Thesen über die Weltwirtschaft, die USA, China, Europa und Irak

Dieser Text wurde bei der Sitzung des Internationalen Exekutivekomitees des CWI im Dezember 2005 diskutiert und beschlossen.

  1. Selten in der Geschichte des Kapitalismus waren die Perspektiven für einzelne Länder oder sogar ganze Kontinente in einem so starken Maße von internationalen Ereignissen und Prozessen beeinflusst oder gar bestimmt. Diese aktuelle Phase der kapitalistischen Globalisierung hat einige Ähnlichkeiten – obwohl gleichzeitig Unterschiede bestehen – zu der „Globalisierung“ (obwohl der Begriff damals noch nicht bekannt war) des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dessen katastrophale Folge der Erste Weltkrieg war. Kennzeichnend für diese Periode war der Export von Kapital in die „Kolonien“, die zu geschützten Märkten und Quellen für billige Rohstoffe wurden. Dies führte zu ständigen Positionskämpfen und Konflikten zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten. Dieser Kampf konnte letztendlich nur durch einen Krieg entschieden werden.

  2. Es sind natürlich in der aktuellen Situation einige Merkmale der damaligen Periode zu finden: ein erbitterter Kampf imperialistischer Mächte um Ressourcen, vor allem um Öl, ein wirtschaftlicher Wettstreit um Vorteile und Vorherrschaft, begleitet von militärischen Konflikten und Interventionen, wie dem Irak-Krieg. Dies manifestiert sich am deutlichsten in dem sich entwickelnden Konflikt zwischen den USA und China, der die globalen Entwicklungen in der nächste Zeit dominieren wird. Auch wenn die Gefahr eines größeren inter-imperialistischen Konfliktes bewaffneter Art auf kurze bis mittlere Sicht nicht besteht, so besteht nach wie vor eine reale Gefahr großer Handelskriege zwischen den imperialistischen Blöcken.

  3. Diese Phase der kapitalistischen Globalisierung unterscheidet sich in einigen Aspekten von der Periode vor dem Ersten Weltkrieg. Damals wurde Kapital in die kolonialen Besitztümern exportiert, als Mittel dazu, billige Rohstoffe zu fördern und im Gegenzug dafür teurere Fertigprodukte zurück zu verkaufen, und auf diesem Wege, in den Worten von Marx „mehr Arbeitskraft für weniger Arbeitskraft“ zu erhalten. Diese ungleichen Handelsbeziehungen bestehen noch heute und haben sich sogar aus Sicht der neo-kolonialen Welt verschlechtert. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich ausländische Direktinvestitionen (ADI) in der „Triade“ Europa – USA – Japan konzentriert.

  4. Dies wurde zum Teil abgeschwächt durch den kolossalen Kapitalexport zum einen nach China – das als ADI-Empfänger fast mit den USA gleichgezogen hat, und zu einem gewissen Teil auch nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion, im Zuge des Versuches des Kapitalismus, sein produktives Potenzial zu verlagern um die Rohstoffe und billigen aber qualifizierten Arbeitskräfte auszubeuten, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zur Verfügung stehen.

  5. Zwischen 1990 und 2003 stieg das ADI-Volumen rasant an, der Anteil von ADI am Welt-BSP wuchs von 9% auf 23%. Dies hat, zusammen mit anderen Faktoren, z.B. die so genannte Informations- und Kommunikationsrevolution, haben zu einer kolossalen Integration der Weltwirtschaft geführt. Dies wiederum bedeutet, wie von Marx vorhergesagt, dass Ereignisse auf nationaler Ebene in zunehmendem Maße durch Abläufe auf globaler Ebene mitbestimmt werden.

  6. Die neokoloniale Welt ist in dieses System integriert, bleibt aber dennoch in erster Linie eine Quelle billiger Primärprodukte. Der Aufstieg Chinas könnte jedoch die Dominanz der Triade und vor allem der USA, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, bedrohen. Dies setzt voraus dass China weiterhin ununterbrochen so wächst wie bisher, was keineswegs sicher ist. Es besteht die Gefahr einer weltweiten Rezession oder eines Abschwunges, mit tief greifenden Auswirkungen in China. Ebenfalls zu bedenken ist der unvermeidliche Widerstand der chinesischen ArbeiterInnenklasse gegen die unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken, gegen niedrige Löhne, Umweltverschmutzung usw. Ansteigende Löhne als Folge von Massenkämpfen könnten eine Verlagerung von Kapital aus China heraus in andere Niedriglohnländer und –regionen zur Folge haben, mit entsprechenden Auswirkungen auf das Wachstum.

  7. Zur Zeit hängt die US- und damit die Weltwirtschaft an China und in gewissem Maße auch am asiatischen Kapitalismus als Ganzes. Zwischen diesen drei „Partnern“ existiert ein erstaunlicher faustischer Pakt. Die USA haben zur Zeit das größte Leistungsbilanzdefizit aller Zeiten, der IWF (Internationale Währungsfonds) schätzt, dass es für das Jahr 2005 760 Milliarden Dollar oder 6.1% des BSP der USA betragen wird, obwohl neuere Schätzungen von einer geringfügig niedrigeren Zahl von 706 Milliarden Dollar ausgehen.

  8. Das globale Wachstum ist aktuell in erster Linie auf China und den USA konzentriert, während Asien, Deutschland und Öl-exportierende Länder Handelsüberschüsse in Rekordhöhe haben. Die Financial Times kommentiert: „Es ist eine bizarre Welt, in dem die relative armen Länder der Welt den reichen KonsumentInnen in den USA riesige Geldsummen zu extrem niedrigen Zinsraten leihen”. Peter Dixon von der Commerzbank sagte: „Die USA haben riesigen Ungleichgewichte, sowohl nach außen, in Sachen Leistungsbilanzdefizit, als auch nach innen – hohe Verschuldungsraten und eine niedrige Sparquote. Solche Ungleichgewichte kann man nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten. Ausländische Investoren besitzen US-Wertpapiere im Wert von 12 Milliarden Dollar, de facto Schuldscheine die vom US-Steuerzahler ausgestellt werden.”

  9. Das Ergebnis von all dem ist das, was kapitalistische ÖkonomInnen untragbare „Ungleichgewichte“ nennen. Dies bedeutet dass die Fremdwährungsreserven asiatischer Wirtschaften, allen voran China, von 36% auf 60% des weltweiten Gesamtvolumens (die Reserven der USA nicht mitgerechnet) gewachsen sind. Chinas Reserven sind explosionsartig gewachsen und stellen nun zwei Drittel aller Reserven in ganz Asien dar. Diese Reserven bestehen zum allergrößten Teil aus US-Dollar-Beständen
    die von den meisten asiatischen Zentralbanken auf Kosten von Investitionen in die einheimischen asiatischen Industrien angehäuft wurden. Asien, unter der Führung Chinas, fungiert als Zahlmeister der US-Wirtschaft und stopft die riesigen Lücken die von den US-Defiziten gerissen wurden. Gleichzeitig floriert der Markt für Regierungsschulden, also der Kauf von Wertpapieren der US-Regierung, da die Kapitalisten angesichts von Rekordprofiten lieber dort ihr Geld anlagen als in Investitionen im produktiven Bereich.

  10. All dies hat eine Steigerung der Konsumausgaben und einen Rückgang der Sparquote verursacht, was wiederum zu einem „im steigenden Maße nicht haltbaren Immobilienboom in den USA“ (Financial Times) geführt hat. Sowohl wir als auch die ernsthafteren unter den kapitalistischen KommentatorInnen haben darauf hingewiesen, dass dieses finanzielle Kartenhaus jederzeit einstürzen könnte: „Die Ungleichgewichten nähern sich der ‚Schmerzgrenze’.” (Ebd.). Charles Dumas von Lombard Street Research warnte: „Die ganze Wirtschaft läuft gerade auf der Basis von Kapitalgewinnen… wenn die Immobilienpreise aufhören zu steigen, dann bekommt die US-Wirtschaft Probleme.” Der Wechselkurs des Dollars könnte jederzeit einbrechen, und den asiatischen Zentralbanken riesige Verluste aus ihren Dollarbeständen bescheren. Aus diesem Grund könnten sie sich dazu entschließen, sich vom Dollar zugunsten anderer Seiten zurückzuziehen, was wiederum einen solchen Einbruch des Dollarkurses erst auslösen könnte.

 

Aufschwung – aber wie lange?

 

  1. Wie lange kann der Aufschwung anhalten? Diese Frage beschäftigt nicht nur uns und die ArbeiterInnenbewegung sondern auch die WahrsagerInnen des Kapitalismus. Es hat nur deswegen so lange angehalten weil der Weltkapitalismus, allen voran die USA, eine Ausgabenorgie veranstaltet haben, angeheizt durch „quasi-keynesianistische“ Maßnahmen für die Reichen z.B. massive Steuersenkungen für die Reichsten. Die Zinssätze befinden sich auf einem Rekordtiefststand, was von einigen bürgerlichen ÖkonomInnen spöttisch „kostenloses Geld“ genannt wird, es bestehen massive und nicht tragbare Defizite. Ein Absturz ist sicher, aber das „wie“, das „wann“ und das Ausmaß noch unklar sind. Aber die grundlegende Schwächlichkeit der Weltwirtschaft ist so ausgeprägt, dass sie bereits in den kommenden Monaten ins Schleudern geraten könnte.

  2. Andererseits ist auch eine weitere Überdehung möglich, was den gegenwärtigen Wirtschaftszyklus noch für ein oder mehr Jahre verlängern könnte. Aber, wie das Institut für Internationale Wirtschaft in Washington vorhergesagt hat, die Defizite werden weiter anwachsen bis die Märkte anfangen nervös zu werden, die Rentenerträge steigen, und ab dem Punkt fangen Regierungen an, nervös zu werden. „Größere Anpassungen sind schmerzhafter. Leute ignorieren das lieber und handeln auf der Basis von Wunschdenken“. (Financial Times). Deswegen könnte diese aktuelle Phase ein jähes Ende finden, was das stagnierende Europa in einen noch tieferen wirtschaftlichen und politischen Abwärtssog ziehen könnte. Und gleichzeitig die ohnehin schon schwere Krise des Bush Regimes verschärfen, und sogar Chinas scheinbar unaufhaltsamen Turbowachstum aufhalten könnte.

  3. Auf mittlere und lange Sicht sind die ökonomischen Perspektiven für China und die Auswirkungen davon auf den Weltkapitalismus von zentraler Bedeutung. China hat bereits eine Rolle dabei gespielt, den aktuellen Aufschwung über seine eigentlichen Grenzen hinaus aufrecht zu halten, im Zusammenhang mit der „Super-Liquidität“ in der Weltwirtschaft. Kann es eine stabilere Grundlage für ein weiteres, dauerhafteres Wachstum des Weltkapitalismus schaffen? Die bürgerlichen ÖkonomInnen hoffen mit aller Kraft, dass es das kann. Sie behaupten, dass der Zusammenbruch der „geplanten Wirtschaften“ in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion (womit sie den Stalinismus meinen) sowie die Entwicklung hin zum Kapitalismus in China die Anzahl der Arbeitskräfte weltweit verdoppelt hat, gleichzeitig sei der Kapitalbestand gleich geblieben.

  4. Die scheinbar endlos zur Verfügung stehenden billigen Arbeitskräfte können, so die Hoffnung, eine „Wiedergeburt“ ihres Systems herbeiführen. Diese Hoffnung ist problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Während Investitionen in China und Osteuropa dem Kapitalismus einen gewissen Schub gegeben haben und auch weiterhin geben werden, wurde dadurch in erster Linie die „Angebotsseite“, also die Produktivkräfte, gesteigert. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund steigender Überkapazitäten, vor allem in den Industrien, etwa in der Automobilindustrie. Des weiteren ist die Marktnachfrage, vor allem in China sowie in Osteuropa und Russland, bis auf einige städtische Zentren, aufgrund des niedrigen Lebensstandards und der Verarmung der Massen begrenzt.

  5. Aber selbst wenn es dem Kapitalismus trotz allem gelingt, durch die ökonomische Ausbeutung Chinas und Osteuropas die eigene Lebensspanne zu verlängern, wäre keineswegs alles geklärt. Zunächst wären noch die ökologischen Kosten in dieser Zeit der globalen Erwärmung zu nennen; ebenso die ansteigenden CO2-Emissionen, das Abschmelzen des Eises an den Polen usw. Auf kapitalistischer Grundlage kann die Welt die aktuellen Wachstumsraten alleine Chinas und Indiens nicht verkraften. China mag gerade der Schauplatz eines ökonomischen Feuerwerks sein, aber es ist ebenfalls, zusammen mit den USA, eines der größten Verursacher von Umweltverschmutzung. Die ganze Welt, nicht nur China, kann sich ein Wiedererstarken des Kapitalismus, das die Welt noch weiter in den Abgrund der irreversiblen Umweltzerstörung reißen würde, nicht leisten. Des weiteren hat der globale Kapitalismus zu diesem Zeitpunkt keine andere Alternative als den Neoliberalismus, ohne den es keine kapitalistische Globalisierung (Deregulierung, offene Grenzen für Kapital) als solches geben würde, weltweit durchzusetzen.

  6. Dies hat bereits, und wird auch in Zukunft, erbitterten Widerstand und auch revolutionäre Ausbrüche seitens der ArbeiterInnenklasse und der verarmten Massen hervorgerufen. Selbst in der Phase, in dem der Kapitalismus „relativ fortschrittlich“ war, im 19. und frühen 20. Jahrhundert, gab es die Tendenz, wie Marx deutlich machte, den Anteil der ArbeiterInnenklasse zu senken um die Profite der Unternehmen zu steigern. Dies führte zu Aufständen niedrig bezahlter und gering qualifizierter ArbeiterInnen in Britannien Ende des 19. Jahrhunderts und trug auch zur Entwicklung der Russischen Revolution von 1905 bei, ebenso wie zum Aufstieg der ArbeiterInnenbewegung in den USA und Europa.

  7. Allerdings wurde heute, anders als in der Phase der kapitalistischen Entwicklung vor 1914, dieser Widerstand geschwächt durch das Fehlen des subjektiven Faktors, einer Massenpartei der ArbeiterInnenklasse, die als Anziehungspool fungieren kann. Die Fähigkeit der herrschenden Klasse, den Widerstand der ArbeiterInnen zu schwächen, wurde durch die ideologische Offensive und die Durchsetzung des Neoliberalismus begünstigt. Dennoch hat der Widerstand der Massen, wenn auch nur Zeitweise, einige der herrschenden Klassen Europas in ihren Absichten aufgehalten.

 

China

 

  1. Die Probleme, denen sich der Weltkapitalismus aktuell gegenüber sieht, sind von monumentalen Ausmaßen, sie summieren sich und sind auf lange Sicht unlösbar. Die Folgen des Aufstieges Chinas und der Auswirkungen davon auf den restlichen Weltkapitalismus sind wichtige Fragen für Europa genau wie für die restliche Welt. Die vollen Auswirkungen hiervon haben sich noch nicht entfaltet. China ist nun die Produktionszentrale der Welt, jede Woche hören wir, wie Jobs aus den entwickelten Industrieländern nach China und Osteuropa verlagert werden. Dieser Prozess scheint unnachgiebig und unaufhaltsam zu sein. China, und in etwas geringerem Maße Indien (im Falle Indiens vor allem durch den Ausbau der Informationstechnologie), haben sich zu Zentren der niedrigqualifizierten und niedrigbezahlten Produktion entwickelt. China verarbeitet Importe aus Asien und exportiert diese dann wieder.

