Steuerreform – gut für wen?

Unternehmenssteuern sinken – Investitionen auch
 
„42 Prozent Spitzensteuersatz. Gut für die Menschen,“ warb die rot-grüne Bundesregierung in ihrer rund drei Millionen Euro teuren Kampagne zur Steuerreform 2005. „Gut für die Reichen und Superreichen,“ müsste es wohl eher heißen.
Doch dem nicht genug, beschlossen Regierung und Opposition beim „Jobgipfel“eine drastische Senkung der Körperschafts,- Gewerbe- und Erbschaftssteuer.
Lag der Spitzensteuersatz 1998 noch bei 53 Prozent, senkte Rot-Grün ihn erst auf 45 Prozent und 2005 auf 42 Prozent. Damit spart ein Einkommensmillionär über 100.000 Euro zusätzlich im Jahr. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer hingegen hat nach Eichels Steuerreform gerade mal 1.700 Euro mehr in der Tasche als 1998. Das wird ihm an anderer Stelle durch Teuro, steigende Benzinpreise, Zahnersatz und Krankengeld wieder aus der Tasche gezogen.
Der Staat nimmt durch die Steuerreform 2,5 Milliarden Euro weniger ein – in etwa das, was durch Hartz IV bei Erwerbslosen eingespart werden soll.
Zusätzlich wird jetzt die Körperschaftssteuer von 25 auf 19 Prozent gesenkt. Das entlastet Kapitalgesellschaften um drei Milliarden Euro (wobei viele Großkonzerne durch Verlagerung von Tochterunternehmen ins Ausland und Abschreibungen natürlich schon lange fast gar keine Steuern zahlen). Hinzu kommen Steuererleichterungen für Unternehmer bei Erbschafts- und Gewerbesteuer.

Gewinne explodieren

Die Steuerquote, also das Verhältnis der Steuerzahlungen am Bruttoinlandsprodukt, sinkt beständig. Betrug der Anteil der Gewinn- und Vermögenssteuern in den siebziger Jahren noch 28 Prozent, so liegt er heute bei 14 Prozent. Der Anteil der Lohnsteuern hingegen erhöhte sich im selben Zeitraum von unter dreißig Prozent auf 36 Prozent. Wären die Gewinn- und Vermögenssteuern noch auf dem Niveau der siebziger Jahre, hätte der Staat 70 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Kein Wunder also, dass die Kassen leer sind!
Die Ideologie dieser Steuerpolitik ist klar: Reiche sollen entlastet werden, damit sich „Leistung“ und Investitionen wieder lohnen und das Wachstum steigt. Trotz Steuergeschenke für die Reichen geht das Wachstum jedoch zurück. Während Aktiengesellschaften in den letzten vier Jahren mehr als 60 Milliarden Euro an Steuergeschenken erhielten, sanken die Investitionen um 27 Milliarden. Die Gewinne stiegen im selben Zeitraum um 65 Milliarden.

Was will die WASG?

Die WASG stellt sich gegen die von allen etablierten Parteien betriebene Umverteilung von unten nach oben.
Sie fordert die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, eine Reform der Erbschaftssteuer und eine gerechtere Einkommenssteuer. Warum soll man sich aber mit einem Spitzensteuersatz von 47 Prozent begnügen? Bevor Rot-Grün an die Regierung kam, lag dieser bei 53 Prozent – 1957 sogar bei 63 Prozent.
Die bisherige Steuerprogression endet bei einem Einkommen von 52.000 Euro. Ab diesen Bezügen müssen auf 42 Prozent des Einkommens Steuern – der Spitzensteuer-satz – gezahlt werden. Diese Grenze der Steuerprogression muss abgeschafft werden. Wer viel hat, soll auch viel zahlen! Die Besteuerung von noch höheren Einkommen muss drastisch über 47 Prozent liegen und weiter progressiv ansteigen.
Dann wäre auch genug Geld da, um das von der WASG geforderte öffentliche Investitionsprogramm zu finanzieren ohne Kredite aufzunehmen.
Eine progressive Erhöhung der Gewinnsteuern fällt jedoch nicht vom Himmel. Durch Massendemonstrationen und Streiks müsste der nötige Druck dazu aufgebaut werden.
Die sogenannten Massenverbrauchssteuern wie beispielsweise Mehrwertsteuer und Ökosteuer müssen dagegen abgeschafft werden. Sie sind ungerecht, weil ein Schüler auf eine Ware genauso viel Steuern bezahlen muss wie ein Topmanager.
Die WASG fordert außerdem, dass international tätige Unternehmen möglichst wenig Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung haben sollen. Das ist gut. Betriebsprüfungen sollen deshalb verstärkt werden. Doch Betriebsprüfungen reichen nicht aus.
Wirksamer als Stichproben bei Betrieben wäre die vollständige Offenlegung der Geschäftsbücher und die Kontrolle durch die Belegschaften. Dies können erste Schritte sein, um Wirtschaftskriminalität und Steuerhinterziehung einen Riegel vorzuschieben. Wenn aber Konzernchefs weiterhin ihre Konten ins Ausland verlegen und Bilanzen schönen, müssen Betriebe in öffentliches Eigentum überführt werden.

von Marcus Kourdji, Kassel