Schreiben ohne etwas zu sagen

Der ehemalige NPDler Jan Zobel veröffentlicht sein Buch „Volk am Rand“
 
Wenn jemand, der bei den Bösen war, die Bösen verlässt und zu den vermeintlich Guten wechselt, dann freuen sich die Guten. Das hat was vom biblischen „verlorenen Sohn“, der reuig nach Hause kehrt und vergebungsvoll in die väterlichen Arme aufgenommen wird. Und bei so viel Freude und Rührung trübt sich schon mal der Blick für das Wesentliche.
Im Verlag „edition ost“ ist das Buch „Volk am Rand“ des Ex-Nazis Jan Zobel erschienen. Der Titel erinnert an ein Lieblingsbuch alter Nazis, den Roman „Volk ohne Raum“ von Hans Grimm, und der Untertitel „NPD: Personen, Politik und Perspektiven der Antidemokraten“ verspricht mehr, als die 176 Seiten halten. Und dabei müsste Zobel eigentlich die Naziszene gut kennen.
1993 tritt er der NPD-Jugend „Junge Nationaldemokraten“ (JN) und der NPD bei. Er baut den JN-Landesverband Hamburg auf und wird Landeschef. In der Folgezeit lernt Zobel Neonazis kennen, die heute in der Führungsriege der NPD und teilweise deren Landtagsabgeordnete in Sachsen sind. 1997 tritt er aus der NPD aus, wechselt nach Düsseldorf und ist dort unter anderem in rechtsextremen Projekten tätig – darunter einem der führenden neonazistischen Musiklabels „RockNord“.
Der Ausstieg aus der Naziszene erfolgte 2001 über das umstrittene „Hamlet-Projekt“ des Filmemachers Christoph Schlingensief, der Nazis mittels Shakespeare „bekehren“ wollte. Eigentlich kann und soll man von jemandem, der derart tief in der Naziszene war, in einem solchen Buch aussagekräftige Aufdeckungen von Strukturen, Personen, Hintermännern und Arbeitsweisen nicht nur der NPD, sondern auch der nazistischen Musikszene, mit der gerade Jugendliche für die Szene geworben werden, erwarten. Doch das bleibt aus.
So verwundert es auch nicht, das nach der Bucherscheinung in der Naziszene die große Aufregung ausblieb. Weder in der NPD, noch in Diskussionsforen der „Freien Kameradschaften“ wird es sonderlich zur Kenntnis genommen. Warum auch? Der heute 28-jährige hat ein Buch geschrieben, das keinem seiner Ex-Kameraden wirklich weh tun dürfte. Er beschreibt zwar an einigen Stellen Strukturen der Naziszene und Verbindungen und Zusammenarbeit in beziehungsweise mit dem bürgerlichen Spektrum – aber in der Regel handelt es sich hierbei um Ausführungen, die keinen Neuigkeitswert haben und bereits an anderen Stellen nachzulesen waren oder dokumentiert wurden. Also keine Spur von Einblicken oder gar Enthüllungen. Etwas Neues ist vielleicht der Umstand, dass es zwischen Zobel und dem sächsischen NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel wohl größere persönliche Differenzen gab. Zobels Einschätzung von Apfel, dieser sei ein Mann ohne Freunde und Eigenschaften, dafür aber ein mäßig intelligenter Ehrgeizling, mag richtig sein, ist aber auch nichts wirklich Neues.
Interessant ist das Buch, wenn Zobel von sich selber schreibt. Wie er als Jugendlicher in die braune Szene gekommen ist und – hier fangen die Irritationen beim Lesen wirklich an – wenn er sich selbst wiederholt als „progressiven Nationalisten“ beschreibt. Mit diesem Etikett schmücken sich Vertreter der salonfaschistischen „Neuen Rechten“.
Inakzeptabel wird es, wenn in einigen Textpassagen Thesen durchschimmern, die bei seinen ehemaligen Kameraden durchaus Beifall finden dürften – wenn etwa Israel indirekt vorgeworfen wird, den Antisemitismus mitzuschüren. Immerhin bestätigt Zobel als Ehemaliger, dass es sich bei der NPD um eine neonazistische, antidemokratische Partei handelt.

von Jörg Fischer, NPD-Aussteiger und Autor von „Ganz rechts“