  2. Nun findet allerdings eine Konzentration auf innovative Hightech-Produktion auf dem einheimischen Markt statt. Während ein großer Teil der ausländischen Direktinvestitionen aus den USA stammt, hat der asiatische Kapitalismus einen Grossteil seiner Industrien nach China verlegt. So hat etwa Taiwan fast sämtliche Produktionsstandorte aufs Festland verlagert. Japan hat ähnliches gemacht. Dies hat zu der Situation geführt, die ein jüngst veröffentlichter Bericht der EU hervorgehoben hat: „China entwickelt sich zum wettbewerbsstärksten Produktionsstandort den es jemals gegeben hat.” Fast 20% der chinesischen Exporte sind dem Hightech-Bereich zuzuordnen und, wie dieser Bericht feststellt, „mit zwei Millionen StudienabsolventInnen jährlich gibt es allen Grund zur Annahme, dass dieser Prozentsatz anwachsen wird.” Der Anteil am chinesischen BIP, der für Entwicklung und Forschung ausgegeben wird, wächst aktuell um 10% im Jahr, in der EU sind es lediglich 0.02%! (natürlich startet die EU von einem höheren Ausgangsniveau).

  3. Bis vor kurzem konnten sich bürgerliche ÖkonomInnen damit trösten, dass, während die Produktion nach China und anderswo verlagert werden kann, Entwicklungs- und Forschungseinrichtungen – und damit ein Monopol über die Technik – im „Heimat-„land bleiben. So hat etwa der britische Staubsaugerhersteller Dyson seine Produktion nach Asien verlagert, die Forschung und Entwicklung aber in England behalten. Aber der Aufstieg des Hightech-Sektors in China, teilweise durch geliehenes oder regelrecht „gestohlenes“ Geld aus den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern, könnte zur Folge haben, dass diese Sicherheit nicht mehr lange besteht.

  4. Dieser Prozess hat sogar zu einer Tendenz hin zur „Aushöhlung“ des Industriesektors in den USA geführt. Sehr deutlich wird dies anhand der aktuellen Krise bei General Motors, einem der Flaggschiffe der US-Wirtschaft, wo kürzlich die Streichung von 30.000 Stellen bekannt gegeben wurde. Ford sieht sich ähnlichen Problemen gegenüber, die symptomatisch sind für den Niedergang des Industriesektors in den USA. Wie wir erklärt haben, wird die US-Wirtschaft durch den Aufstieg des chinesischen Imperialismus relative geschwächt.

  5. Die USA sind zwar weiterhin die stärkste imperialistische Macht, sie sind allerdings eine Macht, die sich relativ auf dem absteigenden Ast befindet. Sollte sich der aktuelle Trend einer Kräfteverschiebung zugunsten Chinas auf Kosten der USA und der imperialistischen Mächte Europas fortsetzen (und es gibt viele Faktoren die diesen Trend verlangsamen oder durchkreuzen könnten) würde eine solche Entwicklungen soziale und politische Erschütterungen in den alten imperialistischen Ländern hervorrufen. Es würde weiters das zahlenmäßige und das soziale Gewicht des chinesischen Proletariats enorm steigern. Das politische Bewusstsein des chinesischen Proletariats befindet sich allerdings aktuell auf einem niedrigen Niveau.   

  6. Die Folgen der massiven Verlagerung von Industrie und Arbeitsplätzen nach China und anderswohin werfen wichtige Fragen in Bezug auf die marxistische Theorie auf. Marx, und vor ihm schon Adam Smith, unterschied zwischen „produktiver“ und „nicht-produktiver“ Arbeit. Erstere schuf neuen Wert, oder modern gesagt „zusätzlichen Wert“. Nicht-produktive Arbeit, obwohl oft von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Kapitalismus, schafft keinen neuen Wert, sondern nimmt sich einen Teil des Profits, der Löhne, der Einkommen usw., die letzten Endes aus dem durch produktive Arbeit geschaffenen Wert stammen.

  7. Marx wies darauf hin dass der Mehrwert, der durch die Arbeit der ArbeiterInnenklasse geschaffen wird, in drei Teile zerfällt: Rente, Zinsen, und Profit. Nicht nur durch die eigentliche Herstellung wird in Laufe des Produktionsprozesses neuer Wert geschaffen. Aber die produktive Industrie, die verarbeitende Industrie und ihre Ableger sind die Hauptquelle des Wertes. Deswegen bedeutet der Verlust des Produktionsstandortes und aller verwandten Zulieferindustrien im günstigsten Fall die Abhängigkeit der stärkeren Industrieländer.

  8. Einige werden sich eine Platz als Renten-kapitalistische („Kouponschneider“) Länder schaffen, die sich auf „Dienstleistungen“ wie Bankwesen, Tourismus usw. spezialisieren. Dies kann verstärkt werden, wie es etwa in Britannien der Fall ist, durch Einkommen aus großen Auslandsinvestitionen, einschließlich der Super-Ausbeutung der Massen in der neokolonialen Welt. Gleichzeitig können solche Staaten auch Empfänger beachtlicher Volumen von ausländischen Direktinvestitionen sein, wie es in Britannien bis jetzt auch der Fall war.

  9. Dies bezieht sich auf die kurzfristige Entwicklung, es wird nicht notwendigerweise in Zukunft so sein. Aber für Wirtschaften, sogar für ganze Kontinente, besteht hier die Gefahr eines schrumpfenden Produktionsstandortes und eine Abhängigkeit von „Dienstleistungen“. Dies ist, in den Worten des ehemaligen britischen Premierministers Harold Macmillan, „Wie anderen Leuten die Wäsche reinholen“. Auf lange Sicht wird der Verlust wirklicher wirtschaftlicher Stärke in anderen Bereichen sichtbar werden.

  10. Industrielle Stärke widerspiegelt letztendlich diplomatische „weiche Macht“, und ab einem gewissen Punkt auch militärische Fähigkeiten, das Potenzial zu „harter Macht“. Die Aussicht darauf, dass China diese wirtschaftliche und militärische Macht anhäufen könnte, erweckt gerade den Widerspruch der herrschenden Klasse in den USA. Der anschwellende, bilaterale Handelsüberschuss Chinas im Handel mit den USA hat zu Konflikten in Bezug auf Textilien, Schuhe usw. geführt. Dies wird wahrscheinlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt, auch eine unkontrollierbare protektionistische Gegenreaktion erzeugen. Dies steht auch im Zusammenhang mit dem Murren aus den USA angesichts des kontinuierlichen Aufbaus der militärischen Fähigkeiten Chinas, der wiederum im Zusammenhang steht mit der unersättlichen Suche nach immer mehr Rohstoffen um das eigene Wirtschaftswachstum anzuheizen. Dies führt zu einem direkten Interessensgegensatz mit der herrschenden Klasse in den USA, die auch an diesem „großen Spiel“, vor allem um Öl, beteiligt sind.

  11. In Asien ist die Entstehung eines von China angeführten Blocks gegen den japanischen Imperialismus, der mit den USA verbündet ist, klar zu erkennen. Dieser Konflikt hat bereits zu einem Erstarken des japanischen Nationalismus geführt. Die Auswirkungen dieser inter-imperialistischen Rivalitäten haben bereits zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen China und Putins Russland geführt – ironischerweise eine stärkere Zusammenarbeit als früher zwischen den beiden damals stalinistischen Staaten.

  12. Hinzu kommen die festgefahrene Doha-Runde der Handelsgespräche bei der WTO (Welthandelsorganisation) – dort gibt es auch einen Konflikt innerhalb des europäischen Blocks bezüglich Landwirtschaft, EU-Erweiterung und anderen Fragen – und es bedarf nicht viel Fantasie um sich eine Zukunft vorzustellen, die von vermehrten Konflikten und Rivalitäten geprägt ist, und durch eine Rezession in der Weltwirtschaft oder durch eine Verlangsamung von Wachstumsraten enorm verschärft werden könnte.

  13. Obwohl der Welthandel absolute gesehen zugenommen hat, erfährt die Weltwirtschaft in ihrer Erholungsphase seit 2001 eine „Wachstumsrezession“, eine geringe Entwicklung der Produktivkräfte und ein Scheitern am Problem der Arbeitslosigkeit, vor allem in Europa, wo die offizielle Arbeitslosenzahl über 20 Millionen beträgt.

  14. In der jüngsten Periode hat die herrschende Klasse in den USA und in einigen anderen Ländern eine Art „Keynesianismus für Reiche“ praktiziert, in dem sie den Vermögenden Steuererleichterungen gaben. Bush hat den Superreichen in den USA Steuersenkungen im Wert von 700 Millionen Dollar gewehrt. Diese Steuersenkungen bewirken so gut wie keine Steigerung der Konsumausgaben. In Folge der Katastrophe rund um den Hurrikane Katrina war er gezwungen, ein Wiederaufbauprogramm anzukündigen.

  15. Gleichzeitig behauptet er, dass er die Staatsverschuldung bis zum Ende seiner Amtszeit halbieren wird. Diese Einsparungen sollen in erster Linie durch drastische Streichungen im Gesundheitswesen, bei der Sozialhilfe, beim sozialen Wohnungsbau und anderen Projekten erreicht werden. Anders gesagt werden also die Armen für diese Einschnitte bezahlen müssen. Das Aufzehren der Reserven des Kapitalismus wird, in einer tiefen Rezession, erneut die Möglichkeit mit sich bringen, dass die herrschende Klasse „die Druckpresse anwirft“ und die Gefahr inflationärer Tendenzen eingeht. Wie in den 1970er Jahren könnten sie sich dem Phänomen der Stagflation gegenübersehen wenn sie zu solchen Mitteln greifen.

  16. Solange die aktuelle „Wachstumsrezession“ anhält, können die KapitalistInnen zusammenhalten; sich zwar von Zeit zu Zeit den ein oder anderen Schlagabtausch liefern, aber ohne die komplette Fragmentierung die zu einem Handelskrieg führt. Aber eine Rezession und sogar eine Periode des verlangsamten Wachstums wird zu Konflikten führen die wiederum die Probleme der Weltwirtschaft enorm verschärfen könnten. Der fundamentale Faktor – natürlich nicht sofort und nicht unmittelbar, aber in letzter Konsequenz – ist die Entwicklung der Produktivkräfte als Haupttriebfeder bei der Herausbildung des Bewusstseins, vor allem der ArbeiterInnenklasse und die Auswirkungen hiervon auf politische Ereignisse.

 

Vertrauenskrise der Bourgeoisie

 

  1. Auffällig an der aktuellen Weltlage ist, dass sich die Bourgeoisie weltweit einer Vertrauenskrise in noch nie da gewesenen Ausmaßen gegenüber sieht. Besonders ausgeprägt ist dies in den USA und Europa. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung in den USA, Britannien und Australien ist die katastrophale Situation im Irak, zusammen mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte ähnliche demoralisierende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen in diesen und anderen EU-Staaten. Der Vertrauensverlust geschieht bereits vor dem Anfang ernsthafter ökonomischer Probleme in Form einer Rezession oder eines Abschwungs.

  2. Dies ist am Beispiel der wichtigsten kapitalistischen und imperialistischen Macht, nämlich der USA, deutlich geworden. Die neokonservative Clique, die durch die Präsidentschaft von George Bush regiert, ist für den US-Kapitalismus ein einziges Desaster gewesen. Ihre Herrschaft hat einige Parallelen, nur in einem viel größeren Maßstab, mit der Margaret Thatchers in Britannien vor 20 Jahren. Ihr „Erbe“ war eine gespaltene, polarisierte und zunehmend verarmende Gesellschaft, versteckt hinter der Fassade des wirtschaftlichen „Fortschritts“. Dies hat ihren Nachfolgern in der Konservativen Partei Feindseligkeit und eine Serie von Wahlniederlagen eingebracht. Die Präsidentschaft von Bush droht genau dieselben Folgen für die Republikanische Partei zu bringen, aufgrund des katastrophalen, nicht-gewinnbaren Krieges im Irak aber auch wegen der Art und Weise, in der die Wirtschaftspolitik gestaltet wurde.

  3. Die Präsidentschaft von Bush befindet sich nun im „freien Fall“. Sie ist nicht nur im Irak-Debakel verstrickt, sondern zusätzlich auch auf desaströser Weise von den Auswirkungen auf sozialer und auf Klassenebene nach dem Hurrikane Katrina beschädigt. Nun sieht sie sich Korruptionsskandalen gegenüber die möglicherweise bis hoch zu Cheney gehen und in denen bereits führende Republikaner verstrickt sind. Der aktuelle Skandal hat bereits den Kongressabgeordneten Robert Ney getroffen, der als „Bürgermeister von Capitol Hill“ bezeichnet wird, und auch Tom DeLay, der, aufgrund seiner Art, in der republikanischen Kongressfraktion für Disziplin zu sorgen, als „der Hammer“ bekannt ist.

  4. Ein Teil der herrschenden Klasse in den USA versucht nun der Bush-Regierung „die Flügel zu stutzen“. Korruption ist in der kapitalistischen Welt und innerhalb der herrschenden Klassen international allgegenwärtig. Dies ist zum Teil eine Widerspiegelung der veränderten Zusammensetzung der herrschenden Klassen, die international gesehen verstärkte parasitäre Züge haben, aber auch von der Abwesenheit von Massenparteien der ArbeiterInnen, die in der Vergangenheit zum Teil einige „Exzesse“ des Kapitalismus in Schach gehalten haben.

  5. Während die erste Amtszeit von Bush geprägt war von dem Versuch der Neokonservativen, die Macht des US-Imperialismus zum Tragen zu bringen, hat die zweite sehr deutlich die Grenzen dieser Macht aufgezeigt, wie wir auch in den Dokumenten zum letzten Weltkongress prognostiziert haben. Deutlich wurde dies nicht nur im Irak, sondern auch kürzlich in Argentinien auf dem Amerika-Gipfel, als Bushs Versuch, die Pläne für die Freihandelszone FTAA wiederzubeleben, von den „fünf Drachen“ (Argentinien, Venezuela, Brasilien, Paraguay und Uruguay) abgeblockt wurden.

  6. Francis Fukuyama war der Prophet vom „Ende der Geschichte“ nach dem Fall der Berliner Mauer; womit er sagen wollte, dass die liberale bürgerliche Demokratie die letzte Stufe des historischen  Fortschritts der Menschheit sei. Das ist nichts neues. Der grundsätzliche Fehler klassischer Ökonomen – Adam Smith und David Ricardo – war die Betrachtung des Kapitalismus als die natürliche Lebensweise der Menschheit. Für diese großen Klassiker der Ökonomie gibt es mildernde Umstände. Sie lebten zu einer Zeit, als der Kapitalismus „noch nicht voll entwickelt war, bevor der Kapitalismus alt wurde”. (Zitat Trotzki)

  7. Fukuyama führt auch in einer Phase der Krise und des Niedergangs dieses Systems solche Argumente ins Feld. Die USA selber sollten der hellste Stern in dieser Konstellation sein. Allerdings, so sagt er jetzt, „werden auf der Ebene der Eliten sich die Regierungschefs bemühen, aus Eigeninteresse gute Beziehungen zu Washington wiederherzustellen, aber auf der Massenebene hat sich die Wahrnehmung der USA massiv verschoben – große Teile der Welt  denken bei den USA nicht an die Freiheitsstatue sondern an den vermummten Gefangenen in Abu Ghraib.”

