Bericht von der Kreismitgliederversammlung in München

Drohungen gegen Berliner WASG, Hetze gegen die SAV, Rücktritte, Chaos und viel Bier
 

Am Montag den 13. März fand in München die Kreismitgliederversammlung der WASG statt. Die Versammlung mit ihren Turbulenzen, Drohungen, Auseinandersetzungen, die letztendlich im Chaos zu versinken drohte, konnte selbst hartgesottene Bayern überraschen. Ein norddeutscher Besucher der Veranstaltung, der zufällig an meinem Tisch saß, wurde im Laufe des Abends immer blasser. Das es die knallige Bierhallenatmosphäre, die Lion Feuchtwanger in seinem Roman „Erfolg“ beschreibt auch auf links gibt, überraschte ihn sichtlich.

Drohungen und Krawall

Die Versammlung in einer bekannten Münchner Kneipe dauerte von 19 Uhr bis fast 2 Uhr am nächsten Morgen.. Den ersten Höhepunkt des Abends setzte der Landesvorsitzende Fritz Schmalzbauer. Im besten bayrisch erklärte er den Versammelten: „Heute Abend um 22 Uhr machen wir im Bundesvorstand eine Telefonkonferenz. Wir lassen nicht zu, dass die Berliner Sektierer (gemeint war der Landesverband der WASG-Berlin) so weitermachen. Wir werden denen schon heimleuchten.“ Ein Teil der Versammelten applaudierte frenetisch. Ohne Argumente wetterte Schmalzbauer gegen „die Berliner“, die sich offensichtlich der „bayerischen Vernunft“ entziehen. Eine Debatte zu dem Grußwort des Landesvorsitzenden Schmalzbauer gab es nicht. Jedoch sorgte ein Antrag gleich nach dem Grußwort des Landesvorsitzenden für ziemliche Erregung. Auf der Tagesordnung stand nicht nur der Bericht des alten Kreisvorstandes zu seiner Arbeit, sondern das KV-Mitglied Frank Rehberg sollte zur „Urabstimmung“ und dem Parteifusionsprozess sprechen. Ein Mitglied der WASG beantragte für Max Brym, ein anderes Mitglied des K-Vorstandes ein Korreferat, mindestens aber 10 Minuten Redezeit für ihn. Der Antragsteller machte deutlich, dass es auch in München nicht nur die Haltung von Schmalzbauer und Rehberg zur „Einheit der Linken“ gibt. „Es entspricht den demokratischen Gepflogenheiten, auch der anderen Position die Möglichkeit zu geben sich darzustellen“ sagte der Antragsteller. Neben Beifall gab es sofort johlende Zwischenrufe wie, „Nix da!“. Für den Kreisvorstand formulierte Georg Waesler einen Gegenantrag, Waesler erklärte: „Wir haben bereits im Kreisvorstand beschlossen, dem Max Brym keine längere Redezeit zu gewähren. Dabei bleibts auch, wir sollten sogar sehr darauf achten, dass der Max nicht länger als 3 Minuten spricht“. Etwas mehr als die Hälfte der Anwesenden (über 80 Personen) folgten dem Antrag von Waesler.

Rehbergs Eigentore

Bis zum Bericht von Frank Rehberg gähnte die Mitgliedschaft, ging eine rauchen, denn die „Formalien kennt man ja“. Erst als Frank Rehberg ans Pult trat, füllte sich der Saal wieder und die Aufmerksamkeit stieg. Rehberg sprach fast 40 Minuten und verpackte den Rechenschaftsbericht des KV gleich mit seiner Haltung zu Berlin, zur SAV, den „Sektierern“ im allgemeinen und Max Brym im besonderen. Rehberg bezweifelte die Legitimation der Berliner WASG nach der Urabstimmung. Der sonst eher akademisch daher kommende Rehberg verwandte Formulierungen wie: „Wir lassen uns das aus Berlin nicht gefallen“ usw. Besonders lag Rehberg aber die kürzlich gegründete SAV Gruppe in München am „Herzen“. Er nannte die SAV nicht tolerierbar, warf ihr gnadenloses Sektierertum vor und forderte deren Ausgrenzung. Max Brym wurde von Rehberg ca. 10 Minuten lang persönlich attackiert und als „Spalter“ und Gegner tituliert. Mit keinem Wort begründete er seine Angriffe gegen die SAV, die Berliner ( Rehberg differenzierte dabei nicht zwischen SAV und Berliner WASG) und Max Brym inhaltlich. Es war eine einzige unversöhnliche Schimpfkanonade. Diese Schimpfkanonade ging nach hinten los, viele Parteimitglieder meinten, dass dieser keinen Rechenschaftsbericht liefert und er ist unverschämt persönlich, obwohl er weiss, dass der Brym nur begrenzt reagieren kann. Andere nannten die Rede Rehbergs eine „Unverschämtheit“ und einige meinten gar , „der will aus der WASG einen sektiererischen monolitischen Block machen.“ Der Beifall für Rehberg hielt sich trotz seiner Kraftausdrücke in der Bierhalle in argen Grenzen.

