WTO: „Entwicklungsrunde“ nach gescheiterter Konferenz in Hong Kong am Ende

Die aktuelle WTO-Runde hat den Anspruch, den „Entwicklungsländern“ Verbesserungen zu geben, ohne dass dafür Gegenleistungen verlangt werden.
 

Doch bereits im Vorfeld hatte der Wirtschaftwissenschaftler und Nobelpreisträger Joseph Stiglitz gewarnt, dass in dieser „Entwicklungsrunde“, die „diesen Namen gar nicht verdient“, die armen Länder höchstens „Krümel“ abbekommen würden.

von Sean McGinley

Und genau so kam es auch: Ein Sprecher der Hilfsorganisation Oxfam meinte, statt einer „Entwicklungsrunde“ hätte „die entwickelte Welt eine Runde geschenkt bekommen“. Die WTO hingegen versucht, die Konferenz als Erfolg darzustellen; vor allem mit Verweis darauf, dass die Industriestaaten ihre Agrarsubventionen bis 2013 auslaufen lassen werden. Doch die Abschaffung vieler dieser Subventionen war schon vorher beschlossen, die Industriestaaten haben sich mit zahlreichen Sonderklauseln und Ausnahmeregelungen abgesichert: So subventionieren die USA die eigene Baumwollindustrie mit 2.4 Milliarden US-Dollar jährlich – fast eine Verdopplung seit 1999, und mehr als das jeweilige BSP der vier westafrikanischen Staaten deren eigene Baumwollindustrie am stärksten unter der Subventionspolitik leidet – dabei hat zum Beispiel Burkina Faso zwei Millionen BaumwollbäuerInnen, gegenüber nur 28.000 in den USA. Die Abschaffung dieser Subventionen wurde bereits lange vor Hong Kong von der WTO gefordert– eine Forderung, die die USA einfach ignorierten. Außerdem gibt es noch zahlreiche weitere Unterstützungsleistungen der US-Regierung für die eigene Baumwollindustrie, die weiter laufen werden.

Selbst die großzügigen Subventionen der USA sehen im Vergleich zu denen der EU, mit einem jährlichen Volumen von 108 Milliarden Euro, bescheiden aus. Genau wie in den USA wird denen, die am meisten haben, am meisten gegeben: 80 Prozent des Budgets gehen an das oberste Fünftel der Landwirtschaftsindustrie. Diese Zahlen erklären, warum zwar 96 Prozent der weltweit in der Landwirtschaft Beschäftigten in den so genannten „Entwicklungsländern“ leben, aber nur 31 Prozent des weltweiten Handels mit Agrarprodukten auf diese Länder entfällt.

Wenn sich die öffentliche Enttäuschung über die dürftige Bilanz der Konferenz in Grenzen hält dann wohl nur deshalb weil die Erwartungen bereits im Vorfeld bewusst heruntergeschraubt wurden. Im Frühjahr ist eine „Hong Kong II“ – Runde geplant, doch ist dort kaum von einem Durchbruch auszugehen. In den letzten Jahren ist es den WTO-Konferenzen immer schwerer gefallen, einen Konsens zu finden. 2003 führte die geschlossene Ablehnung der von der EU und den USA geforderten Liberalisierungsmaßnahmen durch Länder der neokolonialen Welt zum Scheitern der Konferenz in Cancun. Vor allem die „G20“-Gruppe um Brasilien und Indien wurde danach als Gegengewicht zu den Industrienationen gesehen, die sich für die Interessen der ärmeren Länder einsetzen. Aber wenn die Regierungen dieser Länder in den letzten Jahren häufiger gegen westliche Forderungen im Rahmen der WTO opponieren, dann allerdings in erster Linie deswegen, weil viele dieser Regierungen mit massiven Protesten im eigenen Land gegen die Auswirkungen der Politik von WTO, IWF und Weltbank konfrontiert sind, und sich deswegen nicht in der Lage sehen, viel mehr an Verschlechterungen für ihre Bevölkerungen durchzusetzen. Die „G20“-Gruppe ist außerdem sehr heterogen und brüchig, wie sich in Hong Kong zeigte: Während Brasilien und Indien in den Bereichen Dienstleistungen und Industriegüter weitere Liberalisierungen unterstützten, lehnten viele der ärmsten Länder diese ab, da sie die eigene Wirtschaft mit Zöllen und Subventionen schützen wollen.

Auch in westlichen Ländern werden vermehrt protektionistische Maßnahmen als Reaktion auf die Auswirkungen wirtschaftlicher Krisen gefordert. Doch solche, ausschließlich auf nationalstaatlicher Ebene bleibenden Maßnahmen haben heute noch weniger Aussicht auf Erfolg als in früheren Jahrzehnten. Auch diejenigen Teile der Anti-Globalisierungs-Bewegung, die auf Reformen von WTO, IWF und Weltbank im Interesse der Massen setzen, bieten keine realistische Perspektive: diese Institutionen sind ihrem Wesen nach undemokratische Institutionen, ausführende Organe zur Durchsetzung der Interessen der globalen Banken und Konzerne. Erst wenn die Wirtschaft von der lokalen bis hinauf zur globalen Ebene in einem sozialistischen System demokratisch organisiert und geplant wird, wird es möglich sein, die katastrophalen sozialen und ökologischen Folgen der kapitalistischen Globalisierung zu überwinden, und allen eine menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.