  8. Der Irakkrieg hat, wie auch jener in Vietnam, die US-amerikanische Gesellschaft erschüttert, obwohl die Anzahl der getöteten AmerikanerInnen bis jetzt nur ein Dreißigstel von der im Vietnamkrieg erreicht hat. Aber der Irak, wie auch schon Vietnam, fällt mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen zusammen. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass bürgerliche KommentatorInnen sich darüber beschweren, dass „keiner den Willen oder eine Vorstellung hat“ um den ökonomischen Niedergang zu verhindern. Der politisch geschädigte „lahme Ente“ George Bush kann die drohende Katastrophe nicht abwenden. Viel schlimmer, so argumentieren Einige, ist die Tatsache, dass die USA dermaßen unter einem Mangel an bürgerlichen StrategInnen leidet, dass im Fall einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise keiner von der „Statur eines Franklin D Roosevelt“ da ist, der/die in die Bresche springen könnte um „die USA in eine Richtung zu lenken“.

  9. Roosevelt, so lautet die Argumentation, hatte damals mit seinem „New Deal“ den US-Kapitalismus gerettet. Aber wie Trotzki kommentierte bestand das Programm des New Deal größtenteils aus groß angekündigten aber begrenzten „Sozialreformen“ die die seit den 30er Jahren bestehende grundlegende ökonomischen Krise nicht beseitigten. Nur der sich abzeichnende Zweite Weltkrieg und die Entwicklung der Kriegsproduktion begann, die USA aus der schwerwiegendsten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte herauszuziehen. Dieser Weg, ein „Dritter Weltkrieg“ existiert heute für den Kapitalismus nicht. Roosevelt spielte durch seine quasi-keynesianistischen Methoden zwar eine entscheidende Rolle dabei, den Anschein zu geben, als würde sich die USA in eine andere Richtung bewegen. Und politisch konnten seine minimalen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Teil der US-ArbeiterInnenklasse ruhigstellen, in dem ihnen der Glaube an eine „bessere Zukunft“ gegeben wurde.

  10. Heute ist es allerdings anders: so schreibt ein US-amerikanischer Kommentator in der Financial Times: „Würde eine Krise in der Größenordnung jener von 1929-32 heute die USA heimsuchen (es ist interessant, dass dies als Möglichkeit vorgebracht werden kann – I.S.), würde das Land keinen FDR finden, der mit einem New Deal-Programm gegen den Republikaner Herbert Hoover antritt. Sie hätten einen zurückhaltenden, ineffektiven Herbert Hoover von den Demokraten der gegen einen Republikanischen Calvin Coolidge, einen unbeugsamen Verteidiger der schlimmsten Aspekte des aktuellen Systems. Wären das 1932 die Alternativen gewesen, wäre das ganze Fundament des amerikanischen Staates in Gefahr gewesen” (5. Oktober 2005)

  11. Die USA werden aktuell geprägt von einer massiven Führungskrise, einer ernsthaften ökonomischen Krise und auch einem Auftreten von Spannungen entlang von Klassenlinien, was zusammengenommen eine Zukunft voller politischer Erschütterungen für die USA und demzufolge auch für die Welt als ganzes bedeutet.

  12. Die Niederlagen Schwarzeneggers bei den Volksabstimmungen in Kalifornien stellen nur die Spitze des Eisbergs dar was die sozialen und Klassenbewegungen betrifft die in den USA bevorstehen. Die Spaltung des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO ist ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit den konservativen FunktionärInnen der US-Gewerkschaften, auch wenn noch nicht klar ist, wie sich diese Abspaltung entwickeln wird. Es besteht das Potential für ein Zusammentreffen der wachsenden Antikriegsbewegungen mit den Klassenbewegungen und den sozialen Bewegungen bei ökonomischen Themen. Die Angriffe auf die US-ArbeiterInnenklasse die gerade vorbereitet werden, sind beim Autoteilhersteller Delphi bereits sichtbar, die Firma hat einen Antrag auf Insolvenz mit Gläubigerschutz gestellt. Die Firma beschäftigt 56.000 ArbeiterInnen in den USA und 129.000 im Ausland. Es wird eine Absenkung des Lohnes von 27.- auf 9.50 Dollar pro Stunde gefordert, zusätzlich zu Einschnitten bei der Krankenversicherung.

  13. Solche Angriffe werden zu heftigen Kämpfen der US-ArbeiterInnenklasse in der kommenden Periode führen. Das Aufkommen einer wachsenden Klassenbewegung in den USA wird eines der wichtigsten Entwicklungen der kommenden Periode sein, und würde auch international wichtige Auswirkungen haben.

  14. Die Antikriegsstimmung und die Katastrophe im Irak haben bereits dazu geführt, dass einige der Demokraten ihr „Gewissen“ wiederentdeckt haben, so dass sie plötzlich angefangen haben, gegen den Krieg zu sein. Der Demokratische Kongressabgeordnete John Murtha aus Pennsylvania, der interessanterweise selbst 37 Jahre bei den Marines war, hat den sofortigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert. Aufgrund seiner engen Verbindungen zum Militär darf angenommen werden, dass er für ein Teil des Marine Corps spricht. Gleichzeitig unterstützt Hillary Clinton, aussichtsreiche Bewerberin für die Demokratische Nominierung bei der nächsten Präsidentschaftswahl, weiterhin den Krieg, den ihr Mann als einen „großen Fehler“ bezeichnet hat.

  15. Die Tiefe der Krise in den USA wurde auch ausgedrückt durch die beispiellose öffentliche Kritik der aktuellen Regierung durch zwei ehemalige Präsidenten, Bill Clinton und Jimmy Carter, sowie durch Teile der Republikanischen Führung wie Brent Scowcroft. Diese wachsenden sozialen Widersprüche in der Gesellschaft der USA sind dabei, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner in den Augen der Massen zu diskreditieren, während der Boden für eine neue Massenpartei vorbereitet wird.

 

Nahostpolitik der USA

 

  1. Die wachsende Krise im Irak und die wachsende Antikriegsbewegung im eigenen Land hat die Frage eines Rückzugs der US-Streitkräfte aufgeworfen. Die irakische Regierung hat davon gesprochen, dass dies in einem Jahr möglich sein könnte. Ein vollständiger Rückzug wird aufgrund der sich verschärfenden Krise im Irak nicht möglich sein. Allerdings könnte eine „Verkleinerung“ auf ein Besatzungskontingent von ca. 100.000, in wichtigen Stützpunkten und strategischen Gebieten konzentriert, eine Option darstellen. Ohne eine vereinte, alle ethnischen und religiösen Gruppen umfassende ArbeiterInnenbewegung würde ein vollständiger Rückzug einen noch größeren ethnischen und religiösen Konflikt zur Folge haben. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keine Aussicht auf die Etablierung einer stabilen bürgerlichen Demokratie. Wachsende ethnische und religiöse Spannungen könnten zur Aufteilung des Landes in drei „Staaten“ führen – möglicherweise wird das Regime Saddam Husseins durch drei reaktionäre und repressive Regime ersetzt werden, unter der Führung von drei „kleinen Saddams“. Die imperialistischen Kräfte stehen vor einem aus ihrer Sicht unlösbaren Problem. Den Preis dafür zahlen die Menschen im Irak und in der ganzen Region.

  2. Die Krise im Irak macht sehr deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten des US-Imperialismus für weitere direkte Interventionen sind. Der US-Imperialismus strebt offensichtlich noch im Iran und in Syrien Regimewechsel an, ist aber nicht in der Lage zu einem weiteren militärischen Abenteuer. Sogar eine Bombardierung des Iran ist, wenngleich nicht auszuschließen, doch unwahrscheinlich. Die Politik von Bush hat das reaktionäre, theokratische Regime von Ahmadinedschad auf einen noch härteren Kurs gebracht. Allerdings ruft der repressive Charakter seines Regimes Widerstand im Iran hervor und hat sich bereits überdehnt. Wie auch in Syrien setzen die USA ihre Hoffnungen auf eine Art Neuauflage der „Orangenen Revolution“ um diese Regime zugunsten US-freundlichere Regierungen zu stürzen.

  3. Gleichzeitig haben Ereignisse in Israel und Palästina eine neue Phase in der Krise eingeleitet. Die Wahl von Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei widerspiegelt, in verzerrter Weise, die massive Klassenpolarisierung und die soziale Spaltung die sich in der israelischen Gesellschaft entwickelt hat. Diese sehr bedeutende Entwicklung wurde teilweise überlagert durch Sharons Abspaltung vom Likud und der Gründung seiner neuen Partei. Dahinter steckt das Absterben des Osloer Friedensprozesses, das Ende der zweiten Intifada und die Akzeptanz der von den USA vorgelegten „Road Map“ durch einen Teil der israelischen herrschenden Klasse und aktuell auch durch Sharon selbst.

  4. Das alles bedeutet, dass Israel die eigenen Grenzen neu ziehen wird, entlang der neu errichteten „Sicherheitsmauer“ um „verteidigungsfähiger“ zu sein. Das beinhaltet auch einige Gebietsabtretungen. Es wird allerdings keine Rückkehr zu den Grenzen von vor 1967 sein. Die feige palästinensische herrschende Klasse hat, durch die Palästinenserbehörde, diese Entwicklungen begrüßt. Allerdings stellen sie, trotz des Abzugs aus Gaza, keinen Sieg für die palästinensischen Massen dar und werden den nationalen Konflikt in dieser entscheidend wichtigen Region nicht lösen.

  5. Die Krise in der ganzen Region könnte durch den andauernden Alpraum des Irakkonflikts und durch die explosiven Situationen die sich im Iran, Saudi Arabien und anderen Ländern zusammenbrauen weiter verkomplizieren. Diese Entwicklungen unterstreichen was für ein Desaster die US-Außenpolitik und die herrschenden Klassen der Region für die Menschen im Nahen Osten gebracht haben. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Klassenkonflikten richten, die sich in der Region entwickeln und die die Basis für eine neue Phase schaffen werden, in der sozialistische und revolutionäre Ideen wachsen werden. Die kürzlich erfolgten Streiks in Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait waren Vorboten hiervon.

 

Europa

 

  1. Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte verheerende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen Europas. Sie wurden dadurch demoralisiert und ihr politisches Selbstvertrauen wurde untergraben. Der Prozess der europäischen Integration ist ins Stocken geraten. Gleichzeitig sind verstärkt Spannungen und Konflikte zwischen den EU-Staaten aufgetreten. Ein Ausdruck hiervon sind die Konflikte zwischen Britannien und Frankreich über die gemeinsame Agrarpolitik sowie zwischen Britannien und den anderen EU-Staaten über den „Britenrabatt“.

  2. Allgemein gesehen stagnieren die Wirtschaften Europas, außerdem hat es einen leichten Inflationsanstieg gegeben. Die Inflationsangst hat zunächst zu einer Debatte über eine mögliche Anhebung der Zinssätze durch die EZB (Europäische Zentralbank) geführt. Sie haben diese Pläne zunächst fallen gelassen, um dann im Dezember doch die Erhöhung durchzuführen. Diese Politik wird die ökonomische Stagnation Europas nur verschärfen.

  3. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa haben nicht mit den westeuropäischen Ländern gleichgezogen. Wirtschaftswachstum hat es, wenn überhaupt, nur durch die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte gegeben. Es findet eine massive soziale Polarisierung statt. Ein Merkmal all dieser Länder ist die mangelnde Stabilität in den Regierungen. Die sozialen Spannungen die sich in Polen entwickelt haben bringen die Möglichkeit sozialer Umbrüche mit sich. Die Erweiterung der EU hat mehr Instabilität und mehr Spannungen innerhalb der Union zur Folge gehabt.

  4. Die sich entwickelnde Krise in Europa findet aktuell besonders in Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal Ausdruck. Entwicklungen in diesen Ländern und die aktuelle Streikbewegung in Belgien deuten an wie einige Elemente dieser Prozesse sich in der nächsten Periode in Europa entfalten werden 

  5. Die Bundestagswahlen und die Niederlage für Schröder, wenn auch noch nicht für sein ganzes neoliberales Programm, stellten einen Rückschlag für die Pläne der herrschenden Klasse dar. Die Entstehung der WASG war ein entscheidender Faktor in diesem Prozess. Die aus den Wahlen hervorgegangene CDU/SPD Koalition ist schwach und wird durch Spaltungen und Unentschlossenheit paralysiert werden. Des Weiteren wird es die Möglichkeit dafür schaffen, das eine noch stärkere Kraft auf dem Prozess der Formierung einer neuen linken Kraft aus der WASG, der Linkspartei.PDS und anderen Kräften und AktivistInnen hervorgeht. Dies könnte von betrieblichen Aktionen gegen Betriebsverlagerungen, Lohnkürzungen und die Zunehmenden Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse durch die Große Koalition begleitet werden.

  6. Es gibt sogar eine vage Wahrnehmung seitens einiger bürgerlicher KommentatorInnen dass die neoliberale Offensive in Deutschland, zu diesem Zeitpunkt, in der von ihnen beabsichtigten und erhofften Form nicht durchgeführt werden kann. Vor den Wahlen hoffte die Bourgeoisie auf eine CDU-geführte Regierung um weiter zu gehen als Schröder, dessen neoliberale Maßnahmen in seiner Partei und in den Gewerkschaften auf Widerstand gestoßen waren. Sie erwarteten einen klaren Sieg für eine CDU-geführte Regierung, die dann auf Konfrontationskurs mit der ArbeiterInnenklasse gehen würde. Das Wahlergebnis war eine Niederlage für diese Perspektive.

  7. Die Schwäche der Regierung und das Potential für eine baldige Krise fanden auch bei der Wahl Merkels zur Kanzlerin Ausdruck: 51 Abgeordnete der Regierungskoalition stimmen gegen sie! Selbst innerhalb der CDU sieht sich Widerspruch gegenüber, einige wichtige Ministerpräsidenten haben es abgelehnt, in ihrem Kabinett mitzuarbeiten.

  8. Im Wahlkampf versprach Merkel die Einkommenssteuer zu senken und die Mehrwertssteuer zu erhöhen. Eine ihrer ersten Ankündigungen nach der Amtsübernahme war die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, als Versuch, das Defizit von 35 Milliarden Euro zu reduzieren. Der deutsche Imperialismus hat den „Erfolg der Einheit“ teuer bezahlen müssen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Ostdeutschland hat seit 1991 1.300 Milliarden Euro an Subventionen erhalten, gleichzeitig beträgt die Arbeitslosenquote immer noch 18,4%. Diese Steuererhöhungen werden nicht das Wachstum fördern, die Konsumausgaben in Deutschland sind niedrig. Vielmehr werden die Tendenzen hin zu einer Rezession verstärkt werden.

