darum gilt es jetzt, die Bewegung weiter aufzubauen und mehr und mehr Studierende aktiv mit einzubeziehen. Es sind häufig die ASten, die Allgemeinen Studierendenausschüsse, die Aktionen planen und durchführen. Die Bewegung muss allerdings weit mehr Leute umfassen, als im AStA aktiv sind. Um diese einzubeziehen, ist es nötig, überall Aktionsgruppen ins Leben zu rufen. Die Aktionsgruppen sollten auf allen Ebenen miteinander vernetzt werden. Aus ihrer Mitte könnten VertreterInnen demokratisch gewählt werden – die jederzeit rechenschaftspflichtig und abwählbar sein sollten.

Nötig sind zudem natürlich regelmäßige Vollversammlungen, die eine breite Diskussion erlauben. Dort sollten über die zentralen Fragen Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus muss auf eine überregionale Koordinierung hingearbeitet werden. Landes- und bundesweite Aktionskonferenzen sind geboten.

Reden ist Silber, streiken ist Gold

Landesweite und bundesweite Aktionstage sind wichtige Schritte, den Protest aller Studierenden zu bündeln. Auf eine Hochschule begrenzte Protestaktionen  reichen nicht, schnell droht die Gefahr, dass die Motivation der TeilnehmerInnen in Frustration mündet. Gemeinsame Protestaktionen verschiedener Hochschulen würden das Potenzial für Widerstand für alle sichtbar machen. Vor allem aber muss darauf hingearbeitet werden, Massenproteste zu organisieren und den Universitätsbetrieb lahm zu legen.

Die Herrschenden sind fest entschlossen, die Zwei-Klassen-Bildung mittels Studiengebühren zu zementieren. Einzelne Aktionen richen nicht aus sie zum Einlenken zu bewegen. Dafür braucht es Massenproteste, Großdemos, Streiks und Unibesetzungen. Es wäre illusorisch zu glauben, dass wir uns über einen längeren Zeitraum die erforderlichen Debatten und Aktivitäten zusätzlich zu den Vorlesungen und Prüfungen aufhalsen könnten. Darum sind Streikmaßnahmen, angefangen mit einzelnen Streiktagen, von großer Bedeutung.

SchülerInnen einbeziehen

Die Einbeziehung von Schülerinnen und Schüler, die die Studiengebühren bald schon zu spüren bekommen werden, ist ein wichtiger Schritt in Richtung Ausweitung des Protests. Viele OberstufenschülerInnen trauen sich nicht mehr, ein Studium zu beginnen. Im wahrsten Sinne des Wortes ist ihnen der Preis zu hoch, zu groß ist der Schuldenberg, den ein Bezahlstudium mit sich bringen wird.

Während Studierende, die ein Ende ihres Studiums absehen können, sich teilweise noch damit beruhigen, sich „nur ein bisschen“ zu verschulden, blicken SchülerInnen in die düstere Zukunft, das gesamte Studium unter solchen Bedingungen leisten zu müssen. Außerdem erfahren SchülerInnen Jahr für Jahr am eigenen Leib, dass so genannte Schulreformen nur Verschlechterungen bedeuten. Die Protestbewegung gegen Studiengebühren muss ganz bewusst auf Schulen ausgedehnt werden, um SchülerInnen für den gemeinsamen Kampf gegen Zwei-Klassen-Bildung zu gewinnen und um die Missstände des Bildungssystems nicht nur partiell  aufzuzeigen.

Französische Verhältnisse organisieren!

Wie in Frankreich müssen in die Proteste gegen Bildungs- und Sozialabbau auch erwerbslose Jugendliche einbezogen werden. Eine gemeinsame Aktion von Gewerkschaftsjugenden und Studierenden in Köln Mitte Mai fand unter dem Motto „Jugend auf der Straße“ statt und ist ein guter Ansatzpunkt.

Die AktivistInnen der Studierendenbewegung sollten gemeinsame Podiumsdiskussionen mit Gewerkschaften organisieren und die Gewerkschaften müssen wie ver.di am 16. Mai in Düsseldorf bei einer Demo gegen Studiengebühren als großer Block dabei sein.

Die derzeitige Kampagne von einigen Gewerkschaften, WASG und Linkspartei.PDS für Mindestlöhne könnte ausgeweitet und zu gemeinsamen Aktionen und Protesten genutzt werden.

Jugendliche, ob in Schule, Studium, in der Ausbildung oder erwerbslos, sind von Hartz IV, Mehrwertsteuererhöhungen oder der Aushöhlung des Kündigungssschutzes betroffen. Der Widerstand gegen Studiengebühren muss mit einer Absage an alle Sozialkürzungen der Regierungen in Bund und Ländern verbunden werden.

Die sich in Deutschland gerade neu formierende Linke muss die Proteste mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützen, politisch und praktisch. In der Studierendenbewegung sollte die Frage der politischen Interessenvertretung diskutiert werden und darüber gesprochen werden, welchen Charakter eine solche Partei haben muss. Eine kämpferische Partei für Beschäftigte, Erwerbslose und Jugendliche, die bereit ist, sich mit den Herrschenden anzulegen, könnte von großer Bedeutung für die Bewegung sein – um programmatische Alternativen zu entwickeln, verschiedene Kämpfe zusammenzubringen und für die Anliegen der Proteste auf der politischen Ebene ein Sprachrohr zu sein.

Gemeinsam könnten Studierende und ArbeiterInnen hier – genau wie in Frankreich – Gesetze wie generelle Studiengebühren oder das Massenverarmungsprogramm Hartz IV zurückschlagen. Studierende müssen von den millionenstarken Gewerkschaften Solidarität einfordern, müssen deren Führung unter Druck setzen, nur so lief es auch in Frankreich. Auch dort mussten die Gewerkschaftsvorstände erstmal zum Jagen getragen werden. Man stelle sich einmal vor, die etwa sieben Millionen Gewerkschaftsmitglieder gingen in Deutschland gegen das Bezahlstudium und Sozialabbau auf die Straße: In einem eintägigen bundesweiten Streiktag, und wenn das nicht reicht, mit einem Generalstreik von 48 Stunden oder mehr. Studiengebühren wären sicherlich sehr schnell kein Thema mehr