Die Debatte

In die Debatte stieg als erster Max Brym ein. Brym erklärte den zuckenden Schmalzbauer und Rehberg Anhängern, „dass er auf ihre persönlichen Angriffe nicht eingehe, weil ihm dazu die Zeit fehle und diese Diffamierungen auf sie selbst zurück fielen“. Schmalzbauer rief dazwischen „Brym und SAV schleicht´s euch“. Dann stellte Max Brym klar, wie demokratisch die Entscheidung in Berlin für eine eigenständige Kandidatur der WASG gefallen sei. Es gab zwei Parteitage mit eindeutigen Beschlüssen in Berlin und die Urabstimmung mit einem Resultat. Brym verglich die „seltsame bayrische Mathematik Rehbergs bezüglich der Entscheidung der Berliner mit dem legendären Auftritt von Gerhard Schröder am 18. September 2005.“ Brym sagte: „Du rechnest genauso blödsinnig wie Schröder nach der verlorenen Bundestagswahl“. Brym warnte noch vor „der sektiererischen Verengung bei der Schaffung einer linken Massenpartei“. Er meinte damit die Einheit der Linken auf WASG und PDS ohne inhaltliche Klärung zu reduzieren. Mein Nachbar aus Norddeutschland sagte: „Der Typ kann reden, jetzt ist mir klar, warum er kein Koreferat halten durfte“. Nach Brym stieg der Lärmpegel neuerlich an, als das SAV und WASG Mitglied Oliver Stey redete. Er warnte entschieden vor der „SAV Hysterie im Lande Bayern“ und nannte Rehberg „einen substanzlosen Schwätzer, der zu Berlin zwar auch ein paar linke Worte findet, aber letztendlich der Berliner WASG den Antritt gegen die neoliberalen Senatoren verbieten will“. Andere Redner des Kreisvorstandes legten den SAV Mitgliedern nahe, die WASG zu verlassen. Woraufhin die Rednerin des K-Vorstandes mit Rufen wie „Spalterin, Spalterin“ unterbrochen wurde. Viele Redner griffen Rehberg wegen seines Stils und seinem nicht „gehaltenen Rechenschaftsbericht“ an. Diese Menschen waren zum Teil ursprünglich vom Landesgeschäftsführer Albert Lochner in Marsch gesetzt worden, um die Zusammensetzung des Kreisvorstandes auf prinzipienloser Grundlage zu verändern. Im Laufe der Debatte bekam das Ganze aber eine Eigendynamik, Rehberg hatte sich dermaßen verrannt, das ihn weder „Linke“ noch „Rechte“ noch einfache WASG Mitglieder ohne große politische Vergangenheit wählen konnten

Wahlen, Eskalation und Chaos

Nach der Aufstellung der Kandidatenliste spielten die altgedienten Gewerkschaftsfunktionäre um Waesler und Rehberg ihre letzte Karte aus. In persönlichen Ausführungen erklärten sie ihren Verzicht auf die Kandidatur. Die Hoffnung dabei war, dass man sie anflehen würde doch wieder zu kandidieren und andere ihre Kandidatur zurückziehen würden. Diese Karte stach nicht. Die Erklärung wurde kurz vor 1 Uhr nachts von den verbliebenen Mitgliedern kommentarlos hingenommen. Die „Anti SAV-Hetze“ hat Waesler und Rehberg nicht gerettet, im Gegenteil. Den neuen Kreisvorstand bilden bis auf ein zwei Ausnahmen Menschen ohne großen politischen Hintergrund. Das erregte Schmalzbauer und Lochner, Lochner wollte im neuen Kreisvorstand eine Mehrheit, aber nicht ohne die erfahrenen Apperatleute von Verdi. Die Gründerriege der WASG hat in München keine Funktionen mehr. Die Wahl von sogenannten Praktikern traf das Bedürfnis vieler einfacher WASG Mitglieder. Sie wollten wohl keine Versammlung mehr im Bierdunst bis fast 2 Uhr morgens erleben. Max Brym erzielte bei der Wahl ein annehmbares Ergebnis. Besonders gut war das Ergebnis des SAV Mitglieds Beate Jenkner, sie erhielt 21 Stimmen von 56 Wahlberechtigten. Das reichte aber nicht, um in den neuen Kreisvorstand einzuziehen. Während des Wahlgangs wurde wild im Saal gestritten, einige hockten müde im Bierdunst und selbst Schmalzbauer sprach zu einem seiner Adjutanten vom „Chaos“. Dieses Chaos könnte aber auch zu einer lehrhaften Lektion werden. Die Machtverhältnisse im Kreisverband wurden völlig verändert, vielleicht lernen einige doch noch, dass wüster Antikommunismus innerhalb der WASG nichts bringt. Auf alle Fälle hat die K-Mitgliederversammlung auch unter den ortsüblichen Verhältnissen (Bier und Schreierei) gezeigt, die Mitgliedschaft ist für bestimmte Funktionäre nicht berechenbar.

Alexandra Cohen, München