  9. Die Schröder-Regierung hat, durch die Gewerkschaftsführungen, eine verbreitete und generalisierte betriebliche Bewegung gegen die Agenda 2010 verhindert. Es wird dieser schwachen Koalition der Verlierer (weil alle an der neuen Regierung beteiligten Parteien bei den Wahlen Stimmen verloren haben) wesentlich schwerer fallen, die ArbeiterInnenklasse in Schach zu halten. Bereits jetzt gibt es Wut aufgrund der Angriffe gegen BeamtInnen, und es hat auch einige lokalen Streiks defensiver Art gegangen. Diese weisen darauf hin dass die Machtübernahme dieser Koalition eine neue Phase in der Krise in Deutschland einleiten wird, in der es zu einer verallgemeinerten Bewegung gegen die neoliberalen Maßnahmen der Regierung kommen könnte.

  10. Die neoliberalen Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse haben in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Belgien und Portugal eine unruhige Phase eingeläutet. Auf dem ganzen Kontinent brodelt es. Der erste Instinkt der Bourgeoisie angesichts sozialer Unruhen ist, dem Druck nachzugeben. Einige bürgerlichen StrategInnen haben im Fall Deutschlands argumentiert, dass die Art von frontalen Angriffen, die von Schröder gestartet und von Merkel versprochen wurden, zu sozialen Unruhen führen könnten, und mahnen deswegen zur Vorsicht. Daher wird eher „von unten“, also in einem Industriezweig und einem Betrieb nach dem anderen, angegriffen, anstatt zu diesem Zeitpunkt eine volle Offensive auf nationaler Ebene zu starten. Es findet ein konzentrierter Versuch statt, das System von Tarifverträgen zu brechen.

  11. In Frankreich reagierte de Villepin auf den erfolgreichen Generalstreik im Oktober in dem er sagte, er würde “zuhören“. Das alles bedeutet nicht, dass sich die Bourgeoisie leicht von ihrer neoliberalen Politik abbringen lassen wird, aber Widerstand der Massen kann einen vorübergehenden Rückzug erzwingen, wie es vor allem im Kampf um die Renten in Britannien, aber auch anderswo, deutlich geworden ist.

  12. Des Weiteren ist es möglich, dass, wenn es zu einer Implosion der Weltwirtschaft kommt, die Auswirkungen so gravierend sein könnten, dass die Bourgeoisie zumindest vorübergehend diese Pläne auf Eis legt, zugunsten verstärkter Staatsinterventionen und außerdem auch um den Preis wachsender  Inflationsraten auf höhere Staatsausgaben setzt. Eine Phase, in der dies zum dominanten Trend innerhalb der herrschenden Klassen wird, ist zu einem zukünftigen Zeitpunkt unvermeidbar. Aber wie bereits angedeutet ist der Spielraum für klassische keynesianistische Methoden eingeengt, sie können nur zum Preis steigender Inflation eingeführt werden.

  13. Der Ausbruch massiver Krawallen in Frankreich war eine Reaktion auf die neoliberale Politik von Chirac und deVillepin sowie die katastrophalen sozialen Bedingungen in den Ghettos, die es am Rande der meisten französischen Städte gibt. Sie widerspiegeln die tiefen sozialen Gegensätze und Klassengegensätze und auch den aggressiven Rassismus des französischen Staates. Diese sozialen Unruhen waren keine „rassischen oder ethnischen“ Bewegung wie es die französischen Rechten behauptet haben. Sie waren eine Explosion der Wut der ärmsten und am stärksten unterdrückten Schichten der Gesellschaft – darunter auch eine Schicht von armen Weißen.

  14. Es war eine rudimentäre Bewegung derjenigen, die keinen politischen Ausdruck für ihre Wut haben. Für einen solchen Wutausbruch ist der französische Kapitalismus verantwortlich, ebenso wie die herrschende Klasse und die Sozialistischen und Kommunistischen Parteien die die ArbeiterInnenklasse und die Jugend de facto verlassen haben. Es ist auch ein Armutszeugnis für LCR und LO, die es – jeweils aus opportunistischen bzw. aus sektiererischen Motiven heraus – versäumt haben, eine politische Alternative aufzubauen die die Wut und die Empörung, der an den Unruhen beteiligten Jugendlichen, kanalisieren könnte.

  15. Die französische Regierung hat dennoch diese Ereignisse als Rassenunruhen dargestellt und versucht, sie zu nutzen um rassistische Stimmungen zu schüren. Sie hat mit brutaler Repression reagiert, unter anderem mit dem Verhängen des Ausnahmezustandes (zum ersten Mal seit 1961 für einen längeren Zeitraum) und mit Ausgangssperren. Diese wurden selektiv in 30 Bezirken verhängt. Im Zusammenhang damit wurden CRS (Bereitschaftspolizei), Polizisten auf der Straße, Hubschrauber und Ausgangssperren eingesetzt. Es gab über 3.000 Festnahmen, unter anderem auch von Eltern von Jugendlichen, die an den Unruhen beteiligt waren.

  16. Der Griff zu solchen Mitteln ist ein Ausdruck der halb-bonapartistischen Charakterzüge des französischen Staatsapparates. Gleichzeitig werden repressive und anti-demokratische Maßnahmen auch durch andere Staaten ergriffen, etwa in Britannien, in den USA, Australien und in anderen Ländern.

  17. Bis jetzt haben Britannien, Irland und Schweden eine de facto „Politik der offenen Tür“ in Sachen Einwanderung betrieben. Dies geschah mit dem Ziel, Arbeitskräfte aus anderen Ländern zu holen um sie als billige Konkurrenz zur Senkung der Löhne einzusetzen. Die erbitterten Kämpfe der Besatzungen von Fähren auf Korsika und in Irland zeigen die Wichtigkeit die diese Frage in der kommenden Zeitperiode haben wird.

  18. In der gesamten EU wird sich die Praxis des Missbrauchs migrantischer Arbeitskräfte, um Löhne und Arbeitsbedingungen zu drücken, noch weiter ausbreiten. Die dramatischen Auswirkungen dieser Veränderungen könnten bedeuten, dass Einwanderung und Rassismus zentrale Themen werden. Es ist möglich dass sich die Ängste der ArbeiterInnen in den betroffenen Ländern verstärkt werden, und von rechtsextremen Kräften benutzt werden könnten, um rassistische Stimmungen und Ressentiments zu schüren..

  19. In einigen Ländern hat die extreme Rechte Wahlniederlagen erlitten, zum Beispiel in Österreich. Es war bedeutsam dass bei der Bundestagswahl das Bündnis aus WASG und PDS einen Wahlerfolg der extremen Rechten verhinderte. Dies bedeutet aber nicht dass die Gefahr gebannt ist. Wahlerfolge rechtsextremer Kräfte könnten wieder drohen, vor allem vor dem Hintergrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, indem sie auf die Ängste der ArbeiterInnen anspielen und rassistische Stimmungen und Gefühle zu schüren, besonders da, wo es keine starke linke oder sozialistische Alternative gibt.

  20. Wir müssen darauf vorbereitet sein, die Frage des Rassismus aufzugreifen und, insbesondere in den Ländern für die es relevant ist, es zu einem zentralen Bestandteil unserer Jugendarbeit zu machen. Es wird notwendig sein, in unseren Kampagnen vor allem zwei Themen in den Vordergrund zu stellen, um den Rassismus zu bekämpfen. Auf der einen Seite die Arbeit innerhalb der ArbeiterInnenbewegung um migrantische ArbeiterInnen für die Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen zu gewinnen und um für sie die üblichen Löhne und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Anderseits wird auch eine Kampagne gegen Rassismus, reaktionären Nationalismus und ethnische Vorurteile notwendig sein.

  21. Das Wesen des Wutausbruchs in Frankreich erlaubte es der Regierung zunächst, verstärkte Unterstützung für ihre repressiven Maßnahmen zu erhalten. Es ist allerdings nicht Chirac der davon profitiert hat sondern de Villepin und Sarkozy. Obwohl ArbeiterInnen und Jugendliche verstehen, dass die Ursachen der Krawallen in den sozialen Bedingungen und dem Rassismus des Staates liegen, unterstützen laut einer CSA-Umfrage 68% die Verlängerung des Ausnahmezustandes. In der selben Umfrage waren sogar 75% der WählerInnen von LCR und LO für den Ausnahmezustand.

  22. Solche Stimmungen sind aber eine temporäre Reaktion auf die Krise und sie können sich rapide verändern, vor allem in Frankreich, während die Regierung versucht, weiter ihre neoliberale Politik zu betreiben. Die PSF hat in der aktuellen Krise einen Schwenk nach „links“ gemacht. Sie ist aber nach wie vor eine bürgerliche Partei und stellt keine Alternative für die ArbeiterInnenklasse dar. 69% glauben dass die PSF die nächsten Wahlen nicht gewinnen kann, ein ähnlicher Prozentsatz meint, dass die PSF die selbe Art von Politik wie die aktuelle Regierung betreiben würde, wenn sie jetzt an der Regierung wäre. Die Erfahrungen mit der letzten „sozialistischen“ Regierung sind immer noch im Bewusstsein der Massen präsent..  

  23. Diese Erfahrungen in Deutschland und Frankreich sind für die sich entfaltende Lage in Europa von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig sind andere Länder in eine Phase der Krise und der sozialen Zerwürfnisse eingetreten. Italien ist der kranke Mann Europas sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Regierung Berlusconis ist in einer Krise nach der anderen verstrickt und hat nun versucht sich dadurch zu retten, dass sie einfach das Wahlsystem für die im April stattfindenden Parlamentswahlen so verändert, dass sie ihre Chancen auf den Verbleib im Amt verbessert.

  24. Trotz dieser Änderungen zeigen die Umfragen dass es eine starke Wahrscheinlichkeit gibt, dass das oppositionelle Mitte-Links Bündnis „Union“ diese Wahlen gewinnen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Einige in der Führung der PRC die verzweifelte anti-Berlusconi Stimmung als Vorwand benutzen werden, um über eine Unterstützung des Mitte-Links Bündnisses hinaus zu gehen und eventuell einer Mitte-Links Regierung beizutreten. Wenn sie das machen, dann werden wir dagegen opponieren müssen. Eine solche Entwicklung würde zu einem gewissen Zeitpunkt eine neue Krise in der PRC heraufbeschwören, wenn eine neue Mitte-Links Regierung mit der ArbeiterInnenklasse und der Jugend in Konflikt gerät..

  25. Portugal steht, angesichts einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation, mit Sicherheit an der Schwelle einer sozialen Explosion. Zusammen mit der Streikwelle in Belgien und der sich entwickelnden Opposition gegen die Regierung Blair in Britannien weisen diese Ereignisse auf eine explosivere und günstigere Situation die sich in Europa entwickelt hin, in der wir unsere Sektionen aufbauen und stärken können.

 

Schlussfolgerungen und Aufgaben

 

  1. In Europa und international ist es klar, das eine neue und günstigere Phase zunehmender Schwierigkeiten für den Kapitalismus und wachsender Stimmung für Widerstand durch die ArbeiterInnenklasse nun begonnen hat. Die nächste Periode wird unvermeidlich auch viele widersprüchliche Merkmale haben, die zur Folge haben, dass die ArbeiterInnenklasse durch Kämpfe, Organisation und politisches Bewusstsein Fortschritte macht, während es gleichzeitig andere Komplikation und Rückschläge gibt. Allerdings bieten sich neue und größere Möglichkeiten die unseren Sektionen Gelegenheiten geben werden wichtige Fortschritte zu machen, unseren Einfluss zu stärken und die Mitgliedschaft vieler unserer Sektionen zu stärken.

  2. Es wird nötig sein, dass unsere Sektionen unsere Interventionen schärfen und kühne Initiativen ergreifen. Wir werden in der Lage sein, in den sich entwickelnden Klassenkämpfen eine wichtige Rolle zu spielen, wenn wir auf korrekter Weise intervenieren. Dies ist deutlich geworden an dem Beispiel der großartigen Intervention von Joe Higgins und den GenossInnen in Irland beim Arbeitskampf der Beschäftigten von Irish Ferries. Es ist besonders wichtig dass wir bei solchen Interventionen nicht nur unser allgemeines Programm und unsere Methoden erklären. Wir werden in der Lage sein, einen großen Einfluss in Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zu haben wenn wir richtige und spezifische Vorschläge machen, wie die stattfindenden Kämpfe organisiert und geführt werden können. Wenn wir in betrieblichen und sonstigen Bewegungen intervenieren, müssen wir gewährleisten dass unsere Taktik und unsere Forderungen auf allen Ebenen der Sektionen vollständig diskutiert und bilanziert werden.

  3. Die nächste Periode wird uns viel bessere Möglichkeiten bieten, unsere Sektionen aufzubauen, als es irgendwann in Laufe des letzten Jahrzehnts der Fall war. Wir müssen uns auf schnelle Veränderungen und Sprünge im politischen Bewusstsein gefasst machen und bereits sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen um zu intervenieren, wenn solche Veränderungen stattfinden.

  4. Das CWI hat keine allgemeingültige Taktik die in jedem Land angewendet wird ohne die spezifischen vorherrschenden Bedingungen zu berücksichtigen. Allerdings drängt sich in vielen Ländern die Frage des Bedürfnisses nach neuen ArbeiterInnenparteien als zentrale Frage auf. Es ist von entscheidender Wichtigkeit dass unsere Sektionen die Taktiken, die wir anwenden müssen, um mit dieser wichtigen Frage umzugehen, immer wieder überprüfen und bilanzieren.

  5. Die Wenden hin zur WASG in Deutschland und zur P-SOL in Brasilien haben bereits wichtige Gewinne für die jeweiligen Sektionen gebracht. Die Initiativen die wir in Britannien und Belgien gestartet haben um große Kampagnen zum Aufbau neuer ArbeiterInnenparteien anzustoßen, zeigen die Art von Initiativen, die wir ergreifen müssen, wenn es nötig ist.

  6. Vor allem ist es wichtig, dass alle Sektionen besondere Aufmerksamkeit der Gewinnung und Ausbildung einer neuen Generation von GenossInnen widmen. Die Intensivierung der Jugendarbeit muss eine der Hauptprioritäten unserer Sektionen sein. Wir müssen besondere Maßnahmen ergreifen um die neue Generation von Mitgliedern politisch zu integrieren und zu entwickeln. Dies muss die wichtigste Priorität in der Arbeit aller Sektionen und Mitglieder in der nächsten Periode sein.

  7. Die nächste Periode wird und wesentlich bessere Gelegenheiten geben um unsere Sektionen zu stärken und um die Bekanntheit des CWI zu steigern.

 

Dieser Text wurde bei der Sitzung des Internationalen Exekutivekomitees des CWI im Dezember 2005 diskutiert und beschlossen.

  1. Selten in der Geschichte des Kapitalismus waren die Perspektiven für einzelne Länder oder sogar ganze Kontinente in einem so starken Maße von internationalen Ereignissen und Prozessen beeinflusst oder gar bestimmt. Diese aktuelle Phase der kapitalistischen Globalisierung hat einige Ähnlichkeiten – obwohl gleichzeitig Unterschiede bestehen – zu der „Globalisierung“ (obwohl der Begriff damals noch nicht bekannt war) des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, dessen katastrophale Folge der Erste Weltkrieg war. Kennzeichnend für diese Periode war der Export von Kapital in die „Kolonien“, die zu geschützten Märkten und Quellen für billige Rohstoffe wurden. Dies führte zu ständigen Positionskämpfen und Konflikten zwischen verschiedenen imperialistischen Mächten. Dieser Kampf konnte letztendlich nur durch einen Krieg entschieden werden.

  2. Es sind natürlich in der aktuellen Situation einige Merkmale der damaligen Periode zu finden: ein erbitterter Kampf imperialistischer Mächte um Ressourcen, vor allem um Öl, ein wirtschaftlicher Wettstreit um Vorteile und Vorherrschaft, begleitet von militärischen Konflikten und Interventionen, wie dem Irak-Krieg. Dies manifestiert sich am deutlichsten in dem sich entwickelnden Konflikt zwischen den USA und China, der die globalen Entwicklungen in der nächste Zeit dominieren wird. Auch wenn die Gefahr eines größeren inter-imperialistischen Konfliktes bewaffneter Art auf kurze bis mittlere Sicht nicht besteht, so besteht nach wie vor eine reale Gefahr großer Handelskriege zwischen den imperialistischen Blöcken.

  3. Diese Phase der kapitalistischen Globalisierung unterscheidet sich in einigen Aspekten von der Periode vor dem Ersten Weltkrieg. Damals wurde Kapital in die kolonialen Besitztümern exportiert, als Mittel dazu, billige Rohstoffe zu fördern und im Gegenzug dafür teurere Fertigprodukte zurück zu verkaufen, und auf diesem Wege, in den Worten von Marx „mehr Arbeitskraft für weniger Arbeitskraft“ zu erhalten. Diese ungleichen Handelsbeziehungen bestehen noch heute und haben sich sogar aus Sicht der neo-kolonialen Welt verschlechtert. In den letzten paar Jahrzehnten haben sich ausländische Direktinvestitionen (ADI) in der „Triade“ Europa – USA – Japan konzentriert.

  4. Dies wurde zum Teil abgeschwächt durch den kolossalen Kapitalexport zum einen nach China – das als ADI-Empfänger fast mit den USA gleichgezogen hat, und zu einem gewissen Teil auch nach Osteuropa und in die ehemalige Sowjetunion, im Zuge des Versuches des Kapitalismus, sein produktives Potenzial zu verlagern um die Rohstoffe und billigen aber qualifizierten Arbeitskräfte auszubeuten, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus zur Verfügung stehen.

  5. Zwischen 1990 und 2003 stieg das ADI-Volumen rasant an, der Anteil von ADI am Welt-BSP wuchs von 9% auf 23%. Dies hat, zusammen mit anderen Faktoren, z.B. die so genannte Informations- und Kommunikationsrevolution, haben zu einer kolossalen Integration der Weltwirtschaft geführt. Dies wiederum bedeutet, wie von Marx vorhergesagt, dass Ereignisse auf nationaler Ebene in zunehmendem Maße durch Abläufe auf globaler Ebene mitbestimmt werden.

  6. Die neokoloniale Welt ist in dieses System integriert, bleibt aber dennoch in erster Linie eine Quelle billiger Primärprodukte. Der Aufstieg Chinas könnte jedoch die Dominanz der Triade und vor allem der USA, sowohl wirtschaftlich als auch militärisch, bedrohen. Dies setzt voraus dass China weiterhin ununterbrochen so wächst wie bisher, was keineswegs sicher ist. Es besteht die Gefahr einer weltweiten Rezession oder eines Abschwunges, mit tief greifenden Auswirkungen in China. Ebenfalls zu bedenken ist der unvermeidliche Widerstand der chinesischen ArbeiterInnenklasse gegen die unmenschlichen Bedingungen in den Fabriken, gegen niedrige Löhne, Umweltverschmutzung usw. Ansteigende Löhne als Folge von Massenkämpfen könnten eine Verlagerung von Kapital aus China heraus in andere Niedriglohnländer und –regionen zur Folge haben, mit entsprechenden Auswirkungen auf das Wachstum.

  7. Zur Zeit hängt die US- und damit die Weltwirtschaft an China und in gewissem Maße auch am asiatischen Kapitalismus als Ganzes. Zwischen diesen drei „Partnern“ existiert ein erstaunlicher faustischer Pakt. Die USA haben zur Zeit das größte Leistungsbilanzdefizit aller Zeiten, der IWF (Internationale Währungsfonds) schätzt, dass es für das Jahr 2005 760 Milliarden Dollar oder 6.1% des BSP der USA betragen wird, obwohl neuere Schätzungen von einer geringfügig niedrigeren Zahl von 706 Milliarden Dollar ausgehen.

  8. Das globale Wachstum ist aktuell in erster Linie auf China und den USA konzentriert, während Asien, Deutschland und Öl-exportierende Länder Handelsüberschüsse in Rekordhöhe haben. Die Financial Times kommentiert: „Es ist eine bizarre Welt, in dem die relative armen Länder der Welt den reichen KonsumentInnen in den USA riesige Geldsummen zu extrem niedrigen Zinsraten leihen”. Peter Dixon von der Commerzbank sagte: „Die USA haben riesigen Ungleichgewichte, sowohl nach außen, in Sachen Leistungsbilanzdefizit, als auch nach innen – hohe Verschuldungsraten und eine niedrige Sparquote. Solche Ungleichgewichte kann man nicht auf unbestimmte Zeit aufrechterhalten. Ausländische Investoren besitzen US-Wertpapiere im Wert von 12 Milliarden Dollar, de facto Schuldscheine die vom US-Steuerzahler ausgestellt werden.”

  9. Das Ergebnis von all dem ist das, was kapitalistische ÖkonomInnen untragbare „Ungleichgewichte“ nennen. Dies bedeutet dass die Fremdwährungsreserven asiatischer Wirtschaften, allen voran China, von 36% auf 60% des weltweiten Gesamtvolumens (die Reserven der USA nicht mitgerechnet) gewachsen sind. Chinas Reserven sind explosionsartig gewachsen und stellen nun zwei Drittel aller Reserven in ganz Asien dar. Diese Reserven bestehen zum allergrößten Teil aus US-Dollar-Beständen
    die von den meisten asiatischen Zentralbanken auf Kosten von Investitionen in die einheimischen asiatischen Industrien angehäuft wurden. Asien, unter der Führung Chinas, fungiert als Zahlmeister der US-Wirtschaft und stopft die riesigen Lücken die von den US-Defiziten gerissen wurden. Gleichzeitig floriert der Markt für Regierungsschulden, also der Kauf von Wertpapieren der US-Regierung, da die Kapitalisten angesichts von Rekordprofiten lieber dort ihr Geld anlagen als in Investitionen im produktiven Bereich.

  10. All dies hat eine Steigerung der Konsumausgaben und einen Rückgang der Sparquote verursacht, was wiederum zu einem „im steigenden Maße nicht haltbaren Immobilienboom in den USA“ (Financial Times) geführt hat. Sowohl wir als auch die ernsthafteren unter den kapitalistischen KommentatorInnen haben darauf hingewiesen, dass dieses finanzielle Kartenhaus jederzeit einstürzen könnte: „Die Ungleichgewichten nähern sich der ‚Schmerzgrenze’.” (Ebd.). Charles Dumas von Lombard Street Research warnte: „Die ganze Wirtschaft läuft gerade auf der Basis von Kapitalgewinnen… wenn die Immobilienpreise aufhören zu steigen, dann bekommt die US-Wirtschaft Probleme.” Der Wechselkurs des Dollars könnte jederzeit einbrechen, und den asiatischen Zentralbanken riesige Verluste aus ihren Dollarbeständen bescheren. Aus diesem Grund könnten sie sich dazu entschließen, sich vom Dollar zugunsten anderer Seiten zurückzuziehen, was wiederum einen solchen Einbruch des Dollarkurses erst auslösen könnte.

Aufschwung – aber wie lange?

  1. Wie lange kann der Aufschwung anhalten? Diese Frage beschäftigt nicht nur uns und die ArbeiterInnenbewegung sondern auch die WahrsagerInnen des Kapitalismus. Es hat nur deswegen so lange angehalten weil der Weltkapitalismus, allen voran die USA, eine Ausgabenorgie veranstaltet haben, angeheizt durch „quasi-keynesianistische“ Maßnahmen für die Reichen z.B. massive Steuersenkungen für die Reichsten. Die Zinssätze befinden sich auf einem Rekordtiefststand, was von einigen bürgerlichen ÖkonomInnen spöttisch „kostenloses Geld“ genannt wird, es bestehen massive und nicht tragbare Defizite. Ein Absturz ist sicher, aber das „wie“, das „wann“ und das Ausmaß noch unklar sind. Aber die grundlegende Schwächlichkeit der Weltwirtschaft ist so ausgeprägt, dass sie bereits in den kommenden Monaten ins Schleudern geraten könnte.

  2. Andererseits ist auch eine weitere Überdehung möglich, was den gegenwärtigen Wirtschaftszyklus noch für ein oder mehr Jahre verlängern könnte. Aber, wie das Institut für Internationale Wirtschaft in Washington vorhergesagt hat, die Defizite werden weiter anwachsen bis die Märkte anfangen nervös zu werden, die Rentenerträge steigen, und ab dem Punkt fangen Regierungen an, nervös zu werden. „Größere Anpassungen sind schmerzhafter. Leute ignorieren das lieber und handeln auf der Basis von Wunschdenken“. (Financial Times). Deswegen könnte diese aktuelle Phase ein jähes Ende finden, was das stagnierende Europa in einen noch tieferen wirtschaftlichen und politischen Abwärtssog ziehen könnte. Und gleichzeitig die ohnehin schon schwere Krise des Bush Regimes verschärfen, und sogar Chinas scheinbar unaufhaltsamen Turbowachstum aufhalten könnte.

  3. Auf mittlere und lange Sicht sind die ökonomischen Perspektiven für China und die Auswirkungen davon auf den Weltkapitalismus von zentraler Bedeutung. China hat bereits eine Rolle dabei gespielt, den aktuellen Aufschwung über seine eigentlichen Grenzen hinaus aufrecht zu halten, im Zusammenhang mit der „Super-Liquidität“ in der Weltwirtschaft. Kann es eine stabilere Grundlage für ein weiteres, dauerhafteres Wachstum des Weltkapitalismus schaffen? Die bürgerlichen ÖkonomInnen hoffen mit aller Kraft, dass es das kann. Sie behaupten, dass der Zusammenbruch der „geplanten Wirtschaften“ in Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion (womit sie den Stalinismus meinen) sowie die Entwicklung hin zum Kapitalismus in China die Anzahl der Arbeitskräfte weltweit verdoppelt hat, gleichzeitig sei der Kapitalbestand gleich geblieben.

  4. Die scheinbar endlos zur Verfügung stehenden billigen Arbeitskräfte können, so die Hoffnung, eine „Wiedergeburt“ ihres Systems herbeiführen. Diese Hoffnung ist problematisch, um es vorsichtig auszudrücken. Während Investitionen in China und Osteuropa dem Kapitalismus einen gewissen Schub gegeben haben und auch weiterhin geben werden, wurde dadurch in erster Linie die „Angebotsseite“, also die Produktivkräfte, gesteigert. Dies geschieht allerdings vor dem Hintergrund steigender Überkapazitäten, vor allem in den Industrien, etwa in der Automobilindustrie. Des weiteren ist die Marktnachfrage, vor allem in China sowie in Osteuropa und Russland, bis auf einige städtische Zentren, aufgrund des niedrigen Lebensstandards und der Verarmung der Massen begrenzt.

  5. Aber selbst wenn es dem Kapitalismus trotz allem gelingt, durch die ökonomische Ausbeutung Chinas und Osteuropas die eigene Lebensspanne zu verlängern, wäre keineswegs alles geklärt. Zunächst wären noch die ökologischen Kosten in dieser Zeit der globalen Erwärmung zu nennen; ebenso die ansteigenden CO2-Emissionen, das Abschmelzen des Eises an den Polen usw. Auf kapitalistischer Grundlage kann die Welt die aktuellen Wachstumsraten alleine Chinas und Indiens nicht verkraften. China mag gerade der Schauplatz eines ökonomischen Feuerwerks sein, aber es ist ebenfalls, zusammen mit den USA, eines der größten Verursacher von Umweltverschmutzung. Die ganze Welt, nicht nur China, kann sich ein Wiedererstarken des Kapitalismus, das die Welt noch weiter in den Abgrund der irreversiblen Umweltzerstörung reißen würde, nicht leisten. Des weiteren hat der globale Kapitalismus zu diesem Zeitpunkt keine andere Alternative als den Neoliberalismus, ohne den es keine kapitalistische Globalisierung (Deregulierung, offene Grenzen für Kapital) als solches geben würde, weltweit durchzusetzen.

  6. Dies hat bereits, und wird auch in Zukunft, erbitterten Widerstand und auch revolutionäre Ausbrüche seitens der ArbeiterInnenklasse und der verarmten Massen hervorgerufen. Selbst in der Phase, in dem der Kapitalismus „relativ fortschrittlich“ war, im 19. und frühen 20. Jahrhundert, gab es die Tendenz, wie Marx deutlich machte, den Anteil der ArbeiterInnenklasse zu senken um die Profite der Unternehmen zu steigern. Dies führte zu Aufständen niedrig bezahlter und gering qualifizierter ArbeiterInnen in Britannien Ende des 19. Jahrhunderts und trug auch zur Entwicklung der Russischen Revolution von 1905 bei, ebenso wie zum Aufstieg der ArbeiterInnenbewegung in den USA und Europa.

  7. Allerdings wurde heute, anders als in der Phase der kapitalistischen Entwicklung vor 1914, dieser Widerstand geschwächt durch das Fehlen des subjektiven Faktors, einer Massenpartei der ArbeiterInnenklasse, die als Anziehungspool fungieren kann. Die Fähigkeit der herrschenden Klasse, den Widerstand der ArbeiterInnen zu schwächen, wurde durch die ideologische Offensive und die Durchsetzung des Neoliberalismus begünstigt. Dennoch hat der Widerstand der Massen, wenn auch nur Zeitweise, einige der herrschenden Klassen Europas in ihren Absichten aufgehalten.

China

  1. Die Probleme, denen sich der Weltkapitalismus aktuell gegenüber sieht, sind von monumentalen Ausmaßen, sie summieren sich und sind auf lange Sicht unlösbar. Die Folgen des Aufstieges Chinas und der Auswirkungen davon auf den restlichen Weltkapitalismus sind wichtige Fragen für Europa genau wie für die restliche Welt. Die vollen Auswirkungen hiervon haben sich noch nicht entfaltet. China ist nun die Produktionszentrale der Welt, jede Woche hören wir, wie Jobs aus den entwickelten Industrieländern nach China und Osteuropa verlagert werden. Dieser Prozess scheint unnachgiebig und unaufhaltsam zu sein. China, und in etwas geringerem Maße Indien (im Falle Indiens vor allem durch den Ausbau der Informationstechnologie), haben sich zu Zentren der niedrigqualifizierten und niedrigbezahlten Produktion entwickelt. China verarbeitet Importe aus Asien und exportiert diese dann wieder.

  2. Nun findet allerdings eine Konzentration auf innovative Hightech-Produktion auf dem einheimischen Markt statt. Während ein großer Teil der ausländischen Direktinvestitionen aus den USA stammt, hat der asiatische Kapitalismus einen Grossteil seiner Industrien nach China verlegt. So hat etwa Taiwan fast sämtliche Produktionsstandorte aufs Festland verlagert. Japan hat ähnliches gemacht. Dies hat zu der Situation geführt, die ein jüngst veröffentlichter Bericht der EU hervorgehoben hat: „China entwickelt sich zum wettbewerbsstärksten Produktionsstandort den es jemals gegeben hat.” Fast 20% der chinesischen Exporte sind dem Hightech-Bereich zuzuordnen und, wie dieser Bericht feststellt, „mit zwei Millionen StudienabsolventInnen jährlich gibt es allen Grund zur Annahme, dass dieser Prozentsatz anwachsen wird.” Der Anteil am chinesischen BIP, der für Entwicklung und Forschung ausgegeben wird, wächst aktuell um 10% im Jahr, in der EU sind es lediglich 0.02%! (natürlich startet die EU von einem höheren Ausgangsniveau).

  3. Bis vor kurzem konnten sich bürgerliche ÖkonomInnen damit trösten, dass, während die Produktion nach China und anderswo verlagert werden kann, Entwicklungs- und Forschungseinrichtungen – und damit ein Monopol über die Technik – im „Heimat-„land bleiben. So hat etwa der britische Staubsaugerhersteller Dyson seine Produktion nach Asien verlagert, die Forschung und Entwicklung aber in England behalten. Aber der Aufstieg des Hightech-Sektors in China, teilweise durch geliehenes oder regelrecht „gestohlenes“ Geld aus den wirtschaftlich fortgeschrittenen Ländern, könnte zur Folge haben, dass diese Sicherheit nicht mehr lange besteht.

  4. Dieser Prozess hat sogar zu einer Tendenz hin zur „Aushöhlung“ des Industriesektors in den USA geführt. Sehr deutlich wird dies anhand der aktuellen Krise bei General Motors, einem der Flaggschiffe der US-Wirtschaft, wo kürzlich die Streichung von 30.000 Stellen bekannt gegeben wurde. Ford sieht sich ähnlichen Problemen gegenüber, die symptomatisch sind für den Niedergang des Industriesektors in den USA. Wie wir erklärt haben, wird die US-Wirtschaft durch den Aufstieg des chinesischen Imperialismus relative geschwächt.

  5. Die USA sind zwar weiterhin die stärkste imperialistische Macht, sie sind allerdings eine Macht, die sich relativ auf dem absteigenden Ast befindet. Sollte sich der aktuelle Trend einer Kräfteverschiebung zugunsten Chinas auf Kosten der USA und der imperialistischen Mächte Europas fortsetzen (und es gibt viele Faktoren die diesen Trend verlangsamen oder durchkreuzen könnten) würde eine solche Entwicklungen soziale und politische Erschütterungen in den alten imperialistischen Ländern hervorrufen. Es würde weiters das zahlenmäßige und das soziale Gewicht des chinesischen Proletariats enorm steigern. Das politische Bewusstsein des chinesischen Proletariats befindet sich allerdings aktuell auf einem niedrigen Niveau.   

  6. Die Folgen der massiven Verlagerung von Industrie und Arbeitsplätzen nach China und anderswohin werfen wichtige Fragen in Bezug auf die marxistische Theorie auf. Marx, und vor ihm schon Adam Smith, unterschied zwischen „produktiver“ und „nicht-produktiver“ Arbeit. Erstere schuf neuen Wert, oder modern gesagt „zusätzlichen Wert“. Nicht-produktive Arbeit, obwohl oft von entscheidender Bedeutung für das Funktionieren des Kapitalismus, schafft keinen neuen Wert, sondern nimmt sich einen Teil des Profits, der Löhne, der Einkommen usw., die letzten Endes aus dem durch produktive Arbeit geschaffenen Wert stammen.

  7. Marx wies darauf hin dass der Mehrwert, der durch die Arbeit der ArbeiterInnenklasse geschaffen wird, in drei Teile zerfällt: Rente, Zinsen, und Profit. Nicht nur durch die eigentliche Herstellung wird in Laufe des Produktionsprozesses neuer Wert geschaffen. Aber die produktive Industrie, die verarbeitende Industrie und ihre Ableger sind die Hauptquelle des Wertes. Deswegen bedeutet der Verlust des Produktionsstandortes und aller verwandten Zulieferindustrien im günstigsten Fall die Abhängigkeit der stärkeren Industrieländer.

  8. Einige werden sich eine Platz als Renten-kapitalistische („Kouponschneider“) Länder schaffen, die sich auf „Dienstleistungen“ wie Bankwesen, Tourismus usw. spezialisieren. Dies kann verstärkt werden, wie es etwa in Britannien der Fall ist, durch Einkommen aus großen Auslandsinvestitionen, einschließlich der Super-Ausbeutung der Massen in der neokolonialen Welt. Gleichzeitig können solche Staaten auch Empfänger beachtlicher Volumen von ausländischen Direktinvestitionen sein, wie es in Britannien bis jetzt auch der Fall war.

  9. Dies bezieht sich auf die kurzfristige Entwicklung, es wird nicht notwendigerweise in Zukunft so sein. Aber für Wirtschaften, sogar für ganze Kontinente, besteht hier die Gefahr eines schrumpfenden Produktionsstandortes und eine Abhängigkeit von „Dienstleistungen“. Dies ist, in den Worten des ehemaligen britischen Premierministers Harold Macmillan, „Wie anderen Leuten die Wäsche reinholen“. Auf lange Sicht wird der Verlust wirklicher wirtschaftlicher Stärke in anderen Bereichen sichtbar werden.

  10. Industrielle Stärke widerspiegelt letztendlich diplomatische „weiche Macht“, und ab einem gewissen Punkt auch militärische Fähigkeiten, das Potenzial zu „harter Macht“. Die Aussicht darauf, dass China diese wirtschaftliche und militärische Macht anhäufen könnte, erweckt gerade den Widerspruch der herrschenden Klasse in den USA. Der anschwellende, bilaterale Handelsüberschuss Chinas im Handel mit den USA hat zu Konflikten in Bezug auf Textilien, Schuhe usw. geführt. Dies wird wahrscheinlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt, auch eine unkontrollierbare protektionistische Gegenreaktion erzeugen. Dies steht auch im Zusammenhang mit dem Murren aus den USA angesichts des kontinuierlichen Aufbaus der militärischen Fähigkeiten Chinas, der wiederum im Zusammenhang steht mit der unersättlichen Suche nach immer mehr Rohstoffen um das eigene Wirtschaftswachstum anzuheizen. Dies führt zu einem direkten Interessensgegensatz mit der herrschenden Klasse in den USA, die auch an diesem „großen Spiel“, vor allem um Öl, beteiligt sind.

  11. In Asien ist die Entstehung eines von China angeführten Blocks gegen den japanischen Imperialismus, der mit den USA verbündet ist, klar zu erkennen. Dieser Konflikt hat bereits zu einem Erstarken des japanischen Nationalismus geführt. Die Auswirkungen dieser inter-imperialistischen Rivalitäten haben bereits zu einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen China und Putins Russland geführt – ironischerweise eine stärkere Zusammenarbeit als früher zwischen den beiden damals stalinistischen Staaten.

  12. Hinzu kommen die festgefahrene Doha-Runde der Handelsgespräche bei der WTO (Welthandelsorganisation) – dort gibt es auch einen Konflikt innerhalb des europäischen Blocks bezüglich Landwirtschaft, EU-Erweiterung und anderen Fragen – und es bedarf nicht viel Fantasie um sich eine Zukunft vorzustellen, die von vermehrten Konflikten und Rivalitäten geprägt ist, und durch eine Rezession in der Weltwirtschaft oder durch eine Verlangsamung von Wachstumsraten enorm verschärft werden könnte.

  13. Obwohl der Welthandel absolute gesehen zugenommen hat, erfährt die Weltwirtschaft in ihrer Erholungsphase seit 2001 eine „Wachstumsrezession“, eine geringe Entwicklung der Produktivkräfte und ein Scheitern am Problem der Arbeitslosigkeit, vor allem in Europa, wo die offizielle Arbeitslosenzahl über 20 Millionen beträgt.

  14. In der jüngsten Periode hat die herrschende Klasse in den USA und in einigen anderen Ländern eine Art „Keynesianismus für Reiche“ praktiziert, in dem sie den Vermögenden Steuererleichterungen gaben. Bush hat den Superreichen in den USA Steuersenkungen im Wert von 700 Millionen Dollar gewehrt. Diese Steuersenkungen bewirken so gut wie keine Steigerung der Konsumausgaben. In Folge der Katastrophe rund um den Hurrikane Katrina war er gezwungen, ein Wiederaufbauprogramm anzukündigen.

  15. Gleichzeitig behauptet er, dass er die Staatsverschuldung bis zum Ende seiner Amtszeit halbieren wird. Diese Einsparungen sollen in erster Linie durch drastische Streichungen im Gesundheitswesen, bei der Sozialhilfe, beim sozialen Wohnungsbau und anderen Projekten erreicht werden. Anders gesagt werden also die Armen für diese Einschnitte bezahlen müssen. Das Aufzehren der Reserven des Kapitalismus wird, in einer tiefen Rezession, erneut die Möglichkeit mit sich bringen, dass die herrschende Klasse „die Druckpresse anwirft“ und die Gefahr inflationärer Tendenzen eingeht. Wie in den 1970er Jahren könnten sie sich dem Phänomen der Stagflation gegenübersehen wenn sie zu solchen Mitteln greifen.

  16. Solange die aktuelle „Wachstumsrezession“ anhält, können die KapitalistInnen zusammenhalten; sich zwar von Zeit zu Zeit den ein oder anderen Schlagabtausch liefern, aber ohne die komplette Fragmentierung die zu einem Handelskrieg führt. Aber eine Rezession und sogar eine Periode des verlangsamten Wachstums wird zu Konflikten führen die wiederum die Probleme der Weltwirtschaft enorm verschärfen könnten. Der fundamentale Faktor – natürlich nicht sofort und nicht unmittelbar, aber in letzter Konsequenz – ist die Entwicklung der Produktivkräfte als Haupttriebfeder bei der Herausbildung des Bewusstseins, vor allem der ArbeiterInnenklasse und die Auswirkungen hiervon auf politische Ereignisse.

Vertrauenskrise der Bourgeoisie

  1. Auffällig an der aktuellen Weltlage ist, dass sich die Bourgeoisie weltweit einer Vertrauenskrise in noch nie da gewesenen Ausmaßen gegenüber sieht. Besonders ausgeprägt ist dies in den USA und Europa. Ein wichtiger Grund für diese Entwicklung in den USA, Britannien und Australien ist die katastrophale Situation im Irak, zusammen mit wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen. Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte ähnliche demoralisierende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen in diesen und anderen EU-Staaten. Der Vertrauensverlust geschieht bereits vor dem Anfang ernsthafter ökonomischer Probleme in Form einer Rezession oder eines Abschwungs.

  2. Dies ist am Beispiel der wichtigsten kapitalistischen und imperialistischen Macht, nämlich der USA, deutlich geworden. Die neokonservative Clique, die durch die Präsidentschaft von George Bush regiert, ist für den US-Kapitalismus ein einziges Desaster gewesen. Ihre Herrschaft hat einige Parallelen, nur in einem viel größeren Maßstab, mit der Margaret Thatchers in Britannien vor 20 Jahren. Ihr „Erbe“ war eine gespaltene, polarisierte und zunehmend verarmende Gesellschaft, versteckt hinter der Fassade des wirtschaftlichen „Fortschritts“. Dies hat ihren Nachfolgern in der Konservativen Partei Feindseligkeit und eine Serie von Wahlniederlagen eingebracht. Die Präsidentschaft von Bush droht genau dieselben Folgen für die Republikanische Partei zu bringen, aufgrund des katastrophalen, nicht-gewinnbaren Krieges im Irak aber auch wegen der Art und Weise, in der die Wirtschaftspolitik gestaltet wurde.

  3. Die Präsidentschaft von Bush befindet sich nun im „freien Fall“. Sie ist nicht nur im Irak-Debakel verstrickt, sondern zusätzlich auch auf desaströser Weise von den Auswirkungen auf sozialer und auf Klassenebene nach dem Hurrikane Katrina beschädigt. Nun sieht sie sich Korruptionsskandalen gegenüber die möglicherweise bis hoch zu Cheney gehen und in denen bereits führende Republikaner verstrickt sind. Der aktuelle Skandal hat bereits den Kongressabgeordneten Robert Ney getroffen, der als „Bürgermeister von Capitol Hill“ bezeichnet wird, und auch Tom DeLay, der, aufgrund seiner Art, in der republikanischen Kongressfraktion für Disziplin zu sorgen, als „der Hammer“ bekannt ist.

  4. Ein Teil der herrschenden Klasse in den USA versucht nun der Bush-Regierung „die Flügel zu stutzen“. Korruption ist in der kapitalistischen Welt und innerhalb der herrschenden Klassen international allgegenwärtig. Dies ist zum Teil eine Widerspiegelung der veränderten Zusammensetzung der herrschenden Klassen, die international gesehen verstärkte parasitäre Züge haben, aber auch von der Abwesenheit von Massenparteien der ArbeiterInnen, die in der Vergangenheit zum Teil einige „Exzesse“ des Kapitalismus in Schach gehalten haben.

  5. Während die erste Amtszeit von Bush geprägt war von dem Versuch der Neokonservativen, die Macht des US-Imperialismus zum Tragen zu bringen, hat die zweite sehr deutlich die Grenzen dieser Macht aufgezeigt, wie wir auch in den Dokumenten zum letzten Weltkongress prognostiziert haben. Deutlich wurde dies nicht nur im Irak, sondern auch kürzlich in Argentinien auf dem Amerika-Gipfel, als Bushs Versuch, die Pläne für die Freihandelszone FTAA wiederzubeleben, von den „fünf Drachen“ (Argentinien, Venezuela, Brasilien, Paraguay und Uruguay) abgeblockt wurden.

  6. Francis Fukuyama war der Prophet vom „Ende der Geschichte“ nach dem Fall der Berliner Mauer; womit er sagen wollte, dass die liberale bürgerliche Demokratie die letzte Stufe des historischen  Fortschritts der Menschheit sei. Das ist nichts neues. Der grundsätzliche Fehler klassischer Ökonomen – Adam Smith und David Ricardo – war die Betrachtung des Kapitalismus als die natürliche Lebensweise der Menschheit. Für diese großen Klassiker der Ökonomie gibt es mildernde Umstände. Sie lebten zu einer Zeit, als der Kapitalismus „noch nicht voll entwickelt war, bevor der Kapitalismus alt wurde”. (Zitat Trotzki)

  7. Fukuyama führt auch in einer Phase der Krise und des Niedergangs dieses Systems solche Argumente ins Feld. Die USA selber sollten der hellste Stern in dieser Konstellation sein. Allerdings, so sagt er jetzt, „werden auf der Ebene der Eliten sich die Regierungschefs bemühen, aus Eigeninteresse gute Beziehungen zu Washington wiederherzustellen, aber auf der Massenebene hat sich die Wahrnehmung der USA massiv verschoben – große Teile der Welt  denken bei den USA nicht an die Freiheitsstatue sondern an den vermummten Gefangenen in Abu Ghraib.”

  8. Der Irakkrieg hat, wie auch jener in Vietnam, die US-amerikanische Gesellschaft erschüttert, obwohl die Anzahl der getöteten AmerikanerInnen bis jetzt nur ein Dreißigstel von der im Vietnamkrieg erreicht hat. Aber der Irak, wie auch schon Vietnam, fällt mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen zusammen. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass bürgerliche KommentatorInnen sich darüber beschweren, dass „keiner den Willen oder eine Vorstellung hat“ um den ökonomischen Niedergang zu verhindern. Der politisch geschädigte „lahme Ente“ George Bush kann die drohende Katastrophe nicht abwenden. Viel schlimmer, so argumentieren Einige, ist die Tatsache, dass die USA dermaßen unter einem Mangel an bürgerlichen StrategInnen leidet, dass im Fall einer ernsthaften wirtschaftlichen Krise keiner von der „Statur eines Franklin D Roosevelt“ da ist, der/die in die Bresche springen könnte um „die USA in eine Richtung zu lenken“.

  9. Roosevelt, so lautet die Argumentation, hatte damals mit seinem „New Deal“ den US-Kapitalismus gerettet. Aber wie Trotzki kommentierte bestand das Programm des New Deal größtenteils aus groß angekündigten aber begrenzten „Sozialreformen“ die die seit den 30er Jahren bestehende grundlegende ökonomischen Krise nicht beseitigten. Nur der sich abzeichnende Zweite Weltkrieg und die Entwicklung der Kriegsproduktion begann, die USA aus der schwerwiegendsten Wirtschaftskrise ihrer Geschichte herauszuziehen. Dieser Weg, ein „Dritter Weltkrieg“ existiert heute für den Kapitalismus nicht. Roosevelt spielte durch seine quasi-keynesianistischen Methoden zwar eine entscheidende Rolle dabei, den Anschein zu geben, als würde sich die USA in eine andere Richtung bewegen. Und politisch konnten seine minimalen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Teil der US-ArbeiterInnenklasse ruhigstellen, in dem ihnen der Glaube an eine „bessere Zukunft“ gegeben wurde.

  10. Heute ist es allerdings anders: so schreibt ein US-amerikanischer Kommentator in der Financial Times: „Würde eine Krise in der Größenordnung jener von 1929-32 heute die USA heimsuchen (es ist interessant, dass dies als Möglichkeit vorgebracht werden kann – I.S.), würde das Land keinen FDR finden, der mit einem New Deal-Programm gegen den Republikaner Herbert Hoover antritt. Sie hätten einen zurückhaltenden, ineffektiven Herbert Hoover von den Demokraten der gegen einen Republikanischen Calvin Coolidge, einen unbeugsamen Verteidiger der schlimmsten Aspekte des aktuellen Systems. Wären das 1932 die Alternativen gewesen, wäre das ganze Fundament des amerikanischen Staates in Gefahr gewesen” (5. Oktober 2005)

  11. Die USA werden aktuell geprägt von einer massiven Führungskrise, einer ernsthaften ökonomischen Krise und auch einem Auftreten von Spannungen entlang von Klassenlinien, was zusammengenommen eine Zukunft voller politischer Erschütterungen für die USA und demzufolge auch für die Welt als ganzes bedeutet.

  12. Die Niederlagen Schwarzeneggers bei den Volksabstimmungen in Kalifornien stellen nur die Spitze des Eisbergs dar was die sozialen und Klassenbewegungen betrifft die in den USA bevorstehen. Die Spaltung des Gewerkschaftsdachverbandes AFL-CIO ist ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit den konservativen FunktionärInnen der US-Gewerkschaften, auch wenn noch nicht klar ist, wie sich diese Abspaltung entwickeln wird. Es besteht das Potential für ein Zusammentreffen der wachsenden Antikriegsbewegungen mit den Klassenbewegungen und den sozialen Bewegungen bei ökonomischen Themen. Die Angriffe auf die US-ArbeiterInnenklasse die gerade vorbereitet werden, sind beim Autoteilhersteller Delphi bereits sichtbar, die Firma hat einen Antrag auf Insolvenz mit Gläubigerschutz gestellt. Die Firma beschäftigt 56.000 ArbeiterInnen in den USA und 129.000 im Ausland. Es wird eine Absenkung des Lohnes von 27.- auf 9.50 Dollar pro Stunde gefordert, zusätzlich zu Einschnitten bei der Krankenversicherung.

  13. Solche Angriffe werden zu heftigen Kämpfen der US-ArbeiterInnenklasse in der kommenden Periode führen. Das Aufkommen einer wachsenden Klassenbewegung in den USA wird eines der wichtigsten Entwicklungen der kommenden Periode sein, und würde auch international wichtige Auswirkungen haben.

  14. Die Antikriegsstimmung und die Katastrophe im Irak haben bereits dazu geführt, dass einige der Demokraten ihr „Gewissen“ wiederentdeckt haben, so dass sie plötzlich angefangen haben, gegen den Krieg zu sein. Der Demokratische Kongressabgeordnete John Murtha aus Pennsylvania, der interessanterweise selbst 37 Jahre bei den Marines war, hat den sofortigen Abzug der US-Truppen aus dem Irak gefordert. Aufgrund seiner engen Verbindungen zum Militär darf angenommen werden, dass er für ein Teil des Marine Corps spricht. Gleichzeitig unterstützt Hillary Clinton, aussichtsreiche Bewerberin für die Demokratische Nominierung bei der nächsten Präsidentschaftswahl, weiterhin den Krieg, den ihr Mann als einen „großen Fehler“ bezeichnet hat.

  15. Die Tiefe der Krise in den USA wurde auch ausgedrückt durch die beispiellose öffentliche Kritik der aktuellen Regierung durch zwei ehemalige Präsidenten, Bill Clinton und Jimmy Carter, sowie durch Teile der Republikanischen Führung wie Brent Scowcroft. Diese wachsenden sozialen Widersprüche in der Gesellschaft der USA sind dabei, sowohl die Demokraten als auch die Republikaner in den Augen der Massen zu diskreditieren, während der Boden für eine neue Massenpartei vorbereitet wird.

Nahostpolitik der USA

  1. Die wachsende Krise im Irak und die wachsende Antikriegsbewegung im eigenen Land hat die Frage eines Rückzugs der US-Streitkräfte aufgeworfen. Die irakische Regierung hat davon gesprochen, dass dies in einem Jahr möglich sein könnte. Ein vollständiger Rückzug wird aufgrund der sich verschärfenden Krise im Irak nicht möglich sein. Allerdings könnte eine „Verkleinerung“ auf ein Besatzungskontingent von ca. 100.000, in wichtigen Stützpunkten und strategischen Gebieten konzentriert, eine Option darstellen. Ohne eine vereinte, alle ethnischen und religiösen Gruppen umfassende ArbeiterInnenbewegung würde ein vollständiger Rückzug einen noch größeren ethnischen und religiösen Konflikt zur Folge haben. Auf kapitalistischer Grundlage gibt es keine Aussicht auf die Etablierung einer stabilen bürgerlichen Demokratie. Wachsende ethnische und religiöse Spannungen könnten zur Aufteilung des Landes in drei „Staaten“ führen – möglicherweise wird das Regime Saddam Husseins durch drei reaktionäre und repressive Regime ersetzt werden, unter der Führung von drei „kleinen Saddams“. Die imperialistischen Kräfte stehen vor einem aus ihrer Sicht unlösbaren Problem. Den Preis dafür zahlen die Menschen im Irak und in der ganzen Region.

  2. Die Krise im Irak macht sehr deutlich, wie begrenzt die Möglichkeiten des US-Imperialismus für weitere direkte Interventionen sind. Der US-Imperialismus strebt offensichtlich noch im Iran und in Syrien Regimewechsel an, ist aber nicht in der Lage zu einem weiteren militärischen Abenteuer. Sogar eine Bombardierung des Iran ist, wenngleich nicht auszuschließen, doch unwahrscheinlich. Die Politik von Bush hat das reaktionäre, theokratische Regime von Ahmadinedschad auf einen noch härteren Kurs gebracht. Allerdings ruft der repressive Charakter seines Regimes Widerstand im Iran hervor und hat sich bereits überdehnt. Wie auch in Syrien setzen die USA ihre Hoffnungen auf eine Art Neuauflage der „Orangenen Revolution“ um diese Regime zugunsten US-freundlichere Regierungen zu stürzen.

  3. Gleichzeitig haben Ereignisse in Israel und Palästina eine neue Phase in der Krise eingeleitet. Die Wahl von Peretz zum Vorsitzenden der Arbeitspartei widerspiegelt, in verzerrter Weise, die massive Klassenpolarisierung und die soziale Spaltung die sich in der israelischen Gesellschaft entwickelt hat. Diese sehr bedeutende Entwicklung wurde teilweise überlagert durch Sharons Abspaltung vom Likud und der Gründung seiner neuen Partei. Dahinter steckt das Absterben des Osloer Friedensprozesses, das Ende der zweiten Intifada und die Akzeptanz der von den USA vorgelegten „Road Map“ durch einen Teil der israelischen herrschenden Klasse und aktuell auch durch Sharon selbst.

  4. Das alles bedeutet, dass Israel die eigenen Grenzen neu ziehen wird, entlang der neu errichteten „Sicherheitsmauer“ um „verteidigungsfähiger“ zu sein. Das beinhaltet auch einige Gebietsabtretungen. Es wird allerdings keine Rückkehr zu den Grenzen von vor 1967 sein. Die feige palästinensische herrschende Klasse hat, durch die Palästinenserbehörde, diese Entwicklungen begrüßt. Allerdings stellen sie, trotz des Abzugs aus Gaza, keinen Sieg für die palästinensischen Massen dar und werden den nationalen Konflikt in dieser entscheidend wichtigen Region nicht lösen.

  5. Die Krise in der ganzen Region könnte durch den andauernden Alpraum des Irakkonflikts und durch die explosiven Situationen die sich im Iran, Saudi Arabien und anderen Ländern zusammenbrauen weiter verkomplizieren. Diese Entwicklungen unterstreichen was für ein Desaster die US-Außenpolitik und die herrschenden Klassen der Region für die Menschen im Nahen Osten gebracht haben. Wir müssen unsere Aufmerksamkeit auf die zugrunde liegenden Klassenkonflikten richten, die sich in der Region entwickeln und die die Basis für eine neue Phase schaffen werden, in der sozialistische und revolutionäre Ideen wachsen werden. Die kürzlich erfolgten Streiks in Katar, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Kuwait waren Vorboten hiervon.

Europa

  1. Die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden hatte verheerende Auswirkungen auf die herrschenden Klassen Europas. Sie wurden dadurch demoralisiert und ihr politisches Selbstvertrauen wurde untergraben. Der Prozess der europäischen Integration ist ins Stocken geraten. Gleichzeitig sind verstärkt Spannungen und Konflikte zwischen den EU-Staaten aufgetreten. Ein Ausdruck hiervon sind die Konflikte zwischen Britannien und Frankreich über die gemeinsame Agrarpolitik sowie zwischen Britannien und den anderen EU-Staaten über den „Britenrabatt“.

  2. Allgemein gesehen stagnieren die Wirtschaften Europas, außerdem hat es einen leichten Inflationsanstieg gegeben. Die Inflationsangst hat zunächst zu einer Debatte über eine mögliche Anhebung der Zinssätze durch die EZB (Europäische Zentralbank) geführt. Sie haben diese Pläne zunächst fallen gelassen, um dann im Dezember doch die Erhöhung durchzuführen. Diese Politik wird die ökonomische Stagnation Europas nur verschärfen.

  3. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa haben nicht mit den westeuropäischen Ländern gleichgezogen. Wirtschaftswachstum hat es, wenn überhaupt, nur durch die Ausbeutung billiger Arbeitskräfte gegeben. Es findet eine massive soziale Polarisierung statt. Ein Merkmal all dieser Länder ist die mangelnde Stabilität in den Regierungen. Die sozialen Spannungen die sich in Polen entwickelt haben bringen die Möglichkeit sozialer Umbrüche mit sich. Die Erweiterung der EU hat mehr Instabilität und mehr Spannungen innerhalb der Union zur Folge gehabt.

  4. Die sich entwickelnde Krise in Europa findet aktuell besonders in Deutschland, Frankreich, Italien und Portugal Ausdruck. Entwicklungen in diesen Ländern und die aktuelle Streikbewegung in Belgien deuten an wie einige Elemente dieser Prozesse sich in der nächsten Periode in Europa entfalten werden 

  5. Die Bundestagswahlen und die Niederlage für Schröder, wenn auch noch nicht für sein ganzes neoliberales Programm, stellten einen Rückschlag für die Pläne der herrschenden Klasse dar. Die Entstehung der WASG war ein entscheidender Faktor in diesem Prozess. Die aus den Wahlen hervorgegangene CDU/SPD Koalition ist schwach und wird durch Spaltungen und Unentschlossenheit paralysiert werden. Des Weiteren wird es die Möglichkeit dafür schaffen, das eine noch stärkere Kraft auf dem Prozess der Formierung einer neuen linken Kraft aus der WASG, der Linkspartei.PDS und anderen Kräften und AktivistInnen hervorgeht. Dies könnte von betrieblichen Aktionen gegen Betriebsverlagerungen, Lohnkürzungen und die Zunehmenden Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse durch die Große Koalition begleitet werden.

  6. Es gibt sogar eine vage Wahrnehmung seitens einiger bürgerlicher KommentatorInnen dass die neoliberale Offensive in Deutschland, zu diesem Zeitpunkt, in der von ihnen beabsichtigten und erhofften Form nicht durchgeführt werden kann. Vor den Wahlen hoffte die Bourgeoisie auf eine CDU-geführte Regierung um weiter zu gehen als Schröder, dessen neoliberale Maßnahmen in seiner Partei und in den Gewerkschaften auf Widerstand gestoßen waren. Sie erwarteten einen klaren Sieg für eine CDU-geführte Regierung, die dann auf Konfrontationskurs mit der ArbeiterInnenklasse gehen würde. Das Wahlergebnis war eine Niederlage für diese Perspektive.

  7. Die Schwäche der Regierung und das Potential für eine baldige Krise fanden auch bei der Wahl Merkels zur Kanzlerin Ausdruck: 51 Abgeordnete der Regierungskoalition stimmen gegen sie! Selbst innerhalb der CDU sieht sich Widerspruch gegenüber, einige wichtige Ministerpräsidenten haben es abgelehnt, in ihrem Kabinett mitzuarbeiten.

  8. Im Wahlkampf versprach Merkel die Einkommenssteuer zu senken und die Mehrwertssteuer zu erhöhen. Eine ihrer ersten Ankündigungen nach der Amtsübernahme war die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, als Versuch, das Defizit von 35 Milliarden Euro zu reduzieren. Der deutsche Imperialismus hat den „Erfolg der Einheit“ teuer bezahlen müssen, sowohl politisch als auch wirtschaftlich. Ostdeutschland hat seit 1991 1.300 Milliarden Euro an Subventionen erhalten, gleichzeitig beträgt die Arbeitslosenquote immer noch 18,4%. Diese Steuererhöhungen werden nicht das Wachstum fördern, die Konsumausgaben in Deutschland sind niedrig. Vielmehr werden die Tendenzen hin zu einer Rezession verstärkt werden.

  9. Die Schröder-Regierung hat, durch die Gewerkschaftsführungen, eine verbreitete und generalisierte betriebliche Bewegung gegen die Agenda 2010 verhindert. Es wird dieser schwachen Koalition der Verlierer (weil alle an der neuen Regierung beteiligten Parteien bei den Wahlen Stimmen verloren haben) wesentlich schwerer fallen, die ArbeiterInnenklasse in Schach zu halten. Bereits jetzt gibt es Wut aufgrund der Angriffe gegen BeamtInnen, und es hat auch einige lokalen Streiks defensiver Art gegangen. Diese weisen darauf hin dass die Machtübernahme dieser Koalition eine neue Phase in der Krise in Deutschland einleiten wird, in der es zu einer verallgemeinerten Bewegung gegen die neoliberalen Maßnahmen der Regierung kommen könnte.

  10. Die neoliberalen Angriffe gegen die ArbeiterInnenklasse haben in Frankreich, Spanien, Italien, Deutschland, Belgien und Portugal eine unruhige Phase eingeläutet. Auf dem ganzen Kontinent brodelt es. Der erste Instinkt der Bourgeoisie angesichts sozialer Unruhen ist, dem Druck nachzugeben. Einige bürgerlichen StrategInnen haben im Fall Deutschlands argumentiert, dass die Art von frontalen Angriffen, die von Schröder gestartet und von Merkel versprochen wurden, zu sozialen Unruhen führen könnten, und mahnen deswegen zur Vorsicht. Daher wird eher „von unten“, also in einem Industriezweig und einem Betrieb nach dem anderen, angegriffen, anstatt zu diesem Zeitpunkt eine volle Offensive auf nationaler Ebene zu starten. Es findet ein konzentrierter Versuch statt, das System von Tarifverträgen zu brechen.

  11. In Frankreich reagierte de Villepin auf den erfolgreichen Generalstreik im Oktober in dem er sagte, er würde “zuhören“. Das alles bedeutet nicht, dass sich die Bourgeoisie leicht von ihrer neoliberalen Politik abbringen lassen wird, aber Widerstand der Massen kann einen vorübergehenden Rückzug erzwingen, wie es vor allem im Kampf um die Renten in Britannien, aber auch anderswo, deutlich geworden ist.

  12. Des Weiteren ist es möglich, dass, wenn es zu einer Implosion der Weltwirtschaft kommt, die Auswirkungen so gravierend sein könnten, dass die Bourgeoisie zumindest vorübergehend diese Pläne auf Eis legt, zugunsten verstärkter Staatsinterventionen und außerdem auch um den Preis wachsender  Inflationsraten auf höhere Staatsausgaben setzt. Eine Phase, in der dies zum dominanten Trend innerhalb der herrschenden Klassen wird, ist zu einem zukünftigen Zeitpunkt unvermeidbar. Aber wie bereits angedeutet ist der Spielraum für klassische keynesianistische Methoden eingeengt, sie können nur zum Preis steigender Inflation eingeführt werden.

  13. Der Ausbruch massiver Krawallen in Frankreich war eine Reaktion auf die neoliberale Politik von Chirac und deVillepin sowie die katastrophalen sozialen Bedingungen in den Ghettos, die es am Rande der meisten französischen Städte gibt. Sie widerspiegeln die tiefen sozialen Gegensätze und Klassengegensätze und auch den aggressiven Rassismus des französischen Staates. Diese sozialen Unruhen waren keine „rassischen oder ethnischen“ Bewegung wie es die französischen Rechten behauptet haben. Sie waren eine Explosion der Wut der ärmsten und am stärksten unterdrückten Schichten der Gesellschaft – darunter auch eine Schicht von armen Weißen.

  14. Es war eine rudimentäre Bewegung derjenigen, die keinen politischen Ausdruck für ihre Wut haben. Für einen solchen Wutausbruch ist der französische Kapitalismus verantwortlich, ebenso wie die herrschende Klasse und die Sozialistischen und Kommunistischen Parteien die die ArbeiterInnenklasse und die Jugend de facto verlassen haben. Es ist auch ein Armutszeugnis für LCR und LO, die es – jeweils aus opportunistischen bzw. aus sektiererischen Motiven heraus – versäumt haben, eine politische Alternative aufzubauen die die Wut und die Empörung, der an den Unruhen beteiligten Jugendlichen, kanalisieren könnte.

  15. Die französische Regierung hat dennoch diese Ereignisse als Rassenunruhen dargestellt und versucht, sie zu nutzen um rassistische Stimmungen zu schüren. Sie hat mit brutaler Repression reagiert, unter anderem mit dem Verhängen des Ausnahmezustandes (zum ersten Mal seit 1961 für einen längeren Zeitraum) und mit Ausgangssperren. Diese wurden selektiv in 30 Bezirken verhängt. Im Zusammenhang damit wurden CRS (Bereitschaftspolizei), Polizisten auf der Straße, Hubschrauber und Ausgangssperren eingesetzt. Es gab über 3.000 Festnahmen, unter anderem auch von Eltern von Jugendlichen, die an den Unruhen beteiligt waren.

  16. Der Griff zu solchen Mitteln ist ein Ausdruck der halb-bonapartistischen Charakterzüge des französischen Staatsapparates. Gleichzeitig werden repressive und anti-demokratische Maßnahmen auch durch andere Staaten ergriffen, etwa in Britannien, in den USA, Australien und in anderen Ländern.

  17. Bis jetzt haben Britannien, Irland und Schweden eine de facto „Politik der offenen Tür“ in Sachen Einwanderung betrieben. Dies geschah mit dem Ziel, Arbeitskräfte aus anderen Ländern zu holen um sie als billige Konkurrenz zur Senkung der Löhne einzusetzen. Die erbitterten Kämpfe der Besatzungen von Fähren auf Korsika und in Irland zeigen die Wichtigkeit die diese Frage in der kommenden Zeitperiode haben wird.

  18. In der gesamten EU wird sich die Praxis des Missbrauchs migrantischer Arbeitskräfte, um Löhne und Arbeitsbedingungen zu drücken, noch weiter ausbreiten. Die dramatischen Auswirkungen dieser Veränderungen könnten bedeuten, dass Einwanderung und Rassismus zentrale Themen werden. Es ist möglich dass sich die Ängste der ArbeiterInnen in den betroffenen Ländern verstärkt werden, und von rechtsextremen Kräften benutzt werden könnten, um rassistische Stimmungen und Ressentiments zu schüren..

  19. In einigen Ländern hat die extreme Rechte Wahlniederlagen erlitten, zum Beispiel in Österreich. Es war bedeutsam dass bei der Bundestagswahl das Bündnis aus WASG und PDS einen Wahlerfolg der extremen Rechten verhinderte. Dies bedeutet aber nicht dass die Gefahr gebannt ist. Wahlerfolge rechtsextremer Kräfte könnten wieder drohen, vor allem vor dem Hintergrund einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, indem sie auf die Ängste der ArbeiterInnen anspielen und rassistische Stimmungen und Gefühle zu schüren, besonders da, wo es keine starke linke oder sozialistische Alternative gibt.

  20. Wir müssen darauf vorbereitet sein, die Frage des Rassismus aufzugreifen und, insbesondere in den Ländern für die es relevant ist, es zu einem zentralen Bestandteil unserer Jugendarbeit zu machen. Es wird notwendig sein, in unseren Kampagnen vor allem zwei Themen in den Vordergrund zu stellen, um den Rassismus zu bekämpfen. Auf der einen Seite die Arbeit innerhalb der ArbeiterInnenbewegung um migrantische ArbeiterInnen für die Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen zu gewinnen und um für sie die üblichen Löhne und Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Anderseits wird auch eine Kampagne gegen Rassismus, reaktionären Nationalismus und ethnische Vorurteile notwendig sein.

  21. Das Wesen des Wutausbruchs in Frankreich erlaubte es der Regierung zunächst, verstärkte Unterstützung für ihre repressiven Maßnahmen zu erhalten. Es ist allerdings nicht Chirac der davon profitiert hat sondern de Villepin und Sarkozy. Obwohl ArbeiterInnen und Jugendliche verstehen, dass die Ursachen der Krawallen in den sozialen Bedingungen und dem Rassismus des Staates liegen, unterstützen laut einer CSA-Umfrage 68% die Verlängerung des Ausnahmezustandes. In der selben Umfrage waren sogar 75% der WählerInnen von LCR und LO für den Ausnahmezustand.

  22. Solche Stimmungen sind aber eine temporäre Reaktion auf die Krise und sie können sich rapide verändern, vor allem in Frankreich, während die Regierung versucht, weiter ihre neoliberale Politik zu betreiben. Die PSF hat in der aktuellen Krise einen Schwenk nach „links“ gemacht. Sie ist aber nach wie vor eine bürgerliche Partei und stellt keine Alternative für die ArbeiterInnenklasse dar. 69% glauben dass die PSF die nächsten Wahlen nicht gewinnen kann, ein ähnlicher Prozentsatz meint, dass die PSF die selbe Art von Politik wie die aktuelle Regierung betreiben würde, wenn sie jetzt an der Regierung wäre. Die Erfahrungen mit der letzten „sozialistischen“ Regierung sind immer noch im Bewusstsein der Massen präsent..  

  23. Diese Erfahrungen in Deutschland und Frankreich sind für die sich entfaltende Lage in Europa von zentraler Bedeutung. Gleichzeitig sind andere Länder in eine Phase der Krise und der sozialen Zerwürfnisse eingetreten. Italien ist der kranke Mann Europas sowohl ökonomisch als auch politisch. Die Regierung Berlusconis ist in einer Krise nach der anderen verstrickt und hat nun versucht sich dadurch zu retten, dass sie einfach das Wahlsystem für die im April stattfindenden Parlamentswahlen so verändert, dass sie ihre Chancen auf den Verbleib im Amt verbessert.

  24. Trotz dieser Änderungen zeigen die Umfragen dass es eine starke Wahrscheinlichkeit gibt, dass das oppositionelle Mitte-Links Bündnis „Union“ diese Wahlen gewinnen wird. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Einige in der Führung der PRC die verzweifelte anti-Berlusconi Stimmung als Vorwand benutzen werden, um über eine Unterstützung des Mitte-Links Bündnisses hinaus zu gehen und eventuell einer Mitte-Links Regierung beizutreten. Wenn sie das machen, dann werden wir dagegen opponieren müssen. Eine solche Entwicklung würde zu einem gewissen Zeitpunkt eine neue Krise in der PRC heraufbeschwören, wenn eine neue Mitte-Links Regierung mit der ArbeiterInnenklasse und der Jugend in Konflikt gerät..

  25. Portugal steht, angesichts einer verzweifelten wirtschaftlichen Situation, mit Sicherheit an der Schwelle einer sozialen Explosion. Zusammen mit der Streikwelle in Belgien und der sich entwickelnden Opposition gegen die Regierung Blair in Britannien weisen diese Ereignisse auf eine explosivere und günstigere Situation die sich in Europa entwickelt hin, in der wir unsere Sektionen aufbauen und stärken können.

Schlussfolgerungen und Aufgaben

  1. In Europa und international ist es klar, das eine neue und günstigere Phase zunehmender Schwierigkeiten für den Kapitalismus und wachsender Stimmung für Widerstand durch die ArbeiterInnenklasse nun begonnen hat. Die nächste Periode wird unvermeidlich auch viele widersprüchliche Merkmale haben, die zur Folge haben, dass die ArbeiterInnenklasse durch Kämpfe, Organisation und politisches Bewusstsein Fortschritte macht, während es gleichzeitig andere Komplikation und Rückschläge gibt. Allerdings bieten sich neue und größere Möglichkeiten die unseren Sektionen Gelegenheiten geben werden wichtige Fortschritte zu machen, unseren Einfluss zu stärken und die Mitgliedschaft vieler unserer Sektionen zu stärken.

  2. Es wird nötig sein, dass unsere Sektionen unsere Interventionen schärfen und kühne Initiativen ergreifen. Wir werden in der Lage sein, in den sich entwickelnden Klassenkämpfen eine wichtige Rolle zu spielen, wenn wir auf korrekter Weise intervenieren. Dies ist deutlich geworden an dem Beispiel der großartigen Intervention von Joe Higgins und den GenossInnen in Irland beim Arbeitskampf der Beschäftigten von Irish Ferries. Es ist besonders wichtig dass wir bei solchen Interventionen nicht nur unser allgemeines Programm und unsere Methoden erklären. Wir werden in der Lage sein, einen großen Einfluss in Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zu haben wenn wir richtige und spezifische Vorschläge machen, wie die stattfindenden Kämpfe organisiert und geführt werden können. Wenn wir in betrieblichen und sonstigen Bewegungen intervenieren, müssen wir gewährleisten dass unsere Taktik und unsere Forderungen auf allen Ebenen der Sektionen vollständig diskutiert und bilanziert werden.

  3. Die nächste Periode wird uns viel bessere Möglichkeiten bieten, unsere Sektionen aufzubauen, als es irgendwann in Laufe des letzten Jahrzehnts der Fall war. Wir müssen uns auf schnelle Veränderungen und Sprünge im politischen Bewusstsein gefasst machen und bereits sein, die notwendigen Schritte zu unternehmen um zu intervenieren, wenn solche Veränderungen stattfinden.

  4. Das CWI hat keine allgemeingültige Taktik die in jedem Land angewendet wird ohne die spezifischen vorherrschenden Bedingungen zu berücksichtigen. Allerdings drängt sich in vielen Ländern die Frage des Bedürfnisses nach neuen ArbeiterInnenparteien als zentrale Frage auf. Es ist von entscheidender Wichtigkeit dass unsere Sektionen die Taktiken, die wir anwenden müssen, um mit dieser wichtigen Frage umzugehen, immer wieder überprüfen und bilanzieren.

  5. Die Wenden hin zur WASG in Deutschland und zur P-SOL in Brasilien haben bereits wichtige Gewinne für die jeweiligen Sektionen gebracht. Die Initiativen die wir in Britannien und Belgien gestartet haben um große Kampagnen zum Aufbau neuer ArbeiterInnenparteien anzustoßen, zeigen die Art von Initiativen, die wir ergreifen müssen, wenn es nötig ist.

  6. Vor allem ist es wichtig, dass alle Sektionen besondere Aufmerksamkeit der Gewinnung und Ausbildung einer neuen Generation von GenossInnen widmen. Die Intensivierung der Jugendarbeit muss eine der Hauptprioritäten unserer Sektionen sein. Wir müssen besondere Maßnahmen ergreifen um die neue Generation von Mitgliedern politisch zu integrieren und zu entwickeln. Dies muss die wichtigste Priorität in der Arbeit aller Sektionen und Mitglieder in der nächsten Periode sein.

  7. Die nächste Periode wird und wesentlich bessere Gelegenheiten geben um unsere Sektionen zu stärken und um die Bekanntheit des CWI zu steigern.